Strukturelle Defizite Aufholbedarf auf dem Arbeitsmarkt

Im Arbeitsmarktranking der EU liegt Österreich auf dem achten Platz und wird damit von Nachbarländern wie Deutschland und Tschechien abgehängt. Martin Gleitsmann, Arbeitsmarktexperte der WKÖ, setzt sich deshalb für eine strukturelle Neuordnung ein. Foto: WKÖ - © Flexible Arbeitszeiten

Mit einem Minus von 29.277 Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr sank die Arbeitslosigkeit Ende Juni 2018 erneut. Gleichzeitig erreichte die Beschäftigung mit einem Plus von 90.000 einen Rekordwert. Dennoch: Der österreichische Arbeitsmarkt leidet laut der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) an strukturellen Problemen. Das Land liegt im EU-weiten Arbeitsmarktranking nur auf dem achten Platz und damit hinter Tschechien, Deutschland, Ungarn und Polen – den Ländern also, aus denen Österreich zuletzt seine fehlenden Arbeitskräfte rekrutieren konnte. „Unsere Nachbarländer brauchen ihre Arbeitskräfte immer dringender selbst. Der Fachkräftemangel, derzeit bereits die Sorge Nummer eins unter den österreichischen Unternehmen, wird sich künftig noch verstärken“, so Martin Gleitsmann, Arbeitsmarktexperte der WKÖ.

„Es braucht endlich eine umfassende Fachkräfteoffensive mit modernen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Dazu gehört eine Senkung der Lohnnebenkosten ebenso wie eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und Rahmenbedingungen für eine höhere Mobilität am österreichischen Arbeitsmarkt.“

Eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten hat positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, wie zuletzt der Arbeitsmarktservice Österreich (AMS), das Institut für Höhere Studien (IHS) und das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) betonten: Zunächst würden flexible Arbeitszeiten die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und damit die Beschäftigung stärken. Sie helfen bei Auftragsspitzen, die bei guter Konjunktur häufiger sind. Es sei besser, Auftragsschwankungen durch flexible Arbeitszeiten zu begegnen, als durch kurzfristigen Personalauf- und -abbau, wie in anderen Ländern. Nicht zuletzt erleichtere eine Flexibilisierung auch die Mobilität von Menschen.

Angesichts der großen regionalen Unterschiede zwischen Wien mit seiner hohen Arbeitslosenrate und den westlichen Bundesländern, die dringend nach Fachkräften suchten, sei die regionale Mobilität ein Schlüsselfaktor. „Flexiblere Arbeitszeiten können hier helfen, weil sie die Viertagewoche und längere Freizeitblöcke erleichtern und so Anfahrtswege sparen“, sagt Gleitsmann. Erst kürzlich wies der WIFO-Chef Christoph Badelt darauf hin, dass der Wirtschaftsstandort Österreich die Flexibilisierung der Arbeitszeiten dringend brauche. Statt einer Lehrstellenlücke gibt es mittlerweile einen Lehrstellenüberhang. Das regionale und berufliche Ungleichgewicht ist auf dem Lehrstellenmarkt besonders stark ausgeprägt. Die WKÖ hat laut eigenen Angaben als ersten Schritt vor mehr als zwei Jahren gemeinsam mit dem AMS Wien das Projekt „b.mobile“ gestartet, um über 18-jährige Lehrstellensuchende, insbesondere aus dem Kreis der Asylberechtigten, für eine Lehrstelle im Westen zu begeistern. „Es wäre fatal, wenn die Betriebe ihre offenen Lehrstellen nicht besetzen könnten. In den nächsten Jahren würden gut ausgebildete Fachkräfte der Wirtschaft fehlen“, so Gleitsmann. Er fordert daher den Ausbau der überregionalen Lehrstellenvermittlung, etwa durch die Weiterentwicklung überregionaler Jobbörsen für Lehrlinge.

Erneut positiv ist die Entwicklung bei den arbeitslosen Personen 50+. Seit Jahresbeginn haben 73.295 arbeitslose Personen 50+ wieder eine Beschäftigung aufgenommen. „Diese überdurchschnittliche Entwicklung ist erfreulich und zeigt, dass sich der in den letzten Jahren forcierte Einsatz der Eingliederungsbeihilfe in diesem Alterssegment mehr als gelohnt hat“, resümiert Gleitsmann.

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