Megatrend Nachhaltigkeit - Teil 3 Engagement für Fairness

T-Shirt für vier Euro, Jeans für 20 Euro - in Deutschland steht Bekleidung zum Schnäppchenpreis hoch im Kurs. Damit die Regale mit billiger Ware prall gefüllt sind, hat die Konfektionsindustrie ihre lohnintensive Fertigung in Länder verlegt, die nicht gerade für Fairness gegenüber Beschäftigten bekannt sind. Die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen haben jedoch eine Gegenbewegung auf den Plan gerufen.

Immer mehr Konfektionäre setzen sich für eine faire Behandlung der Arbeiter in Billiglohnländern ein. Foto: MEV - © MEV

Engagement für Fairness

Händler, Hersteller und Importeure engagieren sich im Rahmen ihrer unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung (Corporate Social Responsibility) für sozial nachhaltige Arbeitsbedingungen. Sie ist neben der ökologischen Nachhaltigkeitsbewegung ein weiterer wichtiger Grundstein bei der Schaffung einer weltweit zukunftsfähigen, lebenswerten Gesellschaft.

Die Herstellung eines Bekleidungsstücks - egal wie einfach es auch aussehen mag - ist arbeitsintensiv. Vor allem die Näherei erfordert einen hohen personellen Aufwand, da die vielen Schnittteile wie ein Puzzle in Handarbeit zusammengefügt werden müssen. Eine Automatisierung ist nur bei wenigen Nähprozessen möglich. Daher beträgt der Lohnanteil in der Mode- und Bekleidungsindustrie zwischen 20 und 30 Prozent der Gesamtfertigungskosten.

Standortverlagerung in Billiglohnländer

Der Handarbeitsfaktor schlägt aber auch in anderen Bereichen der Textilverarbeitung zu. So haben Heimtextilien und Objektwäsche zwar überwiegend gerade Nähte. Aber der Konfektionsanteil ist auch bei Bettwäsche, Frottierware etc. nicht zu unterschätzen. In Ländern mit hohen und gesetzlich verankerten Löhnen ist die Fertigung der textilen Gebrauchsgüter daher teuer. Damit Mode für alle bezahlbar bleibt, wurde die Konfektionierung von heimischen Nähereien in Billiglohnländer verlagert. „Offshoring“ nennt man diesen Prozess der Standortverlagerung.

Für die Konfektionsindustrie haben sich Länder wie Bangladesch, China, Indien oder Vietnam als besonders geeignet erwiesen - allesamt Standorte, die nicht unbedingt für ihre Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards bekannt sind. Auch mit den Menschenrechten nimmt man es nicht immer so genau: Kinderarbeit, maßlose Überstunden, Gewalt am Arbeitsplatz und einbehaltene Löhne sprechen eine eigene Sprache. Und sollten von staatlicher Seite Kontrollen angeordnet werden, lassen sich diese durch Gefälligkeiten und Gunstzuweisungen umgehen.

Soziales Gefälle erfordert ein Umdenken

Solche Bedingungen werden seit einiger Zeit allerdings nicht mehr kritiklos hingenommen - das Prinzip des „Offshoring um jeden Preis“ gerät ins Wanken. Eine stetig zunehmende Zahl von Händlern und Herstellern denkt um und verlangt von ihren Produktionsstätten in Fernost die Einhaltung von grundlegenden Rechten für die Beschäftigten. Ursächlich hängt diese Bewusstseinsveränderung mit dem Megatrend Nachhaltigkeit zusammen. Dieser bezieht nicht nur ökologische und ökonomische, sondern auch soziale Prinzipien ein, da sie für eine dauerhaft zukunftsfähige und lebenswerte Gesellschaft zwingend notwendig sind. Würde man sie ausschließen und das System des gesellschaftlichen Gefälles fortschreiben, besteht die Gefahr sozialer Konflikte in der Welt. In einer durch die Globalisierung entstandenen, wirtschaftlichen Abhängigkeit kann diese Entwicklung nicht erstrebenswert sein. Daher engagieren sich immer mehr Unternehmen mit Konfektion in Fernost bei ihren Partnern für die Einhaltung sozialer, ökonomischer und rechtlicher Standards für die Beschäftigten.

