Allgäuer Pilotprojekt Integratex: Inklusionswäscherei legt Fokus auf Reinigungstextilien

Was herauskommt, wenn ein Reinigungsspezialist im Gesundheitswesen und ein gemeinnütziges Unternehmen zusammenarbeiten, zeigt sich in Dietmannsried im Allgäu: Dort ist aus der Zusammenarbeit eine inklusive Wäscherei entstanden.

Integratex in Dietmannsried
Die gemeinnützige Wäscherei Integratex in Dietmannsried setzt nicht nur auf Mensch und Hygiene, sondern mit automatischer Waschstraße und Trocknern auch auf modernste Technik. - © INTEGRATEX

Die neu gegründete Integratex gGmbH ist nach Angaben des Unternehmens die bayernweit erste inklusive Spezialwäscherei für Reinigungstextilien, wie Mikrofasertücher und Wischbezüge. Am Firmensitz in Dietmannsried im Allgäu arbeiten laut Pressemitteilung Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe zusammen. Gegründet wurde das gemeinnützige Unternehmen von den Allgäuer Werkstätten (Kempten), einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, und der KDS Services für Gesundheit und Pflege (Dietmannsried), einem Reinigungsspezialisten im Gesundheitswesen. Die zwei Unternehmen bringen Kompetenzen in das Projekt ein, die sich nach Angaben der Projektverantwortlichen perfekt ergänzen: Bei Integratex sollen sowohl Mensch als auch Hygiene im Mittelpunkt stehen.

„Wir sind mit großer Euphorie gestartet. Mit mehr als einer Tonne Wäsche pro Tag, die bei uns durch die Waschstraße läuft, haben wir einen guten Anfang gemacht und sind für weitere Aufträge bereit“, erzählt Claudia Speiser, Betriebsleiterin bei Integratex. Das gemeinnützige Unternehmen hat sich auf die hygienische Aufbereitung von Reinigungstextilien spezialisiert. Dabei arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung auf dem regulären Arbeitsmarkt zusammen. Untergebracht ist die inklusive Spezialwäscherei auf knapp 600 m2 im Untergeschoss des neuen KDS-Campus-Gebäudes, in dem unter anderem mit Schulungsräumen neue Konzepte zum Thema "Training on the Job" erprobt werden.

Integrative Wäscherei: Der Mensch zählt

Vakuumierung Leasing-Wäsche Integratex
Die Leasing-Wäsche von Integratex wird von den Mitarbeitern zusammengelegt und keimfrei vakuumiert. - © INTEGRATEX

Insgesamt sechs Angestellte arbeiten derzeit bei Integratex. Vier Menschen sind ohne Beeinträchtigung und zwei mit Schwerbehinderung: ein Gehörloser und ein Mann mit Spastik an Armen und Beinen. Nach den ersten Wochen Anlaufphase will Speiser die Anzahl der Mitarbeiter weiter aufstocken. Langfristig sollen insgesamt 20 Menschen in der Spezialwäscherei arbeiten. Integratex hat sich dabei eine klare Quote zum Ziel gesetzt: 40 Prozent der Arbeitsplätze sollen für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung frei sein, um ihnen einen dauerhaften Arbeitsplatz am ersten Arbeitsmarkt zu bieten. Für jeden Mitarbeiter mit Beeinträchtigung will die Wäscherei nach eigenen Angaben bei Bedarf einen auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitsplatz bereitstellen.

Die Allgäuer Werkstätten sind nach Presseangaben zu 60 Prozent Gesellschafter des Gemeinschaftsunternehmens. Die restlichen 40 Prozent fallen auf die KDS Services für Gesundheit und Pflege. Als gemeinnütziges Unternehmen muss die Integratex keinen Gewinn erwirtschaften. Überschüsse sollen künftig für gemeinnützige Zwecke verwendet werden: Laut Integratex fließen sie zum einen in die Allgäuer Werkstätten und zum anderen in den Lattemann & Geiger Sternenhimmel e.V. Momentan wird das Projekt von der Aktion Mensch und dem Inklusionsamt Bayern (Augsburg) gefördert. Die Förderung läuft auf fünf Jahre. Spätestens dann muss sich das Inklusionsunternehmen selbst tragen.

Die Idee zu Integratex kam von Ulrich Geiger, Geschäftsführender Gesellschafter der Lattemann & Geiger Dienstleistungsgruppe, zu der auch die KDS gehört. „Als Komplettanbieter, unter anderem für Kliniken, habe ich den Bedarf am Markt schon lange erkannt. Die Aufbereitung der Reinigungstextilien wollte und will keine Wäscherei so wirklich übernehmen. Es ist aufwändig und kompliziert und das ist vielen Wäschereien lästig. Genau darauf, auf die Aufbereitung der Reinigungstextilien, haben wir uns jetzt spezialisiert und besetzen damit eine gefragte Nische“.

