Lebensphasenorientierte Personalarbeit Der Job muss zum Leben passen

Wer heutzutage gutes Personal finden und halten will, kann keine „Personalarbeit nach dem Gieß­kannenprinzip“ machen. Aktuell Beschäftigte und zukünftige Mitarbeiter erwarten, dass ein Arbeit­geber speziell auf ihre Bedürfnisse eingeht. Dadurch hat mittlerweile das Thema „lebensphasen­orientierte Personalarbeit“ einen hohen Stellenwert erreicht. Wem als Personalverantwortlicher dazu jedoch nur berufstätige Mütter einfallen, denkt zu kurz.

Menschen in verschiedenen Lebensphasen haben verschiedene Ansprüche, vor allem auch an ihren Job. Dazu zählen nicht nur Mütter, sondern beispielsweise auch ältere Beschäftigte oder Mitarbeiter, die Angehörige pflegen.  Foto: majivecka, Fotolia.com - © majivecka, Fotolia.com

Fürsorgliche, nachhaltig denkende und handelnde Arbeitgeber achten darauf, dass der Job bei ihren Beschäftigten an die Erfordernisse des Lebensalters angepasst wird – und nicht anders herum. Das fängt beim Thema Kinder an, geht über Angebote für berufstätige Mütter weiter und endet nicht bei Karrierechancen für ältere Mitarbeiter. Denn modern eingestellte Arbeitgeber wissen, dass z.B. auch die Organisation der Pflege von Angehörigen oder eine berufsbegleitende Weiterbildung sowie die umfassende Vor- und Nachbereitung eines Sabbaticals (Möglichkeit, für längere Zeit aus dem Job auszusteigen und nach dieser Zeit wieder auf den Arbeitsplatz zurückzukehren) zu den Bedürfnissen der Mitarbeiter zählen. Das alles gehört heutzutage zu einem ganzheitlichen Konzept moderner Top-Arbeitgeber – wer sich dem widersetzt, wird über kurz oder lang nicht nur keine guten neuen Mitarbeiter gewinnen, sondern darüber hinaus bisherige Leistungsträger an den moderner aufgestellten Wettbewerb verlieren.

Nicht nur Eltern und jüngere Mitarbeiter, sondern verstärkt auch ältere Kollegen haben besondere Anforderungen an ihren Arbeitsplatz. Denn die Personalentwicklung hört mit 50 Jahren nicht auf. Den älteren Mitarbeitern ist bewusst, welchen Zeithorizont bis zur Rente sie noch vor sich haben und wollen sich bis dahin fachlich und persönlich noch entwickeln und nicht aufs Abstellgleis gestellt werden. Abgesehen davon wären sie mit ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz auch zu wertvoll dafür. Viele der Älteren haben Ehrgeiz und Spaß daran, nochmals auf die „Überholspur“ zu gehen und erwarten, dass sie dabei mit geeigneten Instrumenten und Maßnahmen von ihrem Arbeitgeber unterstützt werden.

Herausforderung „alternde Belegschaft“

Es ist noch nicht allzu lange her, als gerade große Unternehmen alles daran gesetzt und viel Geld investiert haben, 55-Jährige und Ältere mit allen Mitteln in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. Heute dagegen überlegen sich dieselben Firmen, wie sie ihre älteren Beschäftigten bei ihrer Berufs- und Lebensplanung unterstützen und so lange wie möglich im Unternehmen halten können. Oder sie holen sogar ehemals „geschasste“ Mitarbeiter wieder ins Unternehmen zurück.

Bei Eltern mit betreuungsintensiven Kindern wiederum geht es vermehrt darum, sie während der Erziehungszeit an das Unternehmen zu binden. Schon dass den Mitarbeitern während der Erziehungsphase nicht das Smartphone, das Tablet oder der Laptop weggenommen wird, kann von diesen als Zeichen gedeutet werden, dass man sie noch „dabei“ haben möchte. Sie können so ggf. noch das Geschehen im Team verfolgen und sich bei Bedarf auch aktiv mit einbringen. Wurde in vergangenen Zeiten die Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten, als Luxus angesehen, ist das heute fast schon eine Selbstverständlichkeit – sofern es sich vom Arbeitsablauf und den Kundenanforderungen her organisieren lässt. In manchen Firmen und Arbeitsbereichen ist es im Bedarfsfall sogar möglich, dass eine Mutter bzw. ein Vater das Kind auch einmal zur Arbeit mitbringen kann.

