Unbesetzte Lehrstellen Wo sind die Textilreinigerazubis?

Viele Textilpflegebetriebe bieten Lehrstellen an, doch finden keine Jugendlichen, die eine Ausbildung zum Textilreiniger absolvieren wollen. Doch warum ist das so und was können Unternehmen dagegen tun? Wir haben einige Tipps zusammengestellt.

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    Georg Plümper (re.) ist Textilreiniger­meister und bietet interessierten Jugendlichen in seiner Wäscherei die Ausbildung zum Textilreiniger an. Doch seit drei Jahren findet er keinen Azubi. Foto: Jürgen Overkott
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    Angebot und Nachfrage nähern sich immer weiter an: Für das Aus­bildungsjahr 2015/16 gab es beispielsweise 547.728 Bewerber und 546.947 gemeldete Ausbildungsstellen. Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Grafik: RWT

Georg Plümper ist Textilreinigermeister – und das bereits mehr als die Hälfte seines Lebens. Als er seinen Meistertitel 1981 absolvierte, war Prinz William noch gar nicht auf der Welt, genau so wenig wie Franck Ribéry oder Andreas Bourani. Zusammen mit Ehefrau Sigrid und Sohn Philip bildet er in der Wäscherei Plümper in Menden Jugendliche aus. Das ist für ihn Ehrensache. „Wir müssen den jungen Leuten ja eine Zukunft anbieten.“ Was theoretisch einfach klingt, ist in der Umsetzung jedoch schwierig, denn Georg Plümper findet seit nun drei Jahren keinen Jugendlichen mehr, der die Ausbildung zum Textilreiniger absolvieren möchte. Und damit ist er nicht der Einzige.

Viele Handwerksbetriebe in Deutschland, darunter auch aus der Textilpflegebranche, können ihre offenen Lehrstellen nicht besetzen. Das zeigt u.a. eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Entwicklung des Ausbildungsmarktes. Gab es Anfang des 21. Jahrhunderts noch deutlich mehr Bewerber als angebotene Stellen, sind Angebot und Nachfrage nun fast gleichauf. Der Bestand an unbesetzten Lehrstellen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Während 2008 laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) noch 246 Azubis einen Ausbildungsvertrag zum Textilreiniger abschlossen, waren es 2013 noch 123 und 2015 nur noch 102. Zum Vergleich: Eine Ausbildung zum Bankkaufmann begannen 2015 laut BIBB knapp 12.000 Jugendliche.

Claudia Goepfert von der Berufsschule Textiltechnik und Bekleidung in Köln und Bildungsgangleiterin für den Bereich Textilreiniger kennt die Probleme der Ausbildungsbetriebe, insbesondere in der Textilpflegebranche: „Wir erleben zurzeit den gesellschaftlichen Trend, dass sich immer weniger Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden“, sagt sie. Viele würden stattdessen versuchen, noch einen weiteren Schulabschluss zu schaffen, um möglichst lange im schulischen System zu bleiben. Auf diese Weise müssten sich die Jugendlichen nicht auf einen Arbeitstag mit 8 h und körperlicher Arbeit einstellen.

Bei der Ausbildung zum Textilreiniger kommt laut Goepfert noch der Umstand hinzu, dass die Jugendlichen zu wenig über die Tätigkeiten in Textilpflegebetrieben wissen. Die Arbeitsagenturen seien oft nicht gut informiert und würden den Beruf daher nur selten empfehlen. Stattdessen halten sich in den Köpfen der jungen Leute viele Klischees, die es zu beseitigen gilt. „Jugendliche haben bei dem Begriff Textilreiniger das Gefühl, die schmutzige Wäsche anderer Leute zu waschen“, sagt Goepfert. Dass der Beruf noch viel mehr Tätigkeiten beinhaltet, sei ihnen häufig nicht bewusst. Dazu passt auch das Stimmungsbild, das Goepfert in ihren Berufsschulklassen wahrnimmt. Häufig geben die Azubis an, dass die Ausbildung zum Textilreiniger erst die zweite oder dritte Wahl war.

Darüber hinaus ist die Fluktuation sehr hoch. „Manchmal verlieren wir von August bis Weihnachten die Hälfte der Schüler“, erklärt Goepfert. Ursachen sind ihrer Meinung nach falsche Einschätzungen der körperlichen, aber auch der intellektuellen Belastungen. Deshalb haben laut Goepfert sowohl die Berufsschulen wie auch die Betriebe zunächst die Aufgabe, die Auszubildenden hinsichtlich der für diesen Beruf notwendigen Kompetenzen zu bilden. Für manche der Auszubildenden stelle das jedoch eine Überforderung dar, sowohl bezüglich des Intellektes als auch der Disziplin.