Sie bedienen sich dabei unterschiedlicher Methoden der Einflussnahme. Einige Betriebe werden beispielsweise auf eigene Faust initiativ und rufen soziale Projekte für die Mitarbeiter eines Betriebs oder eine Region ins Leben. Die Steuerung und Kontrolle muss dabei allerdings unmittelbar vor Ort erfolgen, um das Gelingen eines Projekts dauerhaft zu gewährleisten.

Da aber nur wenige Betriebe eigenes Personal in den fraglichen Ländern beschäftigen, besteht eine zweite Möglichkeit im Beitritt zu unabhängigen Organisationen - so genannte NGOs - mit örtlichen Kontrollinstanzen. Auf Ebene der Baumwollerzeugung hat sich beispielsweise die Initiative Fairtrade zum Ziel gesetzt, benachteiligte Produzentenfamilien in Afrika, Asien und Lateinamerika zu fördern und durch den fairen Handel ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Organisationen wie die Fair Wear Foundation oder die Clean Clothes Campaign hingegen unterstützen ihre Mitgliedsbetriebe weltweit bei der Durchsetzung der Forderungen nach sozialer Nachhaltigkeit in der Konfektionsindustrie. In den „kritischen“ Ländern setzen sie sich im Wesentlichen für die freie Arbeitsplatzwahl, Versammlungsfreiheit, Verzicht auf Kinderarbeit und exzessive Überstunden, rechtsbindende Arbeitsverhältnisse, Diskriminierungsverbot, eine faire Bezahlung und die Einhaltung von Sicherheits- und Gesundheitsstandards am Arbeitsplatz ein.

Gemeinsames Handeln

Eine weitere Möglichkeit der Einflussnahme auf mehr weltweite soziale Gerechtigkeit bieten Regierungsorganisationen, zu denen der UN Global Compact gehört. Dabei handelt es sich um eine von den Vereinten Nationen entwickelte Initiative für Unternehmen, die ihre Strategie und ihre Prozesse an definierten Prinzipien in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umwelt und Korruptionsbekämpfung ausrichten wollen. Seit der Gründung im Jahr 2000 haben sich mehr als 8.000 Mitglieder aus Unternehmen und Konzernen, Städten, Körperschaften des öffentlichen Rechts, Hochschulen und Instituten sowie Vereinen und Verbänden angeschlossen.

Einer von ihnen ist der Industrieverband Textil-Service (intex), der seinen Mitgliedern durch den Beitritt Umsetzungsmöglichkeiten auf den Weg zu einem verantwortlichen, nachhaltigen Wirtschaften aufzuzeigen will. Denn auch wenn Berufs- und Schutzbekleidung überwiegend europanah gefertigt wird, stammt eine Reihe von Teilen aus Fernost.

Zu den einflussreichen Regierungsorganisationen gehört auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), bei der es sich um eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen handelt. Ihr sind 183 Mitgliedsstaaten angeschlossen, die durch Repräsentanten von Regierungen, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Organen der Initiative vertreten sind. Schwerpunkte der Arbeit der ILO sind die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Sozialnormen, insbesondere der Kernarbeitsnormen, die soziale und faire Gestaltung der Globalisierung sowie die Schaffung von menschenwürdiger Arbeit als einer zentralen Voraussetzung für die Armutsbekämpfung.

Soziales Verantwortungsbewusstsein wächst

Einem Unternehmen, das seine Bekleidung und Textilien durch Offshoring bezieht, stehen also diverse Möglichkeiten der direkten oder indirekten Einflussnahme auf bessere Sozialstandards in der Welt zur Verfügung. Und tatsächlich stellt sich eine steigende Zahl von Importeuren, Händlern und Produzenten dieser Verantwortung. Corporate Social Responsibility wird zum Bestandteil des unternehmerischen Handelns. Bei gleicher Zielsetzung hat die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung jedoch einen individuellen Charakter.

Denn da sich soziale Nachhaltigkeit auf alle Mitglieder einer Gemeinschaft bezieht, endet das Engagement für viele Betriebe nicht in Fernost. Oft wird der Bereich auch auf regionale Sozialprojekte erweitert, weil CSR keine territorialen Grenzen kennt.

Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach