Textilpflege in der Krise Der Ausweg aus Corona

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Wer in der Krise steckt, sieht oft keinen Ausweg. So ergeht es derzeit vielen Textilpflegebetrieben. Die Wäscherei Krohn aus Rostock hat schon fast Routine mit existenzbedrohenden Krisen: Der vor mehr als 100 Jahren gegründete Familienbetrieb hat Krieg, Diktatur und Weltwirtschaftskrisen überstanden. Das nimmt sich Inhaberin Gabriele Dehn-Krohn jetzt zum Vorbild.

Der Ausweg aus Corona
Unternehmerin Gabriele Dehn-Krohn ist sich sicher: Es gibt immer einen Weg. Sicherheit gibt ihr der Blick zurück in die Firmengeschichte. Schon ihre Vorgängerinnen haben existenzbedrohende Krisen überstanden. - © fotomek – stock.adobe.com

Es gibt immer einen Ausweg. Davon ist Gabriele Dehn-Krohn überzeugt. Auch sie fühlt sich der Pandemie machtlos ausgesetzt, bangt um ihre Mitarbeiter und um ihre Firma. Was den Familienbetrieb der 57-Jährigen von manch anderen Unternehmen unterscheidet: Es ist nicht die erste existenzbedrohende Krise, die der Betrieb gemeistert hat. Die Wäscherei Krohn überstand die Spanische Grippe und den Schwarzen Freitag. Wurde im Zweiten Weltkrieg zerbombt und in der DDR-Diktatur zwangsenteignet. Und doch: Das 1909 gegründete Unternehmen trotzte bis heute allen Widrigkeiten. Genau das will Dehn-Krohn auch jetzt tun: ausharren. Die Krise überstehen und weitermachen. Der Blick zurück gibt ihr Kraft.

Angefangen hatte alles mit einem Holzzuber. In dem wusch Dehn-Krohns Uroma die Arbeitsbekleidung ihres Mannes. Und zwar so sauber, dass es die Kollegen des Werftarbeiters anlockte. Kurzerhand wandelte Hermann Krohn die Anfragen in ein Geschäftsmodell und den Hinterhof des Wohnhauses in eine Wäscherei. Das Geschäft blühte auf. Die Familie investierte in neues Equipment – ein kohlebeheiztes Bügeleisen. Doch nur wenige Jahre später stockte das Unternehmen: Der erste Weltkrieg wütete. Die Holzzuber blieben leer.

Corona-Krise: Aufträge brechen weg

Mehr als 100 Jahre später bleiben die Waschwannen leer. Seit Tagen wartet in der Wäscherei Krohn nicht ein voller Container Schmutzwäsche in der Halle auf die Mitarbeiter. Viele Aufträge sind geplatzt. Seit dem 18. März bleiben die Hotelbetten kalt. Danach verblieb noch gut eine Woche Arbeit für die Wäscherei. Schmutzige Textilien liefert kein Hotel mehr. Also beantragte Dehn-Krohn am 25. März Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter. „Ganz zu habe ich aber noch nicht“, sagt sie. Die Wäscherei beliefert zwar hauptsächlich Hotels, aber auch einige Pflegeeinrichtungen. Dass sie zertifiziert ist, kommt ihr jetzt zu Gute.

Ein Blick in den Dienstplan veranschaulicht das Ausmaß der aktuellen Situation: Statt zwei Schichten, gibt es nur noch eine. Statt an sechs Tagen drehen sich die Trommeln nur noch an drei. Von den 22 festen Mitarbeitern braucht Dehn-Krohn nur noch zehn. Statt 4,5 Tonnen waschen die Mitarbeiter nur noch 800 Kilo am Tag: „Es ist ein Trauerspiel.“ Normalerweise stellt sie über die Sommersaison bis zu acht Helfer zusätzlich ein. In diesem Jahr hofft sie, dass überhaupt Touristen kommen. „Das Geld für einen Urlaub muss auch erst verdient werden“, sagt sie. Laut der Bundesagentur für Arbeit haben 650.000 Betriebe Kurzarbeit beantragt. Zudem rechnet der Handelsverbands Deutschland mit 50.000 Insolvenzen. Geld für eine Reise bleibe vielen nicht.

Soforthilfe vom Staat

Auch die 57-Jährige hat Geldsorgen und benötigt staatliche Hilfe. Die Soforthilfe hat sie bereits beantragt. Die 25.000 Euro flossen auch schon auf ihr Konto. Zudem musste sie aber einen Kredit aufnehmen, um Laufende Kosten zu decken. Die Tilgung des Betriebsmitteldarlehens von über 125.000 Euro beginnt erst im nächsten Jahr. Trotzdem bezeichnet sie all die Hilfen als Tropfen auf den heißen Stein. Bleiben die Hotels bis Juni geschlossen, verzeichnen ihre Bücher einen Umsatzverlust von einer halben Million Euro. „Das holen wir nie wieder auf.“ Dehn-Krohn holt tief Luft. Schön sei die Situation für keinen. Also versucht sie, ruhig zu bleiben: „Keine Panik verbreiten.“ Die helfe auch niemandem weiter. Sie versucht es lieber mit Humor und einer positiven Einstellung. „Wenigstens bin ich an der Situation nicht selber schuld“, sagt sie.

Wäscherei wurde zerbombt im zweiten Weltkrieg

Wie Dehn-Krohn heute kämpfte auch ihre Urgroßmutter vor einem Jahrhundert um die Existenz der Firma. Fünf Jahre nach der Gründung tobte in Deutschland der Erste Weltkrieg. Der Betrieb stand still. Die Familie Krohn hingegen nicht. Sie warb um Kunden und wusch Wäsche. So kehrte kurz nach dem Kriegsende 1919 das Treiben in das junge Unternehmen zurück. Alltag stellte sich ein. Die Jahre vergingen; Hitler kam an die Macht; ein neuer Krieg begann. Die Wäscherei lief weiter, weil der Staat Aufträge verordnete. „Per Erlass musste meine Urgroßmutter SS-Uniformen waschen“, sagt Dehn-Krohn. Bis die Bomben fielen. Und 1944 das Wäschereigebäude zerstörten. „Kein Stein lag mehr auf dem anderen“, erzählt sie. Alles schien verloren.

Bis Henriette kam, Dehn-Krohns Oma. Sie packte an. Nahm Mörtel und Kelle zur Hand und zog die Halle wieder hoch. An ihrer Seite: ihr Mann Hans sowie Freunde und Nachbarn. Die zweite Generation hatte den Betrieb übernommen, schaffte eine Heißmangel, einen kohlebeheizten Dampfkessel und zwei kleine Senking-Waschmaschinen an. Die Wirtschaft florierte, spülte Kunden an. Die Wäscherei Krohn übernahm Aufträge von Ferienhäusern, erhielt staatliche Aufträge und wusch für Private Haushalte. Die Wäscherei erholte sich finanziell. Aber langsam legte sich das sozialistische Band um den Familienbetrieb.

Familie Krohn: Zwangsenteignet in der DDR

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland zweigeteilt. Rostock lag in der sowjetischen Besatzungszone, der ehemaligen DDR. Die Volkspartei SED hatte das Ziel, den Kapitalismus zu überwinden. 1972 erklärte der Staat die Familienwäscherei zum volkseigenen Betrieb (VEB). Kurz bevor Sohn Gerhard die Geschäfte übernehmen konnte, wurde die Familie also zwangsenteignet. Fünf Jahre hatte Krohn studiert, war nun Textilreinigungsingenieur. Trotzdem durfte er nicht in dem Betrieb neben seinem Wohnhaus arbeiten. Der Staat traute ihm nicht, erzählt Dehn-Krohn: „Sie warfen ihm kleinkapitalistische Umtriebe vor.“ Er wurde in ein anderes Werk entsandt. Resigniert wechselte er den Beruf. Die Firma schien für die Familie verloren.

In den Räumen der einstigen Wäscherei Krohn wurde aber weiterhin gewaschen. Sie überlebte als Teil des VEB „Fortschritt“ die Wende. 1990 wurden viele Betriebe reprivatisiert. Die ehemaligen Eigentümer bekamen ihren Besitz zurück. Gerhard Krohn nutzte die Chance, doch die Zeit hatte tiefe Spuren hinterlassen. Die Technik war veraltet, teilweise marode. Um die Wäscherei wieder zu altem Glanz zu verhelfen, musste die Familien investieren. Das stemmte Krohn nicht alleine. Also sprang die vierte Generation ein. „Die drei Krohn-Kinder“, wie Dehn-Krohn sich und ihre Geschwister nennt, gründeten eine GmbH. S ie nahmen den alten Namen und wechselten den Standort. „Für moderne Anlagen war das Hinterhofgebäude zu klein“, sagt die Unternehmerin. Die Wäscherei zog in ein ehemaliges DDR-Kulturhaus nach Ziesendorf, zehn Kilometer von Rostock entfernt.

