Industrielle Wäschereitechnik Firmenjubiläum: Maschinenbauer Kannegiesser wird 70

Das Maschinenbauunternehmen Kannegiesser aus Vlotho in Nordrhein-Westfalen feiert dieses Jahr 70. Jubiläum. Den runden Geburtstag nahm der Hersteller Anfang Juni zum Anlass, die Hausmesse „Expo 2018“ auszurichten. R+WTextilservice war vor Ort.

Kannegiesser
Zum 70-jährigen Jubiläum des Unternehmens präsentierte Kannegiesser seine Firmengeschichte. Engelbert Heinz (li.) wurde als CEO des Unternehmens ernannt. Tina Kannegiesser ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende. Martin Kannegieser (r.) plant, sich in den nächsten Jahren von den Geschäften zurückzuziehen. - © Tanja Bürgle

Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz werden die Zukunft bestimmen. Wohin diese Entwicklung in Sachen Wäschereitechnik führt, zeigte Maschinenhersteller Kannegiesser auf einer Hausmesse im nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen. Das Unternehmen nahm die Messe zum Anlass, gleich mehrere Meilensteine der Firmengeschichte zu feiern. R+WTextilservice besuchte das Event im Juni. Den ausführlichen Nachbericht aus der Augustausgabe gibt es hier und hier.

Die Herbert Kannegiesser GmbH ist mit 1.750 Mitarbeitern heute einer der führender Wäschereitechnikhersteller weltweit. In 54 Ländern ist Kannegiesser aktiv, in 16 davon mit eigenen Tochterfirmen. In Deutschland wird an sechs Standorten produziert und auch in Großbritannien und den USA befindet sich jeweils eine Produktionsstätte. Worauf es Martin Kannegiesser bei der Führung des Familienunternehms ankommt, erzählte der Sohn des Gründers Herbert Kannegiesser bereits vor einigen Jahren in einem ausführlichen Interview mit R+WTextilservice. An den Grundsätzen des Unternehmens hat sich seitdem wenig geändert: Die Firma versteht sich als "Technikpartner der Wäscherei" und investiert gerne in die eigenen Mitarbeiter.

Das Unternehmen Kannegiesser: Die Anfänge

Drei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg standen weite Bereiche der europäischen Wirtschaft bei Null. Viele Strukturen waren technologisch nicht weiterentwickelt oder zerstört worden. Trotz dieser Zerstörung bot die Nachkriegszeit jungen Gründern gute Chancen. Viele Betriebe, die heute Marktführer in verschiedenen Bereichen sind, entstanden zu dieser Zeit. Eines dieser mittelsständischen Unternehmen war die Herbert Kannegiesser GmbH.

Herbert Kannegiesser stammte aus dem Flugzeugbau und gelangte durch verwandtschaftliche Verbindungen nach Herford in Nordrhein-Westfalen. Dort gründete der Diplom-Ingenieur ein kleines Ingenieurbüro mit nur einem Mitarbeiter. Nach kurzer Zeit kam das Büro mit der Bekleidungsindustrie in Berührung - ein Sektor, der damals in Ostwestfalen stark vertreten war. Kannegiesser entwickelte und bastelte Zuschneidemaschinen und kam so durch Zufall zur Hemdenindustrie. Dort wurde für das Bügeln der Oberhemden noch Bügeleisen eingesetzt. Herbert Kannegiesser entwickelte als Ersatz elektrisch beheizte Bügelpressen. Die neue Erfindung brachte einen Rationalisierungseffekt mit sich – und das Bügeleisen wurde verdrängt.

Hemdenbügelpressen wurden zum Nischenmarkt und Kannegiesser blieb der einzige Lieferant. Um das Bestehen der Unternehmens zu sichern, waren internationale Aktivitäten notwendig. Herbert Kannegiesser suchte deshalb den Kontakt zu den Firmen Pfaff und Dürkopp, den führenden Herstellern von Industrienähmaschinen. Kannegiesser konnte das Vertriebsnetz dieser Firmen und deren Vertretungen weltweit nutzen. Alle Verbindungen wurden aufgebaut und gepflegt durch die Ehefrau von Herbert Kannegiesser, Irma Kannegiesser. Sie galt als sprachbegabt und kommerziell interessiert. Es entstanden Vertriebsvertretungen in vielen Ländern. Die Firma war von ursprünglich vier Mitarbeitern schon 1950 auf über 50 Mitarbeiter gewachsen.

Anfang der 1960er Jahre brach das einst aufblühende Geschäft mit elektrisch beheizten Oberhemdenbügelpressen nahezu völlig zusammen. Bügelfreie Hemden und die Haushaltsmechanisierung beim Waschen und Trocknen hatten zu einem Strukturwandel geführt, Kannegiesser geriet an den Rande des Abgrundes. Um den Konkurs zu vermeiden, mussten dringend neue Produkte her. Für die Konfektion entwickelte das Unternehmen Verklebungspressen, bei denen durch Einwirkung von Druck und Temperatur Oberstoff mit beschichteten Einlagen verschweißt wurde. Für die Wäscherei entwickelte man eine Faltmaschine. Diese beiden Produktfamilien bildeten eine neue Basis, auf der das kleine Unternehmen weiter wuchs.

