Textilreinigungsverfahren Nassreinigung mehr als ein Nebengeschäft?

Rund 14 Jahre ist es her, dass das Symbol für die Nassreinigung, das W im Kreis, offiziell als Pflegekennzeichen eingeführt wurde. RWTextilservice hat sich umgehört, wie sich das Verfahren inzwischen ­eta­bliert hat und welches Potenzial die Textilpflegebranche für die Zukunft der Nassreinigung sieht.

Die wenigsten Bekleidungsartikel, die der Verbraucher in den Läden findet, sind mit dem W-Symbol für die Nassreinigung gekennzeichnet. - © links: ufotopixl10, Fotolia.com; rechts: Kzenon, Fotolia.com

„Der Hauptfokus der Textilreinigungen liegt meist auf der chemischen Reinigung, während die Nassreinigung eher noch ein Nebengeschäft darstellt.“ Als Textilexpertin beschäftigt sich Birgit Jussen für die Europäische Forschungsvereinigung Innovative Textilpflege (EFIT) intensiv mit dem Thema Nassreinigung. Sie bestätigt den Eindruck, dass sich das Verfahren in der Praxis noch nicht ganz durchgesetzt hat. Vom Potenzial und den Vorteilen des Verfahrens ist die EFIT dennoch überzeugt und bietet daher regelmäßige Aktionen sowie die Möglichkeit zum Austausch und zur Information rund um dieses Thema. So sei auch der Erfahrungskreis zum Thema Nassreinigung in den Räumlichkeiten von BÖWE in Sasbach im Februar 2015 gut angenommen worden. Die Interessengemeinschaft will weiterhin aktiv dazu beitragen, dass sich das Verfahren auf dem Markt etabliert.

Außer den Verbänden haben auch Hersteller bzw. Anbieter von Maschinen sowie Reinigungstechnologien einen guten Einblick in den Markt der professionellen Textilpflege und erhalten durch die Nachfrage der Betriebe einen Eindruck von Trends und Tendenzen. Die Redaktion von RWTextilservice bat sie, die aktuelle Marktlage einzuschätzen.

Frage Nr. 1: Ist die Nassreinigung ein Wachstumsmarkt?

Die Unternehmen, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben, bestätigen unisono, dass die Nassreinigung in der Branche auf jeden Fall ein wichtiges Thema ist, und beobachten zum größten Teil ein Wachstum in diesem Bereich. „Die Zahl der Textilreiniger, die sich mit der Nassreinigung befassen, nimmt immer mehr zu. Derzeit macht der Nassreinigungsanteil rund 30 Prozent vom gesamten Warenaufkommen aus, ohne Oberhemden gerechnet“, sagt uns zum Beispiel Ali Ösyal von Multimatic. „Viele Textilreinigungen haben sehr gut erkannt, welche Vorteile die Nassreinigung bringt; dementsprechend hat sich deren Verwendung etabliert“, berichtet auch Jürgen Schäfer, Leiter Wäschereitechnik bei Miele Professional International. Frank Ziermann, Geschäftsführer der BÖWE Textile Cleaning GmbH, zeigt auf, dass seit dem Jahr 1990 bereits viele Betriebe in diese Technik investiert haben und das Wachstum daher eher durch Ersatzinvestitionen geprägt wird.

Ideal für Bewohnerwäsche

Dominique Suttheimer, Vertriebsleiter bei BÜFA, beobachtet die Nassreinigung besonders im Objektbereich als zusätzliches Service­angebot und sieht sie als „ideale Ergänzung zum Privatkundengeschäft“. Auch Holger Gärtner, Key Account Manager bei Burnus Hychem, verzeichnet eine „leicht steigende Nachfrage“ und sieht Bedarf bei der Pflege von persönlicher Bekleidung von Heimbewohnern. Alexander Kesselring, Vertriebsleiter bei Treysse, spricht die wirtschaftliche Seite an: „Die relativ geringen Anschaffungskosten eines Nassreinigungssystems, welches man zusätzlich flexibel als professionelle Waschlösung nutzen kann, sind für Reiniger attraktiv, vor allem auch für Neugründer.“ Auch Christoph Hennefeld, Regionalleiter D/A/CH bei Electrolux Professional, berichtet von steigender Nachfrage; er macht aber deutlich, dass die Zurückhaltung in Deutschland trotzdem immer noch sehr hoch sei.

Birgit Jussen erklärt dies mit bestehenden Unsicherheiten und Unwissenheit. „In der Bekleidungsbranche ist das Verfahren noch nahezu unbekannt. Infolgedessen ist heute auch nur ein geringer Anteil an Bekleidungstextilien mit dem W-Symbol gekennzeichnet“, erklärt sie. Die EFIT nutzt daher die traditionell engen Kontakte des Verbandes zur Bekleidungsindustrie, um das Verfahren dort bekannter zu machen. Aber nicht nur die Modebranche, selbst die Textilreiniger haben noch offene Fragen zum Verfahren und dessen Anwendung.

