Im Gespräch mit Klaus Berthold, Inhaber von HB Schutzbekleidung Stratege mit tragfähigen Werten

Klaus Berthold führt mehr als ein Unternehmen. Er engagiert sich in diversen Ehrenämtern, u.a. als Vorsitzender der BESPO-Gruppe im GermanFashion Modeverband und als Vorstandsmitglied im BDI/BDA-Mittelstandsausschuss. In RWTextilservice spricht er über die aktuellen Trends im Bereich Schutzbekleidung und erklärt, warum der Aphorismus Carpe Diem für ihn mehr ist als eine dekorative Floskel.Klaus Berthold ist Geschäftsführer von HB Schutzbekleidung. Foto: HB Schutzbekleidung3 Innehalten und prüfen, ob das, was wir gerade tun, wirklich zielführend ist und vor allem: wertschöpfend. Auf diese Haltung sollten wir uns im Alltag immer wieder besinnen. Klaus Berthold missioniert nicht. Der Inhaber der HB Schutzbekleidung GmbH & Co.KG in Thalhausen will Werte schaffen, die den Moment überdauern. In seiner Branche kann das Leben retten. Das traditionelle Familienunternehmen hat sich seit 1955 auf die Produktion von Schutzbekleidung spezialisiert. In seiner Funktion als Vorsitzender der BESPO-Gruppe im GermanFashion Modeverband stützt Berthold die gesamte deutsche Berufs- und Schutzbekleidungsindustrie in ihrem Anliegen, sich im internationalen Wettbewerb optimal zu positionieren. Als Vorstandsmitglied im BDI/BDA-Mittelstandsausschuss repräsentiert der HB-Geschäftsführer den Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie (t+m) und vertritt die Interessen des deutschen Mittelstandes. Marktentwicklung im FokusDen Markt gut beobachten, aus der Betrachtung der Megatrends die richtigen Schlüsse ziehen und daraus tragfähige, unternehmerische wie produktspezifische Konzepte entwickeln. So ließe sich das Erfolgsrezept von HB kurz auf den Punkt bringen. Im Zuge der Energiewende beispielsweise ließen geplante Änderungen Rückschlüsse auf neue Bedarfe hinsichtlich Art und Ausstattung von Störlichtbogenbekleidung zu, erklärt der Branchenexperte. Gewünscht seien multifunktionale Einsatzmöglichkeiten. Es müsse eine differenziertere Produktpalette geben, um den Arbeiten in diesem Sektor gerecht zu werden, sowohl im Sinne der geforderten Schutzleistung als auch tragephysiologisch und optisch. Für den PSA-Markt (PSA = persönliche Schutzausrüstung) werde es künftig entscheidend sein, als Hersteller frühzeitig einen vollständigen Überblick über die Vielzahl an innovativen Materialien und Bekleidungsteilen zu haben, um die jeweiligen Qualitäten gegenüber den Anwendern transparent machen zu können. Eine Zertifizierung der PSA werde künftig nicht mehr als alleiniges Entscheidungskriterium gelten. Aspekte wie Design, Tragekomfort, Lieferflexibilität und vor allem eine schnelle Verfügbarkeit würden an Bedeutung gewinnen. Gerade bei PSA gehe es oft einfach um die Frage, ob und wie schnell Mitarbeiter ihre Arbeit ausführen könnten. Klaus Berthold hat den Überblick. Er ist seit seiner Kindheit mittendrin, seit 2000 Geschäftsführer des vom Vater gegründeten Familienunternehmens. Die Geschichte beginnt 1952 in Neuwied: Herbert Berthold gründet einen Tuchgroßhandel und beliefert Maßschneider, Behörden und Feuerwehren mit entsprechenden Gewebequalitäten. 1955 konfektioniert HB erstmals Schutzbekleidung. Inhaber Herbert Berthold erkennt das Potenzial des wachsenden Marktes. 