Digitalisierung mittels RFID in der Wäscherei Betriebsdaten voll im Griff

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RFID-Technologie

Wie lässt sich die Digitalisierung in der Textilpflegebranche nutzen? IT-Spezialist Alexander Matzelsberger hat dazu eine Vision, die er Schritt für Schritt in einer Wäscherei in Baden-Württemberg umsetzt. Dazu braucht es die RFID-Technologie zur Textilkennzeichnung, eine Software und vieles mehr.

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    Den gesamten Betrieb im Überblick: Mittels RFID und dem System von Matzelsberger soll das möglich sein. Screenshot: Matzelsberger
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    Projekt in einer Reinigung: Über eine App sind die Aufträge im Überblick zu sehen.
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    Die Leistungsdaten werden erfasst und den Mitarbeitern direkt am Arbeitsplatz angezeigt. Screenshot: Matzelsberger
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    Anhand von Smileys in Rot, Gelb und Grün können die ­Mitarbeiter ihre Leistung einschätzen. Fotos: Matzelsberger
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    Alexander Matzelsberger konnte Branchenerfahrung in der Textilreinigung seiner Eltern sammeln.

Industrie 4.0? „Nur ein Modewort“, meint Alexander Matzelsberger. Es gelte, die digitale Transformation eines Unternehmens zu leben. Der rasante Fortschritt der Technik und der Kundenbedürfnisse machen es notwendig, immer am Ball zu bleiben in Sachen Digitalisierung. „Wer wettbewerbsfähig sein und bleiben will, muss die Kunden begeistern und an sich binden“, ist sich Matzelsberger sicher. Das gelte nicht nur für die „Großen“ wie DHL oder Amazon, die vollautomatische Bestellprozesse und Transparenz für den Kunden bieten, sondern auch für die Textilpflege­branche.

Alexander Matzelsberger gründete 2003 die Matzelsberger GmbH & Co.KG  als „Ich-AG“ in der elterlichen Garage. Anfänglich als klassisches Systemhaus im Bereich der Netzwerktechnik konzipiert, wandelte sich das Unternehmen zu einem im Raum Ulm etablierten Betrieb mit mehreren Standbeinen, insbesondere im Bereich des Datenschutzes und der IT-Sicherheit. Heute beschäftigt Matzelsberger neun Mitarbeiter und betreut knapp 200 Kunden, vor allem kleine und mittelständische Firmen, darunter auch Betriebe aus der Textilpflege.

Der Draht zu Wäschereien und Textilreinigungen kommt nicht von ungefähr: Die Eltern von Alexander Matzelsberger führen in der zweiten Generation die Textilreinigung Kinseh’r in Ulm, früher bekannt als Pfau-Reinigung. Der 37-Jährige entwickelte bereits zu Jugendzeiten Interesse an Computern und IT-Technik, machte seinen Fachinformatiker und studierte berufsbegleitend technische Informatik, wobei er seine Eltern ebenso bei der digitalen Transformation des Unternehmens unterstützte. Hier konnte er bereits erste Einrücke von den Herausforderungen der Textilpflegebranche sammeln – und sah Innovationspotenziale.

Auf die wesentlichen Dinge konzentrieren

„Aufgrund des immer härteren Marktwettbewerbs und der verschärften Personalproblematik bin ich überzeugt, dass die Industrie 4.0, sprich die digitale Transformation des Unternehmens gewaltige Chancen für die Wäscherei- als auch Reinigungsbranche bietet“, ist Alexander Matzelsberger überzeugt. Seine Vision: Ein Geschäftsführer, der morgens auf sein Smartphone schaut und sofort die elementaren Betriebszahlen sieht, kann sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Ein Außendienstmitarbeiter könnte z.B. bei einer Preisverhandlung dem Kunden glaubhaft seine Kosten darlegen. Ein Controller müsste nicht mühsam sämtliche Daten im Betrieb zusammentragen und auf deren Richtigkeit verifizieren, sondern hätte unmittelbar alle benötigten Informationen. Das Personal ist in der Lage, seine Leistung selbst zu messen, und weiß, ab wann es Geld verdient. Der Kunde hat jederzeit den Überblick, wann seine Wäsche sich wo befindet, und kann den kompletten Waschprozess verfolgen. Auch der Kunde kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren und ist von der Innovationskraft und Qualität seiner Wäscherei begeistert.

