Gütermann GmbH, Gutach Nähfaden ist nicht gleich Nähfaden

Sie halten Textilien zusammen: Nähfäden spielen eine wichtige Rolle. Bei ihrer Herstellung kommt es aber nicht nur auf Reißfestigkeit an. Auch wasch- und reinigungsecht müssen sie sein – und vieles mehr. RWTextilservice war zu Besuch bei Nähfadenhersteller Gütermann in Gutach.3 Ein Nähfaden ist ein simples Produkt. Das meint man, wenn man mal ab und zu einen Knopf annäht. Betrachtet man jedoch den Faden näher, so ist das Konstrukt wesentlich komplizierter als gedacht und muss eine Menge aushalten. Denn wer will schon wie Bayern-Trainer Pep Guardiola beim Jubel um den Sieg des Champions-League-Spiels gegen Porto im April dieses Jahres mit gerissenen Hosennähten dastehen? Birgit Jussen hat für RWTextilservice einen Blick hinter die Kulissen der Produktion von Nähfäden „made in Germany“ bei der Gütermann GmbH in Gutach im Breisgau geworfen, sich über die Anforderungen des Kunden an das textile Etwas informiert, nachgefragt, welche Rolle die Qualität des Fadens bei der Pflege von Textilien spielt und wo die Zukunft der Branche zu sehen ist. Spricht man bei Gütermann von Kunden, so ist zunächst die Konfektionsindustrie gemeint. Die Anforderungen dieser Kunden an den Nähfaden sind in erster Linie eine hohe Gleichmäßigkeit zur Erzielung eines ebensolchen Nahtbildes, Reißfestigkeit sowie Scheuerbeständigkeit – und das auch bei möglichst feinen Fäden. Eine absolute Farbgleichheit von Spule zu Spule spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Der Käufer des genähten Textils macht sich in der Regel über die Eigenschaften des Nähfadens weniger Gedanken: Schön soll er aussehen und die Naht soll halten. Bei der Pflege des Produkts, sei es in der Haushaltswaschmaschine oder der professionellen Textilpflege, kommen dann jedoch einige Anforderungen dazu: Die Färbung muss wasch- und reinigungsecht sein, der Faden muss auch hohe Temperaturen aushalten und darf nicht einspringen. Die bereits genannte Scheuerfestigkeit sei auch nochmal erwähnt. Hinzu kommen die Speichel- sowie Schweißechtheit und die Erfüllung der rechtlichen Grundlagen in Bezug auf Schadstoffe etc. Die Herausforderungen sind also groß und wachsen stetig weiter. Auch das Thema Nachhaltigkeit und ressourcenschonende Produktionsverfahren spielen mehr und mehr eine Rolle. Erfolgsfaden als HauptproduktDer Name Mara steht seit jeher für einen universell einsetzbaren Faden aus dem Hause Gütermann und kann als Hauptprodukt bezeichnet werden. Mara besteht aus 100 Prozent Polyester, dem mit einem Anteil von rund 75 Prozent am häufigsten für Nähfäden verwendeten Rohstoff. Mara ist in zwölf Stärken und 700 Farben erhältlich. Ursprünglich als Spinnfaserzwirn und Anfang der 1980er Jahre als Komponente im Umspinnzwirn auf den Markt gekommen, sind an diesem Faden sehr gut die Entwicklungen im Fadensektor und die Innovationskraft des Unternehmens aufzuzeigen. Zur Herstellung eines Umspinnzwirns werden Filamente, also Endlosfasern, und Stapelfasern, Fasern einer bestimmten Länge, miteinander kombiniert. Eine Seele aus Filamenten wird mit den Stapelfasern umsponnen. Die Filamente sorgen dabei für die Festigkeit und die Stapelfasern für den sogenannten „textilen Charakter“. Diese Technologie ist noch immer marktführend. Betrachtet man jedoch die Anzahl der erforderlichen Arbeitsschritte und die Eigenschaften des Umspinnzwirns, so lässt sich durchaus Verbesserungspotenzial aufzeigen. Im Hause Gütermann waren zwölf Arbeitsschritte zur Herstellung von Mara erforderlich. Das Ergebnis ist ein Faden, aus dessen Verbund Faserenden herausragen und so eine haarige Optik erzeugen. Der Einfluss der Haarigkeit auf die Vernähbarkeit liegt auf der Hand: Unter anderem ist Abrieb und Faserflug möglich, was zu Maschinenstörungen führen kann. In Bezug auf die Gebrauchs- und Pflegebeanspruchung kann die Haarigkeit Auswirkungen auf die Scheuerfestigkeit ebenso wie auf die Bindung von Pigmentschmutz haben. Die Verbesserung der Eigenschaften wie auch die aufwändige Herstellung hat die Entwicklungsabteilung der Gütermann GmbH zum Anlass