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Frage Nr. 2: Welche Potenziale birgt die Nassreinigung?

Birgit Jussen bringt die Zielgruppe der Textilreinigung auf den Punkt: „Dem Verbraucher von heute fehlt schlicht die Zeit.“ Der „Convenience“-Gedanke spiele im Dienstleistungssektor generell eine große Rolle und so könne auch der Bedarf nach Reinigungsdienstleistungen geweckt werden. „Die Nassreinigung bietet sich hier an, denn ein Großteil der Garderobe im heimischen Kleiderschrank kann mit dem Verfahren ideal bearbeitet werden“, sagt Jussen. Auch empfindliche Textilien, die nicht in der Haushaltswäsche und im organischen Lösungsmittel behandelt werden können, seien oft in der professionellen Nassreinigung erfolgreich zu bearbeiten. Weiterer Vorteil für die Verbraucher: Die Trocknung ist bei der Nassreinigung inbegriffen. Selbst wenn das Trocknersymbol durchgestrichen ist, kann der Fachmann das Textil durch abgestimmte Technik trocknen. Um die Kunden der Reinigung zu sensibilisieren und zu informieren, hat die EFIT einen Flyer entwickelt, den Reiniger im Geschäft auslegen können. Darin wird das Verfahren anschaulich erklärt und der Kunde im besten Fall von den Vorteilen wie Umweltfreundlichkeit, einer schonenden Behandlung und einem kompetenten Finishingprozess überzeugt. Alles in allem sieht die EFIT für die Nassreinigung eindeutiges Potenzial, einen zusätzlichen Markt zu erschließen.

Ökologische und ökonomische Vorteile

Auch Daniel Kolland, Exportmanager von Schulthess, blickt positiv in die Zukunft der Nassreinigung und erkennt „riesiges Potenzial, da fast alle Textilien durch das Verfahren gereinigt und ausgerüstet werden können“. Die Nassreinigung biete, wie Kolland erklärt, auch Vorteile in der Wiederaufbereitung von Schutzbekleidung und Funktionstextilien von Feuerwehren sowie Rettungsdiensten und generell in der Werterhaltung der Textilien. „Die Nassreinigung hat auch hinsichtlich Ökologie und Ökonomie handfeste Vorteile“, ist er überzeugt.

Dominique Suttheimer (BÜFA) rechnet ebenfalls mit einer künftigen Zunahme an nasszureinigenden Textilien, vor allem bei PSA, Funktionstextilien und Heimtextilien. Jürgen Schäfer (Miele) sieht Potenzial auch in der Aufbereitung von Bewohnerwäsche. Hier werde schon heute eine große Anzahl an Oberbekleidung im wässrigen System bearbeitet. Die gute Reinigungsleistung sei hier ebenfalls herauszuheben. Holger Gärtners (Burnus) Einschätzung zufolge wird der Bedarf durch den demografischen Wandel und die modernen Lebensumstände steigen. Schließlich würden sowohl die älter werdende Bevölkerung als auch die stark ins Berufsleben eingebundenen Menschen Hilfestellungen durch Reinigungsdienstleistungen benötigen. „Eine absolut praktikable Reinigungslösung“, urteilt Alexander Kesselring (Treysse). Schließlich sei die Methode umweltfreundlich und viele Flecken ließen sich sehr gut im Wasser lösen. Er erkennt aber auch noch erhebliches Entwicklungspotenzial, das nach den Beobachtungen des Unternehmens bisher noch zu zaghaft genutzt wird.

Christoph Hennefeld (Electrolux) weiß, dass die Nassreinigung „durchaus kontrovers diskutiert wird“. Fakt sei, dass Wasser als Medium enorme Vorteile gegenüber anderen Lösungsmitteln biete, sich die Reinigungschemie im Bereich Nassreinigung in den letzten Jahren enorm verbessert habe und die Entwicklung neuer textiler Materialien immer mehr den Einsatz der Nassreinigung erzwinge, da andere Verfahren hier an ihre Grenzen stoßen.

Frank Ziermann (BÖWE) ist überzeugt, dass „ein Teil der Textilien besser mit Nassreinigung zu pflegen ist als im Lösungsmittel“. Jedoch sieht er die wirtschaftliche Grenze bei rund einem Drittel des Warenaufkommens: „Sollte ein höherer Prozentsatz mit Nassreinigung bearbeitet werden, steigen das Schadensrisiko sowie der Finishaufwand und damit die Bearbeitungskosten überproportional an.“

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Frage Nr. 3: Welche Schwierigkeiten sind noch zu überwinden?