Eine Chance, seine Vision umzusetzen, bekam Alexander Matzelsberger im vergangenen Jahr. Eine Wäscherei beauftragte Matzelsberger zunächst Ende 2015 mit einer Risikoanalyse der bestehenden IT-Infrastruktur sowie des Datenschutzes. Dabei stellte sich heraus, dass im Bereich der IT-unterstützten Prozesstechnik Verbesserungsbedarf bestand. Matzelsberger wurde mit der Erneuerung der IT-Infrastruktur beauftragt. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Auftrags kam die Geschäftsleitung der Wäscherei auf Alexander Matzelsberger mit der Bitte zu, die Themen RFID und Industrie 4.0 zu entwickeln, wobei beide Seiten Ideen und Ziele austauschten. Hier kamen Matzelsberger auch die in der Reinigung der Eltern gesammelten Erfahrungen zugute.

Individuell zugeschnittenes System

Ergebnis des Austauschs: Die Wäscherei wollte zusammen mit Matzelsberger ein individuell zugeschnittenes System errichten. Vorrangiges Ziel: Mit dem bestehenden Maschinenpark eine Kostenersparnis im Bereich Energie, Personal sowie Maschinen zu erreichen. Ebenso galt es, den Prozessablauf der Flachwäsche zu verbessern und die Qualität bzw. Kundenzufriedenheit zu steigern. „Mit den existierenden Systemen am Markt war dies nicht zu bewerkstelligen, so dass kurzerhand eine eigene Entwicklung gestartet wurde“, berichtet Matzelsberger. Die baden-württem­bergische Wäscherei verarbeitet täglich etwa 15 t Textilien – hauptsächlich Flachwäsche, Berufsbekleidung und Bewohner­wäsche – und beschäftigt 80 Mitarbeiter. In Zusammenhang mit dem Projekt identifizierte Matzelsberger folgende Spannungsfelder in der Wäscherei und entwickelte hierfür Lösungen.

1. Personal: Für die Wäschereien wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden und die Personalkosten im Rahmen zu halten, weiß auch Alexander Matzelsberger und erläutert: „Natürlich können Sie die Stückzahlen an den Maschinen notieren und mühsam zusammentragen. Unser System ist in der Lage, unabhängig vom RFID-Chip die Ware in Echtzeit zu zählen und somit eine Pro-Kopf-, Team- als auch Maschinenleistung auf den Mangeln, Betriebsrechnern als auch auf Tablets darstellen zu lassen.“ Wenn es zu Problemen kommt, z.B. die Leistung der Mitarbeiter nicht stimmt, könne dadurch sofort eingegriffen werden – nicht erst Stunden oder Tage später. Ebenso habe der Mitarbeiter die Möglichkeit, sich selbst zu kontrollieren und zu motivieren. „Woher soll ein Mitarbeiter wissen, wann und ob er gute Arbeit leistet oder nicht? Mittels unseres Systems sieht er es direkt am Arbeitsplatz“, sagt Matzelsberger. Die Mitarbeiter reagieren auf die angezeigten Smileys in Grün, Gelb und Rot positiv – sie bringen bunte Abwechslung in den Arbeitsalltag.

Sehen, wo Zeit vergeudet wird

Nebenbei werden die Arbeitszeiten direkt an den Maschinen erfasst und automatisch mit der betrieblichen Zeiterfassung abgeglichen. So sieht der Betrieb, wie viel Zeit für Umziehen, Maschinenvorbereitung etc. vergeudet wird. „Wertvolle Zeit – in unseren ersten Tests machte dies allein schon fünf Prozent der Personalkosten aus“, berichtet Matzelsberger.

