Im Gespräch mit Christiane Hoffbauer, Projektleiterin der Brücke gGmbH Inklusion: Sauber und erfolgreich

Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung schaffen. Und zwar so, dass am Ende des Tages nicht nur ein gutes Gefühl bleibt, sondern auch die Zahlen stimmen. Völlig utopisch? Ganz und gar nicht, sagt Christiane Hoffbauer, Projektleiterin der Brücke gGmbH. Die Wäscherei zeigt, dass Inklusion unter echten wirtschaftlichen Bedingungen gelingen kann.

Christiane Hoffbauer (re.) mit ihrer Schwiegermutter Adelheid Hoffbauer. Foto: Rejschek-Wehmeyer - © Gabriele Rejschek-Wehmeyer

3 In dem hellen, lichtdurchfluteten Betrieb im Herzen von Bad Lippspringe geht es freundlich zu. Die Menschen, die hier arbeiten, stehen im Mittelpunkt. Jeder darf sein, wie er ist, und jeder gibt sein Bestes. Wertschätzung ist das Geheimnis des Erfolgs. Schwächen werden ausgeglichen, Stärken hervorgehoben. Das motiviert alle Beteiligten und ist der Aspekt, der die Brücke so außergewöhnlich macht. „Natürlich schauen wir darauf, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter mit dem Arbeitskontext vereinbar sind“, erklärt Christiane Hoffbauer, die in ihrer Verantwortung als psychosoziale Betreuerin immer wieder hervorhebt, was die Kollegen besonders gut können. Behinderung nicht als Stigmatisierung zu sehen, sondern als etwas, das zum Leben dazugehört, wünscht sie sich, von den Menschen und für die ganze Gesellschaft. „Mit der Brücke schaffen wir ein Stück Normalität für Menschen, die häufig ausgegrenzt werden“, erklärt die Projektleiterin, die seit 2013 zur Geschäftsführung gehört. „Wenn wir Besuchergruppen durch die Wäscherei führen, werden wir am Ende häufig gefragt: Wo sind denn eure Mitarbeiter mit Behinderung?“ Das sei eben völlig „normal“, denn Behinderung habe viele Gesichter, erklärt die empathische Diplom-Pädagogin, die auch dann entspannt und zugewandt bleibt, wenn es stressig wird. Dann sorgt auch sie dafür, dass die Grundstimmung positiv bleibt.

Natürlich koste Inklusion Geld, räumt sie ein. Daher sei es notwendig, dass Integrationsbetriebe gefördert werden, im Rahmen der Eingliederung, aber auch bei Investitionen und Instandhaltungen. „Denn letztendlich erfüllen wir einen wichtigen, gesellschaftlichen Auftrag.“

Ein echter Job für alle

Was bedeutet Arbeit für Menschen mit Lernbehinderung? Mit dieser Frage hatte sich die Projektleiterin bereits in ihrer Diplomarbeit auseinandergesetzt. Dass Arbeit weit mehr bedeutet als reine Beschäftigung oder die Möglichkeit, Geld zu verdienen, gelte für Menschen mit Behinderung in besonderem Maße. „Sie ist für unsere Mitarbeiter der Lebensmittelpunkt und die Verbindung zum gesellschaftlichen Leben“, betont Christiane Hoffbauer, Schwiegertochter der Gründerin Adelheid Hoffbauer, die vor 20 Jahren echte Pionierarbeit in Sachen Integration leistete. Für die zwölf Absolventinnen des mehrjährigen Hauswirtschaftslehrgangs am Kolping-Berufsförderungszentrum in Paderborn war die Gründung der Brücke im Jahr 1996 die einzige Chance auf einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Das Unternehmenskonzept habe sich in mehr als zwei Jahrzehnten bestens bewährt, so Christiane Hoffbauer, die ihre ersten Erfahrungen im Wäschereigeschäft in der Brücke machte, als Praktikantin während des Studiums und später als studentische Hilfskraft. „Ich habe die Entwicklung hautnah miterlebt und kenne auch unsere langjährigen Kunden gut.“ Nach dem Studium sammelte sie sechs Jahre lang Berufserfahrung in der sozialen Arbeit, mit dem Schwerpunkt berufliche Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Noch ist es nicht abzusehen, denn ihre Schwiegermutter gilt nach wie vor als das Herz der Brücke. Geplant ist es: Christiane Hoffbauer wird die Nachfolge sicherstellen, aus tiefster Überzeugung. Wir wollten wissen:

RWTextilservice : Frau Hoffbauer, warum brauchen wir Inklusion?