„Auch nach 20 Jahren ist die Nassreinigung immer noch ein Mysterium“, stellt Christoph Hennefeld (Electrolux) fest. Er hält mehr Aufklärung durch Hersteller und Verbände für notwendig. „Textilreiniger sehen in der Nassreinigung oft die gefährliche Nähe zum Waschen mit Wasser“, sagt er. Werde die Nassreinigung als solches verstanden, würden Konsumenten zu Nassreinigern werden und die Befürchtung läge nahe, dass das Geschäft der Textilreiniger untergraben wird. Ergo würden Lösungsmittelverfahren bevorzugt. „Doch diese Ansicht ist grundlegend falsch“, ist Schäfer überzeugt. „Denn richtig angewendet bietet die Nassreinigung dem Endverbraucher heute und für die Zukunft eine perfekte und ökologische Textilreinigung und dem Textilreiniger ein solides und wirtschaftliches Geschäftsmodell.“

Nach Stolpersteinen gefragt, spricht Ali Ösyal (Multimatic) auch den Bearbeitungsprozess an: „Farbechtheit, unterschiedliche Farb- und Materialzusammenstellungen bedeuten eine Herausforderung und führen zu Schwierigkeiten.“ Bessere Schulung und tiefere Kenntnisse könnten dabei helfen, das Potenzial besser auszunutzen. Dominique Suttheimer (BÜFA) sagt: „Da bis heute nur wenige Textilien mit dem W-Symbol gekennzeichnet sind, pflegt der Anwender viele Textilien auf eigene Verantwortung. Hierfür sind Kenntnisse und Erfahrungswerte notwendig, um mögliche Schäden von vornherein zu vermeiden.“ Die Fragen, wie die Ware idealerweise gepflegt werden kann und wo die Grenzen der Nassreinigung liegen, könnten mithilfe der Außendienstmitarbeiter sowie der Teilnahme an Schulungen und Seminaren geklärt werden. Auch Daniel Kolland (Schulthess) verweist auf die Beratung durch Hersteller und Anbieter. Dadurch könnten Unsicherheiten gut überwunden werden. Frank Ziermann sieht ebenfalls die intensive Auseinandersetzung und Teilnahme an Schulungen als Voraussetzung dafür, das Verfahren sicher anwenden zu können. Wie Alexander Kesselring (Treysse) erklärt, ist der Erfolg abhängig vom Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Maschinentechnik, Hilfsmittel und dem Know-how des Textilreinigers.

Verbraucher unzureichend informiert

Auch die derzeit noch geringe Bekanntheit des Verfahrens auf dem Verbrauchermarkt sehen die Hersteller als Schwierigkeit an. „Die Verbraucher sind sicherlich unzureichend informiert darüber, wie individuell Textilreinigungen die verschiedenen anspruchsvollen Materialien bearbeiten können. Und dies nicht immer nur durch eine chemische Reinigung, sondern auch umweltschonend im Waschbad“, sagt Holger Gärtner (Burnus). Jürgen Schäfer (Miele) erklärt: „Das Wichtigste aus unserer Sicht ist, dass Endverbrauchern überhaupt bewusst wird, welche Textilien sich für eine Nassreinigung eignen.“ Das Bewusstsein, was sich hinter dem W-Symbol verbirgt, sei noch lange nicht da. Es bestünde noch Potenzial, der Nassreinigung neuen Auftrieb zu geben. Hier seien alle Beteiligten in der Industrie aufgerufen. „Die Vorteile bis hin zum Umweltkennzeichen Blauer Engel sollten entsprechend proaktiv genutzt werden“, erklärt Schäfer. 

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Hintergrundwissen Nassreinigung: Das Symbol der Pflegekennzeichnung für die Nassreinigung, der Buchstabe W im Kreis, wurde im Jahr 2001 von der internationalen Vereinigung für die Pflegekennzeichnung GINETEX in die Reihe der Pflegesymbole aufgenommen. Nach Informationen der EFIT hat sich die Verwendung des Symbols in der Praxis noch immer nicht richtig durchgesetzt. Nur ein geringer Anteil der Bekleidungstextilien sei entsprechend gekennzeichnet, so der momentane Stand. Gepflegt werden die Textilien im Lösungsmittel Wasser. Der Verbraucher darf die professionelle Nassreinigung jedoch nicht mit jener in der Haushaltswaschmaschine verwechseln. Bei der fachgerechten Nassreinigung ist die Mechanik stark reduziert und das Flottenverhältnis erhöht. Die Dosierung der Waschchemie wird speziell abgestimmt. Die Trocknung ist bei der Nassreinigung ebenfalls mitinbegriffen. Selbst wenn das Trocknersymbol durchgestrichen ist, kann der Fachmann das Textil mit spezieller Technik maschinell trocknen.