Im Gespräch mit Claudia Goepfert, Bildungsgangleiterin am Berufskolleg Humboldtstrasse, Köln Kluge Sicht auf saubere Leistungen

Wer sich über das normale Maß hinaus für seinen Beruf engagiert, braucht eine hohe Motivation und gute Gründe. Claudia Goepfert hat beides. Die Bildungsgangleiterin setzte sich dafür ein, dass der Bildungsgang Textilreiniger am Berufskolleg Humboldtstraße in Köln erhalten bleibt. Sie hat ihr Ziel erreicht, bleibt jedoch realistisch und appelliert an einen Bewusstseinswandel.Claudia Goepfert bildet am Berufskolleg Humboldtstraße in Köln Textilreiniger aus. Foto: privat3 Wenn Bildungsgänge mehr als drei Jahre hindurch unterfrequentiert sind, sprich mit weniger als 16 Schülern besetzt, werden sie durch die Bezirksregierung geschlossen. So sollte es am Berufskolleg Humboldtstraße in Köln geschehen. Bildungsgangleiterin Claudia Goepfert machte sich für den Erhalt „ihrer Klasse“ stark. Schulleiterin Dr. Brunhilde Janßen-Struthoff unterstützte sie. Praktische und moralische Hilfestellung gab Udo Nagelschmidt, Leiter des Textilreiniger-Bildungszentrums Münsterland e.V., Rheine, und Vorsitzender des Ausschusses Aus- und Weiterbildung im Deutschen Textilreinigungs-Verband (DTV). „Udo Nagelschmidt war uns eine große Hilfe“, betont Claudia Goepfert. Dennoch sei es ein echter Kraftakt gewesen, erinnert sie sich. Das Engagement aller Beteiligten führte schließlich zum Erfolg: Die Fachklasse Textilreiniger in Köln bleibt. Wie lange, bleibt abzuwarten. Der duale Bildungsgang Textilreinigung ist im Bereich Textiltechnik angesiedelt, seit rund 30 Jahren. Nachdem etliche Berufsschulen im gesamten Bundesgebiet geschlossen wurden, fahren nun Azubis aus ganz Nordrhein-Westfalen nach Köln. In den Fächern „Service und Kundenberatung“ sowie „Prozesse der Textilbehandlung“ werden sie von Claudia Goepfert unterrichtet. Sie ist eine von zwei Abteilungsleiterinnen; in erster Linie widmet sie sich der Ausbildung von Textilreinigern, mit viel Herz und Kompetenz. Aus Liebe zu schönen Stoffen Am Anfang war es die Liebe zu Stoffen. Claudia Goepfert ist gelernte Schneiderin und absolvierte zusätzlich ein Studium für das „Lehramt an berufsbildenden Schulen im Bereich Textil- und Bekleidungstechnik“. Seit 2005 unterrichtet sie und genießt den Umgang mit jungen Menschen aus Handwerksbetrieben. Den Austausch mit Meistern, Betriebsleitern, Institutionen, Handwerkskammern und Innungen erlebt sie als sehr bereichernd. Unterricht wird für sie spannend, wenn er ein Produkt oder eine Dienstleistung als Grundlage hat. Der ständige Bezug zu einer beruflichen Realität mache ihn konkret und in den Augen der Auszubildenden sinnvoll. Im besten Fall haben ihre Schüler daran genauso viel Spaß wie sie. Claudia Goepfert ist keine Frau, die mit Macht in die Offensive geht. Die Bereitschaft der Bezirksregierung, sich mit der Ausbildungssituation in der professionellen Textilpflege auseinanderzusetzen, erreichte sie durch eine schlüssige Argumentation, vor allem aber durch wohlwollende Beharrlichkeit. Immer wieder suchte sie das persönliche Gespräch mit Inhabern von Textilpflegebetrieben, um auch von ihnen die nötige Unterstützung zu bekommen. Es gelang ihr, viele Unternehmer und Führungskräfte zu sensibilisieren und zur Ausbildung zu ermutigen. Deutlich sei die Not nicht zuletzt durch die Schließung der Berufsschule in Bielefeld/Halle geworden. Für die Azubis aus dem nördlichen Westfalen war die Möglichkeit, den schulischen Teil der Ausbildung in Köln zu absolvieren, zwar eine Alternative. Ideal findet Goepfert das ganz und gar nicht. Der weite Schulweg sei im Grunde eine unzumutbare Belastung. Trotz