1961 bezieht das Unternehmen den Stammsitz in Thalhausen. Hier verfügt HB erstmals über eigene Produktionsmöglichkeiten. Mit dem Eintritt von Klaus Berthold geht das Unternehmen 1992 in eine neue Generation. Bis dahin hatte der Junior bereits Erfahrungen in der internationalen Textilbranche gesammelt. Es sei für ihn ganz und gar nicht selbstverständlich gewesen, das Unternehmen zu übernehmen, verrät er. Allerdings sei dieser Wunsch bereits nach dem Abitur gereift. Berthold wusste, dass sich seine Eltern darüber freuen würden. Gedrängt hatten sie ihn nicht. Wertschätzung erlebbar machen Seine Familie ist ihm wichtig, Traditionen zu pflegen ebenfalls. Menschen und seine Region liegen ihm am Herzen. Mit dem Kauf und der Renovierung der „Thalhauser Mühle“ hat Klaus Berthold seine Idee von Carpe Diem in besonderer Weise lebendig werden lassen, gemäß dem weisen Spruch von Horaz: „Wirklich glücklich ist, wer jeden Tag sagen kann: heute habe ich gelebt!“ Dieses positive Lebensgefühl vermittelt ein motiviertes Service- und Gastroteam in der zum Wohlfühlhotel umgebauten Mühle im Westerwald. Als Eigentümer und Betreiber hat Berthold für die Menschen seiner Region einen Ort der gastlichen und kulturellen Begegnung geschaffen. Sein Anspruch an Dienstleistungsqualität wird auch hier gelebt. Nicht zuletzt gehöre dazu ein respektvoller Umgang miteinander. „Bei der hohen Geschwindigkeit unserer Zeit ist es wichtig, sich zwischendurch auszuklinken und Ruhe zu finden, um den Tag auch für sich ganz persönlich und nach eigenen Wünschen zu nutzen.“ Bei der Fülle seiner Aufgaben und Funktionen authentisch und ausgeglichen, scheint ihm der gesunde Balanceakt zu gelingen. Ein erster großer Meilenstein in seiner Karriere war, nach seinem Einstieg in die Geschäftsleitung, die Übernahme der Firma Arbeitsschutz Leip GmbH & Co. KG im Jahr 1997. Die 100-prozentige Tochtergesellschaft liefert Berufsbekleidung für vielfältige Anwendungen und mit der Marke flammgard hochwertige Tagesdienstbekleidung für den Feuerwehrbereich. Seither ist HB auf Expansionskurs. Das Logistikzentrum im Stammhaus in Thalhausen wurde gerade komplett modernisiert und ausgebaut. Mit der Übernahme der ESD-Aktivitäten (Electrostatic Discharge) der Firma nsp Sicherheitsprodukte hatte HB bereits 2005 vorausschauend investiert. Klaus Berthold ist eben nicht nur Idealist, sondern vor allem strategisch denkender Unternehmer und mit seinem Wirtschaftszweig bestens vertraut. Innovation hat ihren Preis verdientFür den innovativen Warnschutzparka erhielt HB, die seit 2012 den englischen Markt über ihre Tochtergesellschaft HB Protective Clothing LTD bedient, den „Professional Clothing Award 2014“. Für Klaus Berthold ist das die Bestätigung der Erfolgsstrategie, den Fokus immer wieder auf neue Materialien, Designs und Verarbeitungsformen zu legen, um den „state of the art“ von PSA mitzugestalten. „Wir gehen sehr zeitnah mit neu auf dem Markt befindlichen Gewebekompositionen um und verwandeln sie in tragephysiologisch optimierte Bekleidungsteile“, sagt der Geschäftsführer. „Dabei haben wir einen klaren Blick auf den jeweiligen Einsatzzweck und, last but not least, auf modische Aspekte.“ Berthold geht voran, gelassen und kooperativ, ohne den eigenen Anspruch aus den Augen zu verlieren. Ein hoher Qualitätsstandard und die Bereitschaft zur Nachhaltigkeit machten HB Schutzbekleidung zu einem der Marktführer für PSA in Deutschland, mit sieben Fertigungsstätten in Deutschland und Europa. Dank ihrer Spezialisierung produziert HB überwiegend in kleineren Losgrößen. Das dafür erforderliche Maß an Flexibilität sei durch die Verteilung der Fertigung auf die europäischen Standorte gegeben. Eine Produktion in Asien könne das nicht leisten, so Berthold. Die Jahresproduktion von HB liegt bei mehr als einer Million Teile, definiert in eigenständige Produktsegmente: arc&energy; heat,flame&splashes; HIVIS&weather; chemicals; cleanroom&dust und ESD. So erkennen die Kunden direkt, welche Produkte ihrem Einsatzzweck dienen. Ihre Kernmärkte versorgt HB mit einer eigenen Vertriebsmannschaft und einem Customer-Service-Team; in kleineren Ländern funktioniere das reibungslos mit exklusiven und versierten Kooperationspartnern im Handel und Textilleasing. Mit ihrem Renommee als Anbieter von ESD-Bekleidung punktet HB vor allem in Zentraleuropa. Berthold hatte auch diesen Trend frühzeitig erkannt und unternehmerisch umgesetzt. Wir wollten daher wissen: RWTextilservice: Was genau ist ESD-Bekleidung? Klaus Berthold: Im Gegensatz zu persönlicher Schutzbekleidung, schützt ESD-Bekleidung in erster Linie Produkte: Überall dort, wo elektrostatische Ladungen zur Zerstörung von Bauteilen führen können, in der Elektronikindustrie beispielsweise. Neben den reinen ESD-Produkten gibt es mittlerweile so genannte „Hybridmaterialien“. Hieraus konfektionierte Bekleidung bedient die Schutzleistung nicht nur im ESD-Sektor, sondern ist zusätzlich in der Lage, feinste Partikel und Stäube zu filtern. Damit erfüllt sie dieselben Anforderungen, die an Reinraumbekleidung gestellt werden. Wir haben unsere Produktrange nach den Bedürfnissen des jeweiligen Einsatzgebietes klar strukturiert. Je nach Anforderung an die Höhe der elektrischen Widerstände bieten wir die passenden Materialkompositionen: zwischen 105 Ohm und 1010 Ohm. Diese differenzierten Anforderungen decken wir mit exklusiv für uns entwickelten Materialien ab. Unser NAPTEX beispielsweise erzielt eine hohe und schnelle Ableitfähigkeit durch eine spezielle Faser- und Materialkonstruktion, die sich für Arbeiten in der sensiblen Fertigung von Elektronikteilen eignet. RWT: Wie definieren Sie Qualitätsstandard für HB? Berthold: Mit unseren Maßnahmen zur Qualitätssicherung stellen wir sicher, dass die Serienfertigung den Mustern entspricht und sämtliche Norm- und Verarbeitungsvorgaben für PSA eingehalten werden. Dieser Prozess beginnt bei der Rohware: Diese lassen wir nicht direkt in die Fertigungsbetriebe liefern, sondern zum Firmensitz nach Thalhausen. Dort erfolgt eine umfangreiche Kontrolle der Gewebeballen. Erst danach werden sie von unserem Logistikzentrum an die Konfektionäre im Ausland geliefert. Diesen Umweg nehmen wir bewusst in Kauf. In allen Auslandsproduktionsbetrieben findet schließlich eine 100-prozentige Endkontrolle statt; in Thalhausen eine strenge stichprobenartige „Accepted Quality Limit“-Kontrolle. Darüber hinaus führen wir aufwendige Inhouse-Qualitätstests durch, für die wir eigene Testcenter eingerichtet haben. RWT: Ihr Slogan ist „be safe. we care“. Berthold: Ja, einen besseren Slogan hätten wir nicht finden können. Wir von HB sorgen dafür, dass unsere Kunden sich am Arbeitsplatz wohl, sicher und geschützt fühlen. „be safe. we care.“ ist unsere Botschaft und unser Markenversprechen. Um dieses halten zu können, haben wir unser Geschäftsmodell nachhaltig erweitert, das Produktmanagement eingeführt, neue Kollektionen und innovative Gewebe entwickelt sowie Verarbeitung, Design und Tragekomfort stetig verbessert. Gleichzeitig haben wir unsere Logistik modernisiert und die internen Prozesse angepasst. Als Nachfolger in unserem Familienunternehmen war es von Anfang an mein Ziel, unseren Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zu geben, gemeinsame Ziele zu formulieren und zu erreichen. Nun sind wir auf dem besten Weg, unsere Position in Deutschland zu festigen, weiter auszubauen und eine wesentliche Größe in Europa zu werden.