Dem Familienunternehmen droht die Insolvenz

Unbemerkt bahnte sich schon da die nächste Krise an. „Wir wurden falsch beraten“, sagt Dehn-Krohn. Sie hätten auf einen Banker aus dem Westen vertraut und Kreditverträge über 1,2 Millionen Mark mit „irrsinnig“ langen Laufzeiten unterschrieben. Nach zwanzig Jahren zahlte sie beispielsweise noch Maschinen ab, die längst ausgetauscht worden waren. Unternehmerische Erfahrung hatte keines der Krohn-Kinder, aber den Wunsch, die Familientradition weiterzuführen. „Geld war für uns damals nur eine Zahl“, erinnert sie sich. 2004 wurden die Kredite fällig. Und die Bilanzen zeigten: „Das schaffen wir nicht.“ Der Wäscherei Krohn drohte die Insolvenz. Für Dehn-Krohn bis heute ein Horrorszenario. Scheitert sie, verlieren alle Angestellten ihre Arbeit. „Zwei Jahre haben wir gezittert“, sagt sie. Nach langem Verhandeln mit der Bank und Unternehmensberatern wurden 50 Prozent der Schulden erlassen. Der Betrieb erholte sich. Mehr noch – die Wäscherei stabilisierte sich. Vor einem Jahr investierte Dehn-Krohn eine Millionen Euro, unter anderem in eine neue Mangelstraße und eine neue Trockenwäschefaltmaschine. Dass sie nun erneut Kredite aufnehmen musste, ärgert sie: „Das Geld ist weder geplant noch gewollt.“

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    Ein Blick in die Wäscherei Krohn
    © Gabriele Dehn-Krohn
    Leere Container und ruhende Maschinen dominieren seit Ende März das Bild in der Wäscherei Krohn im Landkreis Rostock.
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    Ein Blick in die Wäscherei Krohn
    © Gabriele Dehn-Krohn
    Statt 4,5 Tonnen fallen am Tag höchstens noch 800 Kilogramm Wäsche an.
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    Ein Blick in die Wäscherei Krohn
    © Gabriele Dehn-Krohn
    Trotz der schwierigen Situation bleibt Inhaberin Gabriele Dehn-Krohn positiv.
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    Ein Blick in die Wäscherei Krohn
    © Gabriele Dehn-Krohn
    Die Lkw stehen bereit. Ab wann sie wieder Schmutzwäsche aus den Hotels abholen können, steht noch nicht fest.

Unternehmerin wartet ab, bleibt aber nicht untätig

Ändern kann Dehn-Krohn die jetzige Situation aber nicht. Sie muss abwarten. Warten, bis der Staat die Regeln lockert. Warten, bis Hotels wieder öffnen. Und warten, bis sich zeigt, ob ihre Kunden die Krise überhaupt überstanden haben. Aber nur „dasitzen und grübeln“ möchte die Unternehmerin solange nicht. Denn von einem ist sie überzeugt: „Man muss sich selber da rausziehen.“ Damit meint sie aber keinen erbitterten Konkurrenzkampf oder Preisdumping. „Nein. Die Branche sollte gerade jetzt mehr zusammenhalten“, sagt sie. Um selber aus der Krise zu kommen, sagt Dehn-Krohn, sei ein exakter Überblick über die Finanzen wichtig. Konkret setzt sich die Unternehmerin dabei Tagesziele. Das motiviert sie. So schreibt sie etwa Tabellen oder kalkuliert Kosten. „Ich zahle zum Beispiel noch in die betriebliche Altersvorsorge für Stammkräfte ein“, sagt sie. Das möchte sie weiterhin tun, solange es eben geht. Deshalb übernimmt sie derzeit auch kleinere Aufträge, etwa das Waschen von Berufsbekleidung. Denn Werkstätten, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, sind zu. Kurzfristig Arbeitsbekleidung zu bearbeiten sei sehr mühsam, beschreibt sie. Die Logistik dahinter fehle. Also müsse sie jedes Sockenpaar der 37 Arbeiter vor jedem Waschen einzeln kennzeichnen.

Meist bleibt die Unternehmerin positiv. Hat sie einen schlechten Moment, denkt sie manchmal an ihre Vorgängerinnen. „Das waren starke Frauen.“ Die Augen ihrer Oma, so erinnert sie sich, konnten buchstäblich Funken sprühen. Diesen entschlossenen Blick habe Dehn-Krohn laut ihrem Vater geerbt. „Vielleicht liegt das den Krohn-Frauen im Blut“, sagt sie. Denn entschlossen ist sie. Die Verantwortung, die sie für ihre Mitarbeiter trägt, treibt sie an. Sie ist sich sicher, die Wäscherei Krohn übersteht auch Corona. Wie, das weiß sie zwar noch nicht. „Aber es gibt immer einen Plan B.“