1966 stieg Martin Kannegiesser nach Abschluss seines Studiums als Vertriebsleiter ein, baute den Vertrieb organisatorisch um und internationalisierte das Geschäft durch neue Vertretungen und eigene Vertriebsniederlassungen. Es entstanden neue Vertriebskonzepte für das Programm an Verklebungsmaschinen und auch für die Wäscherei. Martin Kannegiesser machte es sich zur Aufgabe, unabhängiger vom Textil zu werden. Er stieg in die Kunststoffmaschinentechnik, speziell im damals neuen Bereich des Reaktionsgiessverfahrens ein. Der Werkstoff der Polyurethane entwickelte sich zunächst rasch, vor allem in der Automobilindustrie. Gleichzeitig entwickelte sich über das Verfahren der Farbstoffsublimation der sogenannte Thermodruck für die Textilindustrie. Auch hier entwickelte Kannegiesser nach eigenen Angaben wegweisende neue Maschinen. Die beiden Produktbereiche führten zu starkem Wachstum, das allerdings nach mehreren Jahren einbrach. Polyurethane als Kunststoff waren im Vergleich zu anderen Werkstoffen zu teuer und dem Thermodruck war es nicht gelungen, sich über den Einsatz im Bereich der Polyester hinauszuentwickeln.

Mit der Zeit entstand ein verhältnismäßig großer Firmenapparat mit einem breiten und vielfältigen Programm. "Es wurde dann eher eine Zersplitterung, als eine Ergänzung", so Martin Kannegiesser. Kannegiesser fasste deshalb alle drei Geschäftsbereiche in separaten Firmen und eine gemeinsame Holding, um zwei der Firmen verkaufen zu können. Die Konzentration auf einen Geschäftsbereich hatte vor allem einen Grund: Kannegiesser wollte sich voll und ganz auf die Wäschereitechnik konzentrieren, da hier die Chance bestand, Weltmarktführer zu werden. Der Unternehmer erweiterte das Wäschereiprogramm erheblich um den gesamten Wasch-, Trockner- und Mangelbereich. Möglich wurde dies durch den Zukauf geeigneter Firmen und den Verkauf der Bereiche Kunststoff und Textil. Herbert Kannegiesser erkrankte bereits 1968 schwer und übertrug die Geschäftsführung 1970 an seinen Sohn Martin. Seit 1974 war Martin Kannegiesser Alleininhaber.

"Technikpartner der Wäscherei": Wo liegt die Zukunft für Kannegiesser?

Die Zukunft liegt laut Unternehmen nicht nur in der ständigen Weiterentwicklung von Technik und Maschinenbau. Stattdessen werden immer mehr Gesamtsysteme und Umstrukturierungen für bestehende Wäschereien gefördert. Dabei spielen vor allem die Kernbereiche Verfahrenstechnik und Logistik eine entscheidende Rolle. Wäschereimaschinen müssen miteinander verknüpft und der Informationsfluss mit dem Artikelfluss vernetzt werden, so Kannegiesser. Das bedeutet eine intensive Organisationsberatung sowie die Lieferung von Software und Datenbanksystemen abgestimmt auf die Steuerungstechnik des gesamten Maschinenbereichs. Dazu kommt eine ausgefeilte Förder- und Sortiertechnik. Für diesen Bereich existieren inzwischen drei spezialisierte Einheiten - in Deutschland, Großbritannien und den USA. Sie sind entscheidend für die weitere Automasierung hin zur Roboterisierung. Das Thema der Zukunft wird also nicht nur die komplette, sondern die integrierte Wäscherei unter dem Stichwort "Smart Laundry" sein, bei der Maschinentechnik und Software miteinander verknüpft sind.

Eine zunehmende Bedeutung kommt laut Kannegiesser auch der Kundenbetreuung zu. Den Kunden soll bei der Abstimmung der Technologie auf das Marketing der Endkunden geholfen werden. In diesen Bereich fallen die Verfahrenstechnik (beispielsweise die maximale Absicherung von Hygiene) sowie die Logistik, also die komplette und pünktliche Belieferung.

Bis 2014 war Martin Kannegiesser nicht nur alleiniger Geschäftsführer, sondern auch Alleininhaber. Er übertrug seine Firmenanteile zu 100 Prozent an die Martin Kannegiesser Familienstiftung, um für Kontinuität zu sorgen und die Politik der Thesaurierung fortsetzen zu können. Die Firma hat heute eine Eigenkapitalquote von 70 Prozent und erzielt in seiner Nische einen Nettojahresumsatz von 400 Mio. Euro.

Bislang hatte Martin Kannegiesser eine Doppelfunktion inne: Er ist Geschäftsführer der GmbH sowie Stiftungsvorsitzender. Inzwischen wurde Engelbert Heinz als CEO in der GmbH ernannt. Er ist bereits seit 30 Jahren im Unternehmen tätig. Martin Kannegiessers Tochter Tina ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung und derzeitiger Kernbereich ist die ständige Betreuung und Pflege der Auslandstöchter.