Modernste Technik mit RFID-Chips

Trockner Integratex
Auch die vier Trocknern von Integratex laufen automatisch. - © INTEGRATEX

Integratex-Kunden können laut dem Unternehmen wählen: Entweder lassen sie ihre eigenen Wischbezüge und Mikrofasertücher reinigen oder mieten sich die Reinigungstextilien direkt von Integratex. Jedes Leasing-Textil bekomme einen Chip, mit dem sich mittels modernster RFID-Technik verfolgen lasse, wo sich der einzelne Wischbezug aufgehalten hat, so Integratex. Das beuge Wäscheverlust vor und garantiere zudem Transparenz für den Kunden.

Laut der Inklusionswäscherei gehört ab einer gewissen Tonnage auch der Transport der Wäsche zum Service. Dafür holt ein Sprinter im Umkreis von circa 150 km die schmutzige Wäsche beim Kunden ab und bringt sie zur inklusiven Spezialwäscherei nach Dietmannsried. In der vollautomatisierten Waschstraße werden nach Angaben des Unternehmens Wischbezüge und Mikrofasertücher nach den Hygienestandards gemäß RKI und RAL 992/2 aufbereitet. Die Waschstraße mit neun Waschkammern schafft ca. 900 kg Wäsche pro Stunde. Alle vier bis fünf Minuten laufen so etwa 80 kg Feuchtwischbezüge und Mikrofasertücher durch die Waschstraße, die anschließend in den vier Trocknern, ebenfalls automatisch, getrocknet werden. Anschließend sind wieder die Mitarbeiter gefragt, die Sichtkontrolle auf Flecken und Beschädigungen durchführen. Bei Leasing-Wäsche werden laut Integratex die hygienisch sauberen Reinigungstextilien zudem zusammengelegt und keimfrei vakuumiert. Anschließend wird die Wäsche wieder an die Kunden ausgeliefert.

Integratex
Alle vier bis fünf Minuten laufen ca. 80 kg Feuchtwischbezüge und Mikrofasertücher durch die vollautomatische Waschstraße. - © INTEGRATEX

Nicht nur bei Kunden, sondern auch bei potenziellen Mitarbeitern sei Integratex bereits begehrt, ließ das Unternehmen verlauten. „Viele Leute in unseren Werkstätten sind schon sehr gespannt und wollen unbedingt ein Praktikum in der Spezialwäscherei machen, um später dort arbeiten zu können“, erklärt Karl-Heinz Häfele, Geschäftsführer bei Integratex sowie Prokurist und Werkstattleiter Hauptwerkstätte und Förderstätte bei den Allgäuer Werkstätten. Zusammen mit der KDS hat er sich auf das völlig neue Projekt eingelassen. „Wir haben zuvor noch nie ein Projekt zusammen mit einem Unternehmen aus der freien Wirtschaft gemacht“, räumt Häfele seine anfänglichen Zweifel ein. „Letztendlich hat mich das Konzept aber überzeugt“.

Inklusion: Die freie Wirtschaft in der Verantwortung

Claudia Speiser von Integratex mit Team
Geschäftsführerin Claudia Speiser und ihr Team sorgen für hygienisch aufbereitete Feuchtwischbezüge und Mikrofasertücher. - © INTEGRATEX

Mit dem Projekt wolle man laut Geiger zu einem besseren Miteinander in der Gesellschaft beitragen. „Dazu gehört auch, dass alle Menschen – mit und ohne Behinderung – zusammen am ersten Arbeitsmarkt arbeiten können und sich auf Augenhöhe begegnen“, betont Geiger. Inklusionsunternehmen wie Integratex übernehmen eine Brückenfunktion zwischen den Arbeitsplätzen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung und dem allgemeinen Arbeitsmarkt. „Damit echte Inklusion gelingen kann, sehe ich ganz klar die freie Wirtschaft in der Verantwortung", appelliert Häfele.

Die Allgäuer Werkstätten unterscheiden in Bezug auf die Leistungen nicht nur beim Projekt Integratex grundsätzlich nach der Zielrichtung “Menschen mit Behinderung” einerseits und “Wirtschaftskunden” andererseits. Nach den Forderungen des Leitbildes und der Leitgedanken stehen die sozialen Leistungen für den Menschen mit Behinderung im Vordergrund.