Dass sich Jugendliche und die Betriebe immer weniger für die Ausbildung zum Textilreiniger interessieren, könnte laut Goepfert auch am aktuellen Berufsschulsterben liegen. Die Azubis müssten teilweise eine richtige Odyssee unternehmen, um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Berufsschule zu gelangen. Das sei für viele nicht zumutbar.

Doch was können Textilpflegebetriebe unternehmen, um einen Azubi zu finden? Wir haben mit drei Experten gesprochen: Lisa Rotthowe, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Programmstelle Jobstarter beim BIBB, Marco Seifen, beim DTV für Aus- und Weiterbildung zuständig, und Stefan Ronsdorf, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Großwäscherei Voss GmbH. Alle im folgenden Text erwähnten Links finden Sie noch einmal in einem Onlineartikel zum direkt Draufklicken auf der Website von RWTextilservice unter www.rw-textilservice.de/azubisuche.

Bildungspartnerschaft mit Schulen: Um den Ausbildungsplatz regional bekannt zu machen und ein reales Bild der Ausbildung zu vermitteln, empfiehlt es sich, Schulen aus der Umgebung direkt zu kontaktieren und eine Bildungspartnerschaft zu vereinbaren. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, die Ausbildung und das Unternehmen in einer Schulstunde persönlich vorzustellen. Darüber hinaus kann auch eine Betriebsbesichtigung angeboten werden. Ideal wäre es, sofern möglich, wenn der auszubildende Betrieb einen Azubi aus einem höheren Ausbildungsjahr mitbringt oder einen bereits ausgelernten Azubi, der den Schülern von seinen Erfahrungen berichtet. Ist die gewünschte Schule zu weit weg oder die Zeit knapp, wäre laut Rotthowe auch eine Skype-Schaltung ins Klassenzimmer eine Option. In Rücksprache mit der Schulleitung ist es eventuell auch gestattet, die Stellenanzeige am Schwarzen Brett der Schule auszuhängen.

Berufsbildungsmessen besuchen: Eine weitere Möglichkeit ist es, Berufsbildungsmessen in der näheren Umgebung zu besuchen. Eine Übersicht der Ausbildungsmessen 2017/2018 gibt es unter www.messen.de in der Rubrik „Messe Branchen“, „Aus- und Weiterbildung“. Für eine gute Präsentation ist es sinnvoll, Flyer, Postkarten oder Broschüren an die interessierten Schüler zu verteilen. Diese können selbst gestaltet werden, alternativ bietet der DTV auch für Nichtmitglieder eine Auswahl an teilweise kostenlosen Werbemitteln an. Mehr Informationen dazu vermittelt Daniel Dalkowski ­(Telefon: 0228/91731-18, E-Mail: dalkowski@dtv-bonn.de). Auch Give­aways, wie beispielsweise Gummibärchen, kommen bei den Schülern gut an. Gefahr ist hier laut Rotthowe jedoch, dass manche Jugendliche die kleinen Geschenke schnell wieder entsorgen. Daher empfiehlt sie eher eine Mitmachaktion anzubieten, bei dem die Schüler am Stand aktiv werden, wie beispielsweise ein Gewinnspiel, ein Quiz oder eine Detachurvorführung.

Imagefilm nutzen: Bei der Präsentation im Klassenzimmer oder auf Berufsbildungsmessen kann auch ein Film gezeigt werden, damit die Schüler einen ersten Eindruck von der Ausbildung bekommen. Einen guten Kurzfilm bietet u.a. der Bildungskanal „ard alpha“ in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk (BR). In der Reihe „Ich mach’s!“ hat der Sender verschiedene Ausbildungen vorgestellt, unter anderem auch die zum Textilreiniger. Der Film ist online über YouTube unter dem Stichwort „Textilreiniger“ zu finden oder kann in der Mediathek von ARD unter www.ardmediathek.de heruntergeladen werden. Das Video darf laut BR nur gezeigt werden, falls kein Eintritt oder Entgelt für die Vorführung verlangt wird. Darüber hinaus bieten z.B. auch der Schweizer sowie der österreichische Fachverband einen Imagefilm zur Textilreinigerausbildung an. Laut Ronsdorf könnte es auch sinnvoll sein, als Betrieb selbst in ein Ausbildungsvideo zu investieren, wie es beispielsweise die Großwäscherei Voss gemacht hat. Die Kosten seien überschaubar und das Video könnte vielfältig genutzt werden.