Christiane Hoffbauer: Vor 20 Jahren hieß es Integration, heute reden wir von Inklusion. Unser Ziel ist dasselbe: Wir wünschen uns sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für Menschen mit Behinderung, die ihnen größtmögliche Selbstständigkeit und eine reale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Viele unserer Mitarbeiter mit Behinderung hätten auf dem ersten Arbeitsmarkt absolut keine Chance, in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung wären sie unterfordert. Bei uns können sie ihre Fähigkeiten leben und weiterentwickeln. Sie sind stolz auf ihre Arbeit und identifizieren sich sehr mit „ihrem“ Betrieb.

Unser Jubiläum hat noch einmal deutlich gemacht: Inklusion in der Wirtschaft hat Bestand. Und ich wünsche mir, dass wir ein Beispiel für andere sind und zur Integration ermutigen. Denn der Bedarf ist einfach riesengroß und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist ein entscheidender Punkt der Inklusion. Nur so können unsere Mitarbeiter ihren Lebensunterhalt selber bestreiten. Unser Landschaftsverband macht hier klare Vorgaben: Der Anteil an Mitarbeitern mit Behinderung muss in einem Integrationsbetrieb zwischen 30 und 50 Prozent liegen. Wir beschäftigen heute insgesamt 60 Mitarbeiter, 26 von ihnen haben ein Handicap.

RWT : Wie sichern Sie die Arbeitsplätze?

Hoffbauer: Durch Qualität, außergewöhnliche Dienstleistungsbereitschaft und ein menschliches Miteinander, das auch unsere Kunden begeistert. Außerdem haben wir in den vergangenen Jahren unsere Geschäftsfelder kontinuierlich erweitert. Mit meinem Einstieg in die Geschäftsleitung im Jahr 2013 stand bereits eine umfassende Betriebserweiterung an. Neben der Betriebsfläche konnten wir die Zahl an Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen verdoppeln: von 13 auf heute 26. Ich habe damals die Projektleitung für den neuen Bereich Oberbekleidung übernommen, der konsequent ausgebaut wurde. Zeitgleich haben wir weitere Nischen gesucht. So entleeren wir heute z.B. im Auftrag der Kolping Recycling GmbH einen Großteil der Altkleidercontainer aus der Diözese Fulda. Das sind mittlerweile an die 300 Container, im kommenden Jahr dürften weitere 100 hinzukommen. Mit dem Recycling haben wir ein spannendes Geschäftsfeld hinzugewonnen. Flexibilität ist auch für uns ein wichtiger Erfolgsfaktor.

RWT : Wie sieht das im Wäschereialltag aus?

Hoffbauer: Als Diplom-Pädagogin erfülle ich die Forderung des Integrationsamtes des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, dass es in der Geschäftsleitung eine psychosoziale Fachkraft gibt. Ich kümmere mich um die Interessen aller Mitarbeiter und bin verantwortlich für die Einstellung des gesamten Personals. Unsere Mitarbeiter können mit allen Fragen zu mir kommen, Probleme werden schnellstmöglich gelöst, damit das Tagesgeschäft läuft. Im Vordergrund steht dabei immer die individuelle Förderung. Das heißt, wir schauen: Was kann die oder der Einzelne leisten? Wie können wir Stärken fördern und Schwächen ausgleichen? Das loten wir sehr sensibel aus, denn die meisten Menschen mit Behinderung haben klare Erfahrungen damit gemacht, was sie nicht können. Ihre Stärken sind ihnen selten bewusst. Im Rahmen eines Praktikums bieten wir ihnen die Chance, die Arbeit hautnah kennenzulernen.

