Reinigung macht Säureschädigung sichtbar Eine ungewöhnliche Reaktion

Als ein Damenblazer nach der Bearbeitung einen Schaden aufweist, stellt sich die Frage, ob der Schaden in der Reinigung verursacht wurde. Bei der fachmännischen Warenschau wurde nichts entdeckt. Eine Untersuchung unter UV-Licht lässt vermuten, dass bereits vor der Textilreinigung eine säurehaltige Flüssigkeit über das Kleidungsstück geflossen ist.

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    Bild 1(links) Nach der Reinigung fällt der Gewebeschaden sofort auf.
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    Bild 2(oben) Die hellen Garne haben sich herausgelöst.

Eine ungewöhnliche Reaktion

Eines steht im nachfolgend zu beschreibenden Fall schon sicher fest: Der Damenblazer war bei der Eingangskontrolle im Textilpflegebetrieb als nicht beschädigt eingestuft worden, denn das Kleidungsstück verfügte über keinen sichtbaren beziehungsweise bei der „einfachen fachmännischen Warenschau“ erkennbaren Schaden.

Was bedeutet eigentlich die „einfache fachmännische Warenschau“ in der Praxis der Textilreinigung? Was muss getan werden, um diesen Punkt bei der Annahme von Textilien und Leder zur Reinigung vollinhaltlich zu erfüllen? Über den Umfang dieser so wichtigen Aufgabe ist man sich nicht immer einig, wenngleich die Wichtigkeit bejaht wird. Zunächst einmal ist durch das Wort „einfache“ beschrieben, dass es sich um erkennbare Eigenschaften und Schwachstellen des zu reinigenden Gutes handeln muss, ohne dass zum Beispiel eine Lupe zur Hilfe genommen wird. Dann aber kommt die Forderung, dass die Warenschau „fachmännisch“ zu erfolgen hat. Materialkenntnisse und Erfahrungen, also Fachwissen, sind gefordert. Das beschränkt sich nicht nur auf die Taschenkontrolle, das Lesen der Pflegesymbole und eventuell der Rohstoffkennzeichnung, sondern vor allem auf offenkundige Mängel und/oder Schwachstellen. Der Begriff der Offenkundigkeit wird vor Gericht so ausgelegt, dass der Fachmann in der Textilreinigung, nicht aber der Laie, die Mangelhaftigkeit eines zu reinigenden Teiles aufgrund seiner Kenntnisse feststellen muss, wenn dies ohne Hilfsmittel möglich ist. Das alleine genügt nicht, denn entsprechende Feststellungen von vorhandenen Schäden sollten zu Beweiszwecken in ein Schadensbuch nachweislich eingetragen werden.

Doch zurück zu dem hier zu beschreibenden Schadensfall: Der Blazer wurde der Pflegekennzeichnung entsprechend in Perchlorethylen gereinigt. Bei der Entnahme und Kontrolle des gereinigten Textilgutes fiel sofort der Gewebeschaden an dem Kleidungsstück auf (Bild 1). Betroffen waren die unteren Bereiche des Oberstoffes sowohl außen wie auch innen.

Schadensursache

EBei genauer Betrachtung des Schadens stellte sich heraus, dass in erster Linie die hellen Garne betroffen waren und sich aus den Gewebeverband herausgelöst hatten, was zu einer Lochbildung geführt hatte (Bild 2). In dem geschädigten Bereich war der Griff leicht verhärtet im Vergleich zu dem intakten Gewebe. Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass der Oberstoff des Blazers laut Rohstoffkennzeichnung zu 50 Prozent aus Polyester und 50 Prozent aus Viskose bestand. Geschädigt waren dabei in erster Linie die Viskoseanteile im Gewebe. Mikroskopisch ist dann ermittelt worden, dass eine chemische Schädigung vorliegt. Diese ist durch Einwirkung einer Säure verursacht worden, die die Cellulosekettenmoleküle abgebaut hat. Nachgewiesen wurde dies durch eine Messung des pH-Wertes im Schadstellenbereich. Die Polyestergarne sind gegenüber Säureeinwirkung weitgehend beständig. Nun stellt sich natürlich die Frage: Wo ist dieser Schaden aufgetreten? Der erste Gedanke dazu ist der, dass der Textilreiniger der Schadensverursacher ist. Der Grund für diese Annahme ist, dass der Schaden bei der Annahme nicht (einmal andeutungsweise) gesehen worden ist und auch nicht gesehen werden konnte, weil er nicht offenkundig war; zum Beispiel durch eine leichte, aber erkennbare Gewebe- oder Farbschädigung. Gegen diese Annahme könnte man die Lage und Anordung des Schadens ins Feld führen. Um der Frage nach dem Schadensverursacher weiter auf den Grund zu gehen, wurde der Blazer unter UV-Licht untersucht und da kam man der Lösung näher. Denn hier konnte man eine Fließrichtung von oben nach unten erkennen, die von einem Flüssigkeitsrand angegeben wurde. Daraus kann man ableiten, dass der Schaden in senkrecht hängendem Zustand entstanden sein dürfte. Die dabei auf das Kleidungsstück gelangte Säure oder säurehaltige Flüssigkeit war sehr schwach und hat dadurch eine sichtbare (offenkundige) Schädigung nicht hervorgerufen. Im Lösemittel ist die Säure nicht ausgespült oder gar neutralisiert worden. Vielmehr wurde bei der Temperaturerhöhung im Rahmen der Trocknung eine Konzentrierung der Säure durch Entzug des Wassers erreicht, was dann die Schädigung zur Folge hatte. F

Schadensregulierung

Bei der Erläuterung dieser Vorgänge durch den Textilreiniger seiner Kundin gegenüber wird er nicht mit viel Einsicht und Verständnis rechnen können. Es bleiben erhebliche Zweifel auf Seiten der Besitzerin des Blazers an der Richtigkeit dieser Erläuterung des Schadenherganges. Und so kann möglicherweise nur ein Gutachten den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Textilreinigungsbetrieb abwehren. Bleiben dennoch Zweifel, wird der Sachverhalt vor Gericht ausgetragen. Dort muss dem Juristen verständlich dargelegt werden, dass aufgrund der Untersuchungsergebnisse die Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden im Gebrauch entstanden ist, sehr hoch angesiedelt werden muss.