Praktikum anbieten: Viele Jugendliche wollen erst einmal einen Eindruck von der täglichen Arbeit gewinnen, bevor sie einen Ausbildungsvertrag unterschreiben. Daher ist es sinnvoll, für interessierte Schüler einen Schnuppertag oder ein Praktikum zwischen ein und drei Wochen anzubieten. Dabei sollten sich laut Ronsdorf alle Beteiligten vorab bewusst machen, dass die meisten Schüler noch nie gearbeitet haben und daher noch nicht wissen, welche Anforderungen ein Betrieb an die Mitarbeiter stellt. Wichtig sei, dass das Praktikum geplant und vorbereitet wird, am besten mit einem Praktikumsplan, um es interessant zu gestalten und bei den Eltern, der Schule und den Schülern ein professionelles Bild zu hinterlassen. Bei einem mehrwöchigen Praktikum sollte der Schüler jeden Bereich des Ausbildungsberufes zumindest kurz einmal kennengelernt haben.

Eine Checkliste zum Ablauf eines erfolgreichen Betriebspraktikums bieten beispielsweise die baden-württembergischen Handwerkskammern unter www.handwerks-power.de. Darüber hinaus hat es sich laut Ronsdorf bei einem Praktikum bewährt, den Schülern die jeweiligen Tätigkeiten und ihren Sinn im Kontext zu erläutern. Ideal ist es, wenn Jugendliche kleine Arbeitsaufträge bereits selbst bearbeiten könnten. Den Schulen sollte das angebotene Praktikum unbedingt mitgeteilt werden, denn Schüler müssen während ihrer Schullaufbahn in der Regel mindestens ein Pflichtpraktikum absolvieren.

Website/Facebookseite einrichten: Um sich als Betrieb für Jugendliche attraktiv zu machen, empfiehlt sich die Einrichtung einer modernen Website und/oder einer Facebookseite (siehe hierzu auch Artikel auf Seite 20). Denn viele Schüler suchen online nach einer passenden Ausbildungsstelle. Auf diese Weise können interessierte Schüler erste Informationen über das Unternehmen und die Ausbildung sammeln. Gibt es auf der Website keine extra Rubrik zum Thema Ausbildung, empfiehlt Seifen, auf die Website des DTV www.textilreiniger-werden.de zu verlinken. Dort wird die Ausbildung zum Textilreiniger ausführlich vorgestellt. Noch ein Tipp für experimentierfreudige Betriebe: Laut Rotthowe kommen auch Instagram und Snapchat bei den Jugendlichen sehr gut an.

Stellen inserieren: Es ist immer sinnvoll, freie Ausbildungsplätze auf Stellenportalen im Internet (siehe Kasten) oder in regionalen Zeitungen zu veröffentlichen. Eine Stellenanzeige sollte laut DTV folgende Punkte enthalten:

  • Wir sind …
  • Wir suchen zum … eine/n Auszubildenden zum Textilreiniger
  • Wir erwarten …
  • Wir bieten …
  • Wir bitten um … (Art und Umfang der Bewerbung) bis zum …

Ideal wäre es laut DTV, das Firmenlogo mit in die Anzeige zu setzen. Das erhöht den Bekanntheitsgrad des Unternehmens und macht die Anzeige für den Bewerber attraktiver.

Vermittlung durch HWK, IHK oder Arbeitsagentur: Eine Unterstützung bei der Suche nach Azubis bieten die Handwerkskammern (HWK), Industrie- und Handelskammern (IHK) oder Arbeitsagenturen. Die Lehrstellenbeauftragten dort sind eine Anlaufstelle für Schulabgänger und können daher Kontakte zwischen Ausbildungsplatzsuchenden und Arbeitgebern vermitteln. Alle Organisationen bieten auch eine Online-Stellenbörse an (siehe Kasten).

Speeddating: Eine recht neue Form der Azubisuche ist das Speeddating. In der Regel werden diese Veranstaltungen von branchenübergreifenden Organisationen, wie beispielsweise der Bundesagentur für Arbeit, den HWK oder auch Schulen organisiert. Im ersten Teil des Treffens präsentieren alle Unternehmen in einem kurzen Vortrag ihr Unternehmen und ihre Ausbildung. Anschließend folgen fünf- bis zehnminütige „Dates“, bei denen sich Schüler und Ausbilder unterhalten können. Auf diese Weise haben beide Parteien die Möglichkeit, Fragen zu stellen, um das Gegenüber besser kennenzulernen.

Snack your job: Das ist laut Rotthowe ein ebenfalls neues Veranstaltungsformat und funktioniert so: Bildungsträger oder auch Betriebe in Kooperation mit Schulen laden zu einem zwanglosen Abendessen mit Schülern und Unternehmen ein. Ähnlich wie beim Speeddating gibt es auch hier wieder die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen. Auf diese Weise können sich erste Kontakte ergeben.