Flexbile Arbeitszeit Die neuen Regelungen im Faktencheck

Die Diskussionen über flexiblere Arbeitszeiten in Österreich sind hitzig, viele Mythen machen die Runde. Aber was stimmt denn jetzt? In einem Faktencheck klärt die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), ob die neuen Arbeitszeitregelungen wirklich einen Gewinn darstellen, und versucht, hartnäckige Behauptungen zu entkräften.

Die flexible Arbeitszeit trifft in der österreichischen Bevölkerung nicht nur auf Zustimmung. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) geht in einem Faktencheck deshalb auf einige Argumente der Gegnerseite ein. Foto: Chaiyawat -–stock.adobe.com - © Chaiyawat - stock.adobe.com

Ab dem kommenden Jahr führt die schwarz-blaue Koalition in Österreich neue Regelungen zur flexiblen Arbeitszeit ein, darunter die Zwölf-Stunden-Arbeitstage. Weil das für Kritik sorgt, hat die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) einen Faktencheck zu Gegenargumenten veröffentlicht:

  • „Die flexible Arbeitszeit bringt eine Verlängerung der Arbeitszeit.“

Stimmt nicht, sagt die WKÖ. Flexible Arbeitszeiten bedeuten nicht, dass die Mitarbeiter insgesamt mehr bzw. länger

arbeiten müssen. Es bleibt grundsätzlich bei acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche. Zwölf Stunden pro Tag bleiben die Ausnahme. Im Schnitt darf weiterhin maximal 48 Stunden pro ­Woche gearbeitet werden. Wichtig: Die elfte und zwölfte Stunde sind grundsätzlich Überstunden mit Zuschlag. Die flexible Arbeitszeit bringt also nicht mehr Arbeit, sondern mehr Geld oder mehr Freizeit.

  • „Mitarbeiter wollen keine flexiblen Arbeitszeiten.“

Arbeitnehmer sind flexiblen Arbeitszeiten gegenüber positiv eingestellt. Eine Market-Umfrage (2018) zeigte: 76 Prozent der Arbeitnehmer sind davon überzeugt, dass heute mehr Flexibilität notwendig ist als früher. 73 Prozent sagen, dass sie flexibel und bereit sind, phasenweise länger zu arbeiten. Und 51 Prozent sehen die Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeitobergrenze von zehn auf zwölf Stunden positiv, wenn es sich um Überstunden mit Zuschlag handelt.

  • „Unsere Arbeitszeiten sind für die Unternehmen flexibel genug.“

Der internationale Vergleich zeigt, dass Österreich bei flexiblen Arbeitszeiten hinten lag. So durften in Österreich maximal zehn Stunden pro Tag gearbeitet werden, in den meisten EU-Staaten bis zu zwölf oder 13 Stunden. Zwölf Stunden waren zwar möglich, aber für KMU nur unter sehr restriktiven Bedingungen, etwa mit Gutachten des Arbeitsmediziners. Das kostete Wettbewerbsvorteile und Aufträge, was sich weder Unternehmen noch Standort leisten konnten. Dazu kommt: Die meisten heimischen Kollektivverträge enthalten zwar flexible Arbeitszeitregelungen – aber nur unter eng gefassten Auflagen.

  • „Kein Auftrag wird in Österreich wegen zu restriktiver Arbeitszeiten abgelehnt.“

Oft wurden Aufträge auch dann abgearbeitet, wenn Arbeitszeitbestimmungen dem entgegenstanden. Mitarbeiter und Betriebsrat hatten dafür meist Verständnis oder wollten das ausdrücklich selbst. Dieser Graubereich mit Strafrisiko wurde nun durch Rechtssicherheit ersetzt, so die WKÖ.

  • „Wir brauchen nicht flexiblere Arbeitszeiten, sondern eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung für eine bessere Verteilung der Arbeit.“

Hinter der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung steckt die Meinung, man müsse nur das bestehende Arbeitszeitvolumen auf mehr Köpfe verteilen, dann müssten alle weniger arbeiten und die Arbeitslosigkeit sinke. Die Praxis zeigt aber: Ein entsprechender Eingriff schafft keine Jobs, sondern kostet Jobs: Um die Arbeitslosigkeit zu senken, hat Frankreich im Jahr 2000 die Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden reduziert. Das Ergebnis: Vor Einführung der 35-Stunden-Woche hatte Frankreich eine Arbeitslosenrate von 8,6 Prozent, im Jahr 2005 waren es 8,9 Prozent, 2015 sogar 10,4 Prozent (Quelle: EU-Kommission).

Deutschland hat im gleichen Zeitraum die Arbeitszeiten flexibilisiert und teilweise sogar verlängert. Ergebnis: Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2000 und 2015 von 7,9 Prozent auf 4,6 Prozent. Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn verteuert den Faktor Arbeit massiv. Dies zwingt Unternehmen, weniger produktive Arbeitskräfte abzubauen. Für die übrigen Arbeitnehmer steigt der Druck, in weniger Zeit dasselbe zu leisten. Pro Jahr verkürzt sich die Arbeit im Schnitt ohnehin um eine Viertelstunde je Woche, weil es mehr Teilzeit gibt und wir heute eine Überstunde pro Woche weniger machen als vor zehn Jahren. Wenn Betrieb und Arbeitnehmer oder Betriebsrat eine (geringere) Arbeitszeit entsprechend ihren individuellen/betrieblichen Bedürfnissen vereinbaren, ist das heute wie in Zukunft möglich.

  • „Die Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit belastet Arbeitnehmer und ist zu bekämpfen.“

In einer Market-Umfrage von 2017 geben Arbeitnehmer an, im Schnitt zehn Minuten pro Tag in der Freizeit durch Anrufe, E-Mails etc. beruflich beansprucht zu werden. In der selben Umfrage antworten die Arbeitnehmer aber, dass sie im Schnitt 21 Minuten pro Tag während der Arbeitszeit Medien für private Zwecke nutzten. Eine andere Umfrage kommt sogar auf 40 „Privatminuten“ pro Tag. Unter dem Strich profitieren Arbeitnehmer somit von Smartphone, Internet & Co bei der Arbeit.

  • „Flexible Arbeitszeiten verschlechtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“

Flexible Arbeitszeiten, die auf Betriebs­ebene geregelt werden, ermöglichen maßgeschneiderte Arrangements. Dass Eltern ein Problem mit der Kinderbetreuung haben, zeigt nur, wie wichtig mehr Flexibilität auch bei Kinderbetreuungseinrichtungen ist. Denn eine Tatsache ist laut WKÖ: In den Betrieben hat meist nur eine Minderheit der Beschäftigten Kinderbetreuungspflichten. Einsätze zu Randzeiten und Überstunden werden meist von Arbeitnehmern ohne Kinderbetreuungspflichten geleistet, da auf Arbeitnehmer mit kleinen Kindern schon jetzt Rücksicht genommen wird.

Neue Flexibilität bei der Arbeitszeit ermöglicht auch neue Lösungen: So könnten Mutter oder Vater abends im Home-Office noch arbeiten, wenn die Kinder schlafen. Wenn die Arbeitszeit auf zwei- oder dreimal zwölf Stunden konzentriert wird, kann man sich die Kinderbetreuung besser nach Tagen aufteilen. Mutter bzw. Vater müssen nicht so oft in die Arbeit fahren. Wegezeiten entfallen. Alles in allem entsteht mehr Flexibilität.

www.wko.at