Diejenigen Unternehmen, die versuchen, die persönlichen Bedürfnisse mit den betrieblichen Anforderungen in Einklang zu bringen, werden für berufstätige Eltern attraktiver. Diese nehmen dann ggf. sogar Einkommenseinbußen in Kauf, wenn ihr Job ihnen die Abstimmung mit ihren persönlichen, familiären und beruflichen Erfordernissen erleichtert.

Arbeitgeberattraktivität erhöhen

Gleich bei welcher Generation – Baby-Boomer, Generation X, Y oder Z – das Thema „Work-Life-Balance“ wird kontrovers und immer häufiger diskutiert. Fakt ist, dass jeder nur eine Lebensarbeitszeit hat und dass es diese bestmöglich einzuteilen gilt. Insbesondere die jüngeren Generationen legen Wert auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Privatleben, Arbeit sowie beruflicher und persönlicher Weiterbildung und Entwicklung.

Viele Arbeitgeber klagen heute schon, dass sie nicht nur kein geeignetes und motiviertes Personal, sondern auf ihre Stellenausschreibungen überhaupt keine Bewerbungen mehr erhalten. Wenn Unternehmen künftig nicht konkret auf die unterschiedlichsten persönlichen Bedürfnisse und Anforderungen jetziger und zukünftiger Mitarbeiter eingehen, dann wird sich deren Personalsituation weiter zuspitzen, sie werden Aufträge nicht mehr annehmen oder bedienen können und schrumpfen oder schlimmstenfalls vom Markt verschwinden.

Innovative und mitarbeiterorientierte Unternehmen gehen heute schon dazu über, dem Personal nicht mehr genau vorzuschreiben, wer wann welche Einsatzzeiten hat. Es wird vielmehr nur noch der quantitative und qualitative Personalbedarf ermittelt – die konkrete Einteilung der Mitarbeiter wird diesen eigenverantwortlich überlassen. Ein Personalverantwortlicher, der das für „unvorstellbar“ hält, wird sich wundern, welche „Wundertüten“ er sich in naher Zukunft noch überlegen muss, um mit seinem Unternehmen zu überleben.

„Win-win-Situation“

Eine Personalarbeit, die sich an Lebensphasen der Mitarbeiter orientiert und die i ndividuelle Berufs- und Lebensplanung der Mitarbeiter im Blick hat, macht sich langfristig im wahrsten Sinne des Wortes „bezahlt“. Man muss dabei nicht gleich als „Top-Arbeitgeber“ ausgezeichnet werden – es reicht schon, wenn sich in der Region herumspricht, wie man auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingeht. Und wenn man vielleicht die örtliche Presse dafür gewinnen kann, einen Artikel über das Unternehmen zu schreiben, bekommt man günstig werbewirksame Unterstützung bei vielen potenziellen Bewerbern in der Region. Wer bei den Maßnahmen nicht primär im Sinn hat, den Kostenaufwand für das Unternehmen zu reduzieren, sondern die Chancen der verschiedenen Lebensphasen der einzelnen Mitarbeiter zum beiderseitigen Vorteil zu nutzen, schafft damit einen nachhaltigen positiven Effekt für sein Unternehmen.

Authentische Führungskräfte als Voraussetzung

Im internationalen Vergleich fühlen sich deutsche Mitarbeiter von ihren Führungskräften nur wenig unterstützt. Liegt das daran, dass nur wenige Personalverantwortliche dem Personalmarketing und der Work-Life-Balance in ihrem Unternehmen eine hohe Priorität einräumen? Oder liegt es daran, dass der Aufbau eines „Employer-Branding-Systems“ (unternehmensstrategische Maßnahme, bei der Konzepte aus dem Marketing – insbesondere der Markenbildung – angewandt werden, um ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und von anderen Wettbewerbern im Arbeitsmarkt positiv abzuheben) bei vielen Unternehmen nicht über das Lippenbekenntnisstadium hinausgeht?

Fazit

Bei technischen Entwicklungszielen und bei wirtschaftlichen Zielen setzen die Verantwortlichen meist die richtigen Prioritäten und verfolgen ehrgeizig die Zielerreichung. Bei der zielgerichteten Verfolgung der strategischen Personalziele steht der Verantwortliche meist alleine auf weiter Flur bzw. oftmals auch „im Regen“ – obwohl die obersten Verantwortlichen nicht müde werden zu betonen, dass es immer wichtiger wird, den „Erfolgsfaktor Mensch“ in den Mittelpunkt aller Bemühungen zu stellen. Doch: „Die demografische Uhr tickt …!“. Und dieser Faktor wird zukünftig die entscheidende Einflussgröße sein, auf die die Unternehmen mit entsprechenden Maßnahmen reagieren müssen. Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern mittels einer „handfesten Personalarbeit“.