Gerade die Wäscherei bietet eine Vielzahl an Tätigkeiten, die mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgeführt werden können: von der Sortierung über das Wäschefalten bis zur Maschinenführung. So können wir je nach Fähigkeit und Neigung den geeigneten Arbeitsplatz finden oder bei Bedarf wechseln. Vieles wird bei uns in Handarbeit gemacht, was von unseren Kunden geschätzt wird, z.B. die von Hand gefaltete Wäsche.

RWT : Wie wichtig ist dabei der Teamgeist?

Hoffbauer: Ganz entscheidend und für uns alle selbstverständlich. Unsere Mitarbeiter mit Behinderung werden von speziell geschulten Anleitern bei der täglichen Arbeit begleitet. Das sind fachlich versierte Mitarbeiter aus der Textilpflege und der Hauswirtschaft oder Quereinsteiger mit Organisationstalent. Ein Teil unseres Personals verfügt über gar keine Berufsausbildung. Das ist das Schöne an unserem Betrieb: Bei uns kommen auch Quereinsteiger gut zurecht, denn jeder wird individuell eingearbeitet und mit allen Arbeitsplätzen vertraut gemacht.

Und natürlich springe auch ich jederzeit ein, sogar als Fahrerin, wenn es erforderlich ist. So werde ich immer wieder daran erinnert, was die Kollegen in der Wäscherei täglich leisten. Für unsere reibungslose Produktion sorgt vor allem unsere Betriebsleiterin Anja Knaup, sie ist absolut spitze. Sie kennt die Feinheiten und die Besonderheiten in der professionellen Textilpflege, gibt ihr immenses Fachwissen weiter und unterstützt die anleitenden Fachkräfte. Wir sind ein sehr gutes Team.

RWT : Und was ist nicht immer so leicht?

Hoffbauer: Als Integrationsbetrieb sind wir auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig, konkurrieren mit anderen Wäschereien und müssen uns jeden Tag wirtschaftlich behaupten. Anders als die Werkstätten für Menschen mit Behinderung werden wir nicht komplett gefördert. Und daher müssen wir uns auf die Leistung unserer Mitarbeiter verlassen können, deren Behinderungen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Das sind Menschen mit geistigen, psychischen und neurologischen Handicaps sowie mit Lern- oder Sinnesbehinderungen, beispielsweise Gehörlosigkeit. Der Grad der Behinderung ist nicht unbedingt ausschlaggebend, sondern die Frage, inwiefern wir die Menschen qualifizieren können und welches Potenzial sie einbringen. Letztendlich geht es darum, dass wir gemeinschaftlich die Leistungen erbringen, sprich die Qualität, mit der wir wettbewerbsfähig sind.

RWT : Mit welchen Leistungen sichert die Brücke ihre Zukunft?

Hoffbauer: Unser Betrieb ist nach RAL zertifiziert, mit den Gütezeichen 1 bis 4. Wir unterscheiden uns in unserer Arbeitsweise allerdings von unseren Mitbewerbern, insbesondere Großwäschereien. So waschen und bearbeiten wir beispielsweise die Wäscheposten jedes Kunden separat während des gesamten Bearbeitungsprozesses. Unsere Kunden wissen, dass wir ihre Textilien absolut individuell behandeln und auf jeden Sonderwunsch eingehen, z.B. beim Stärken der Tischwäsche oder der gewünschten Art der Faltung. Darüber hinaus sind wir sehr flexibel, wenn es um einen zusätzlichen Wäschewechsel geht. Wir versuchen einfach, alles möglich zu machen, denn eine Alleinstellung in der Region haben wir definitiv nicht.

Die Brücke positioniert sich ganz bewusst als Wäscherei und Heißmangel. Diese Dienstleistungen können wir bestens bedienen und unsere Kunden profitieren von der Kombination aus Qualität und Kundenorientierung. Das ist vor allem für unsere Großkunden wichtig. Hier spielen Zahlen die große Rolle und nicht der soziale Auftrag. Und wenn an dieser Stelle unser Angebot stimmt, dann leistet auch der Kunde seinen Beitrag für die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt.

Infos: www.waescherei-diebruecke.de