2. Qualität und Quantität: Es ist für die Wäscherei eine Herausforderung, Qualität, Masse und korrekte Auslieferungen in Einklang zu bringen. Hier setzt Matzelsberger mit RFID-Technik sowie Informationspolitik im Unternehmen an. Verwendet werden handelsübliche Transponder von ThermoTex, Deister Electronic und HID. Angebracht werden die Transponder teilweise durch den Lieferanten als auch durch die Wäscherei selbst; teils eingenäht, teils gepacht. Die Antennen zum Einlesen der RFID-Transponder sind ebenfalls handelsübliche diverser Lieferanten. RFID-Gates hat Matzelsberger selbst entwickelt. Die Textilien werden an neuralgischen Punkten in der Wäscherei erfasst, sprich die RFID-Chips eingelesen (Wareneingang, Wäscheaufgabe, Waschmaschineneinwurf, Absortierband, Mangeln, Trockner, Trockenfaltmaschinen, Verpackung, Warenausgang, mobile Scanner für Lkw-Fahrer). Den Mitarbeitern gibt das System vor, wo die Ware in welchen Container muss. Während der Mitarbeiter die Textilien ablegt, wird in Echtzeit gelesen, was in den Container hineinkommt. So wird der Container Stück für Stück gepackt und sichergestellt, dass sich keine falsche Ware in dem Container befindet. „Außerdem sind wir in der Lage, die Wäsche vom Wareneingang bis hin zum Waschen, Mangeln, Trocknen, Falten, Verpacken und Warenausgang zu verfolgen“, erläutert Matzelsberger. Man gehe sogar so weit, die Ware auf den Lkw lesen und über satellitengestützte Verbindungen feststellen zu können, wo genau dieser Container beim Kunden ausgeliefert wurde. Das soll ermöglichen, bei einer Reklamation oder internen Qualitätskontrolle alle am Prozess Beteiligten zu identifizieren und bei Fehlern entsprechende Maßnahmen bzw. Fortbildungen gezielt einzusetzen.

Kameratechnik und Chipidentifikation

Matzelsberger weiß, dass mit RFID-Technik keine 100-prozentige Genauigkeit erreicht werden kann. Um dem Problem entgegenzutreten, hat das Unternehmen ein patentiertes System entwickelt, das es ermöglicht, die Wäsche über Kameratechnik zu identifizieren und gleichzeitig den Chip zu lesen. Spätestens im Falt- oder Mangelprozess werden die Textilien vollautomatisch optisch erfasst. Ware, die keinen Transponder hat, kann entweder automatisch aussortiert werden oder der Mitarbeiter erhält eine entsprechende Information. „Das heißt, wenn ein Wäschestück keinen RFID-Chip hat, der Chip sich abgelöst hat bzw. defekt ist, können wir z.B. einer Mangel ein automatisches Signal geben, dieses Wäschestück auszusortieren. Hiermit konnten wir ein großes Problem in der RFID-Technik lösen“, erläutert Matzelsberger.

Als Grundsystem kommt die Lösung einer der größten Softwarehersteller der Welt zum Einsatz: Microsoft Dynamics. Dadurch verspreche man sich permanente Aktualität, ein breites Entwicklerspektrum sowie guten Support und Qualität.

3. Energie: Um Energie einzusparen, benötigt eine Wäscherei zunächst Daten und Fakten, so Matzelsberger. Die Komplexität der Maschinen sei zwischenzeitlich so enorm, dass die manuelle ­Erfassung schwierig sei. Der IT-Experte verspricht: „Wir können den Verbrauch von Strom, Gas, Wasser, Druckluft sowie Dampf erfassen und messen. Wir kooperieren hierbei mit Unternehmen, die uns diese Daten zur Verfügung stellen. Wir stellen diese mit unserem System dann in einem 15-Minuten-Rhythmus bereit.“ Ein Beispiel: Ein Motor an einer Mangel geht schleichend kaputt bzw. hat nicht mehr den optimalen Wirkungsgrad. Oder es gibt ein Leck bei Druckluft und Dampf. Matzelsberger weiß: „Mit Glück fällt dieser Defekt bei einer Wartung auf. Die Realität sieht aber eher so aus, dass er erst nach mehreren Wochen, wenn nicht Monate später bzw. bei einem Totalverlust bemerkt wird.“ Wer sofort im System sieht, dass etwas nicht stimmt, könne einiges sparen.