genommen, eine neuartige Fadentechnologie zu entwickeln. Ultrafeine EndlosfädenDas von Gütermann entwickelte MCT-Herstellungsverfahren (MCT = Micro Core Technology) ist nach Unternehmensaussage mit keiner bestehenden Fadentechnologie vergleichbar. „Es ist das erste Umspinnverfahren auf Basis von Microfilamentpolyester“, erläutert Michael Stabenow, verantwortlich für die Forschung und Entwicklung. Das bedeutet, dass die Seele aus Filamenten nicht mit den Stapelfasern, sondern mit ultrafeinen Endlosfäden umsponnen wird. Der Aufbau des neuartigen Mara-Fadens macht ihn griffiger, gleichmäßiger und glänzender als seinen Vorgänger. Oben genannte Schwachstellen sind damit beseitigt. In Bezug auf die Gebrauchs- und Pflegeeigenschaften bedeutet das also u.a., dass der mechanische Abrieb geringer ist und er weniger schmutzanfällig ist. Die Produktion erfolgt auf eigens dafür entwickelten Maschinen. Die Arbeitsschritte bis zur Färbebehandlung konnten von zwölf auf drei reduziert werden, so Gütermann. Das Verfahren sei somit auch wesentlich wirtschaftlicher als die herkömmliche Technologie. Für die Herstellung des Fadens Mara wurde 2008 die Produktion in Gutach vollständig auf diese Kompakttechnologie umgestellt. Durch die Umrüstung konnte nicht nur das Produkt verbessert und die Technologie optimiert werden, dieser Schritt leistete auch einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Arbeitsplätze. Denn die Wirtschaftskrise hat auch vor dem Nähfadenhersteller nicht haltgemacht. Am Standort Gutach sind weiterhin knapp 400 Mitarbeiter beschäftigt. Das wäre ohne die Umstellung nicht mehr möglich gewesen, berichtet Stabenow. In der MCT-Produktion sind in vier Schichten 44 Mitarbeiter tätig. Auch wenn das auf den ersten Blick in die Produktionshallen nicht so scheint. Denn dort ist kaum ein Mensch zu sehen. Allerdings umfasst die Produktion noch viel mehr als die Herstellung des Fadens. Umfangreiche FarbpaletteWie anfangs erwähnt ist Mara in 700 Farben erhältlich. Auch die Farbpalette für die anderen Nähfäden im Sortiment ist vielfältig. So geht es bei der Besichtigungstour als Nächstes in die Färberei. Gütermann setzt nach eigenen Angaben nur schadstoffarme, gesundheitlich und ökologisch unbedenkliche Farbstoffe ein. Alle Fäden des Unternehmens sind nach Öko-Tex Standard 100 zertifiziert. Auch diesbezüglich ist Innovationskraft gefragt, denn die Liste der bedenklichen Substanzen wird immer länger und die Grenzwerte immer niedriger. Das bedeutet, dass Rezepte für Farben ständig an neue Anforderungen angepasst werden müssen. Die Farben müssen am Ende aber gleich sein. Farbabweichungen sind nicht akzeptabel. Eine ständige Überprüfung ist daher unerlässlich. Ebenfalls werden je nach Fadenart in der Färberei die Avivagen aufgebracht. Avivagen sind Präparationen, durch die die Eigenschaften in Bezug auf die Vernähbarkeit optimiert werden. Das Prüflabor für die Qualitätskontrolle liegt direkt nebenan. Dort werden neben der Farbe auch viele weitere Kriterien geprüft, u.a. folgende: Erfüllt der Nähfaden die Anforderungen in Bezug auf die Reißfestigkeit? Wie steht es um den Warenschrumpf? Wie hoch ist die Dehnung? Hat der Faden die Qualitätskontrolle bestanden, wird er auf die entsprechenden Aufmachungseinheiten für den Verkauf gespult: Kleine Einheiten für den Endkundenbereich, für den B2B-Kunden auf 1.000 m oder 5.000 Konen. Die Etikettierung und Verpackung erfolgt vollautomatisch. Das Etikett wird IT-basiert generiert, die Kone damit beklebt oder der Code direkt darauf gedruckt und die Spule dann in der entsprechenden Mengeneinheit verpackt. Täglich verlassen im Schnitt etwa 6 t Nähfaden das Haus in Gutach und werden in mehr als 150 Länder geliefert. Kleines Produkt ganz groß: Auch wenn die Gütermann GmbH die Prozesse durch einen technologischen Paradigmenwechsel optimiert hat und so im Vergleich zu anderen Nähfadenherstellern weniger Arbeitsschritte erforderlich sind, ist der Weg, bis der Faden in der Textilie steckt, die in die Textilreinigung kommt, doch sehr lang. Und viel aushalten muss er – im Gebrauch und bei der Pflege.