Ressourcenverbrauch dokumentieren

Der zweite Ansatz zum Energiesparen ist, zu wissen, wie der Verbrauch über Wochen, Monate etc. aussieht. Wieder ein Beispiel: Ein Gastrockner mit einem falschen oder verdreckten Abluftrohr, bei dem der Durchschnitt des Rohrs zu klein ist, liefert feuchte Wäsche. Die Textilien werden nochmals getrocknet, der Energiebedarf erhöht sich. Des Weiteren spielen Wettereinflüsse unter Umständen eine Rolle. Um diese Problematik festzustellen, werden Wetter- und Maschinendaten benötigt. „Erst anhand dieser Daten lässt sich aus unserer Sicht eine seriöse Entscheidung treffen, ob z.B. ein Abluftrohr vergrößert, gesäubert, verändert werden muss oder eine Neuanschaffung Sinn macht“, meint Matzelsberger.

4. Kundenanforderungen: Der Kunde einer Wäscherei möchte sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Das heißt, er möchte so einfach wie möglich seine Wäsche bestellen, verfolgen und Transparenz in seinen Kosten haben. Je weniger Zeit der Kunde für die Abwicklung der Bestellung und Qualitätskontrolle benötigt, umso höher ist seine Zufriedenheit. Allerdings ist es auch für die Wäscherei wichtig zu wissen, dass der Kunde seine Ware in einem einwandfreien Zustand pünktlich geliefert bekommt. Bei eventuellen Reklamationen sollte der Unternehmer so viele Informationen wie möglich in der Hand haben. Deshalb verfolgt Matzelsberger die Wäsche im gesamten Prozess. „Wir können sogar so weit gehen, dass der Textilservicekunde durch eigene Technik und Anbindung an die Wäscherei die Ware überprüfen und sich somit das mühsame Zählen ersparen kann“, erläutert Alexander Matzelsberger. Auch könnte die Wäscherei hier als Dienstleister auftreten und z.B. Hotels helfen, den Schwund ihrer Wäsche durch Diebstahl zu minimieren.

Zum Patent angemeldet

Das System ist zum Patent angemeldet und wird aktuell getestet. Bereits marktreif sind die Betriebsdatenerfassung, d.h. Personalleistungs- und Zeiterfassung, die Betriebsübersicht sowie die Erfassung der Energiedaten und die Sensorenphalanx zur Erkennung der Ware mit und ohne RFID-Chip sowie deren automatischen Aussortierung. In Entwicklung befindet sich aktuell der gesamte Prozess der Flachwäsche zur Ausgabe eines verlässlichen Lieferscheins, das Thema mobiler RFID-Scanner für Lkw-Fahrer samt Tourenplanung sowie das Webportal für die Kunden zur Bestellung, Abrechnung, Reklamation und Qualitätsabfrage. „Da die Entwicklung viel Geld kostet, sind wir für Interessenten als auch Investoren jederzeit offen und gerne bereit, Ausschnitte zu zeigen“, betont Alexander Matzelsberger. Er ist sich auch im Klaren über den Aufwand der RFID-Einführung: „Wir denken nicht, dass es für mittelständische Wäschereien möglich ist, von heute auf morgen auf die neue Technik zu switchen. Dazu müsste ein Betrieb in kürzester Zeit den gesamten Wäschebestand verchippen. Wir glauben: Der Weg ist das Ziel.“ Man habe den Fokus zunächst auf den Personalbereich gelegt, da hier ein Großteil der Kosten in der Wäscherei entsteht.

Für Textilpflegebetriebe sei es entscheidend, Standardprozesse zu automatisieren und die Digitalisierung zu leben. „Wir denken, dass in den nächsten zehn Jahren die Betriebe, die sich auf dem Weg gemacht haben, sich der neuen Technik anzuschließen, diese Herausforderung überleben“, ist Matzelsberger überzeugt. „Wir haben heute die Möglichkeit, mit bezahlbarer Technik Energie, Personal sowie RFID-Prozesse zu verfolgen und zu überwachen. Geschäftsführer sollten die Möglichkeit haben, jederzeit auf Daten zuzugreifen, um zu sehen, wo sich welche Investition lohnt. Starre und hierarchische Modelle werden in der Personalpolitik eher zu Schwierigkeiten führen. (Selbst-)Motivation, Eigenverantwortung und Innovation lauten aus meiner Sicht die Devisen für sämtliche Dienstleistungsbetriebe, die morgen am Markt noch eine Rolle spielen wollen.“

Infos: www.matzelsberger.com