alledem: Das proaktive Handeln von Goepfert und ihren Mitstreitern hatte eine nachhaltige Initialwirkung. Ein aktiver Dialog zwischen Auszubildenden und Betrieben entwickelte sich. Nach wie vor bekommt sie positive Rückmeldungen von ihren Schülern, die sich in ihrem Berufsweg bestätigt fühlen. Imagearbeit sei eben auch in eigenen Reihen erforderlich. Wertschätzung ist für Goepfert das größte Leitmotiv, auch für ihr eigenes Tun. Sie lebt mit ihrer Familie in Bonn und würde gern noch mindestens 13 Jahre lang den Weg in „ihre Schule“ nach Köln fahren. In der offiziellen Landesfachklasse sind die Schüler aus ganz NRW bestens aufgehoben, das hohe Bildungsniveau ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Zufrieden könne sich die Branche damit nicht geben, meint Claudia Goepfert. Die Ausbildungszahlen in den Regionen, in denen die Tagesschulen geschlossen wurden, seien dramatisch zurückgegangen. Das gesamte Wirtschaftsfeld Textilservice sei von dem eklatanten Fachkräftemangel betroffen. Es gebe schlichtweg nicht genügend ausgebildete Textilreiniger. Wer allerdings einen Gesellenbrief mitbringe, habe beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt und langfristige Perspektiven. Sollte das Defizit jedoch größer werden, wäre ein Qualitätsverlust im gesamten Wirtschaftsfeld Textilservice die Folge. Die Branche braucht ihr HandwerkClaudia Goepfert freut sich, dass die Existenz ihrer Fachklasse für die nächsten beiden Jahre gesichert ist. Zum einen bleibe damit das Angebot einer Landesfachklasse erhalten und zum anderen die Möglichkeit der Ausbildung in der JVA Köln-Ossendorf. Das seien zwei kaum wiederlegbare Argumente, selbst wenn die Auszubildendenzahlen weiter sinken. Aktuell gibt es in dem Bildungsgang drei Klassen mit 19 Schülern in der Unterstufe, acht in der Mittelstufe und fünf in der Oberstufe. Außerdem werden in der JVA fünf Auszubildende im Textilreinigerhandwerk beschult. Über die Notwendigkeit der dualen Handwerksausbildung könne sie einen langen, bildungspolitischen Vortrag halten. Die ambitionierte Lehrerin fasst sich kurz. Sie hält das deutsche Modell mit zwei Ausbildungsstandorten (Betrieb und Berufsschule) für das beste der Welt. Kein anderes Modell vereine derartige Vorteile. Nach drei Ausbildungsjahren im Betrieb seien die handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnisse so groß, dass die Azubis als Fachkräfte eingesetzt werden könnten. Andererseits biete die schulische Vermittlung von Fachwissen den erforderlichen theoretischen Grundstock. Kurzum, die Textilpflegebranche könne auf die duale Ausbildung nicht verzichten. Durch die Erweiterung des Einzugsbereichs ist in Köln die Zahl der Auszubildenden gestiegen, wenn auch nur um fünf Schüler. Im Textilreinigerhandwerk zählt jeder Azubi. Langfristig will Goepfert keine Prognose wagen. Sie hofft auf eine Verbesserung durch einen Bewusstseinswandel aller Beteiligten. Dabei könnten die Innungen helfen. Ihr Einfluss sei jedoch begrenzt, da es auch in den Handwerksinnungen inzwischen zu wenige Mitglieder gebe. Zweifelsohne hätten die Branchenverbände die Chance, das Berufsbild in der Öffentlichkeit aufzuwerten. Ohne ausbildungsbereite Betriebe blieben allerdings sämtliche Bemühungen um ein positives Image wirkungslos. Entscheidend sei die Bereitschaft der Betriebe, junge Menschen im Handwerk marktgerecht auszubilden. Gleichzeitig kann sich Claudia Goepfert gut in die Situation der Betriebe hineinfühlen und -denken. Empathie ist eine ihrer Stärken: Die Fähigkeit, dafür zu sorgen, dass sich für alle Mitwirkenden am Ende ein Gewinn ergibt. Dieser minimiere sich allerdings zunehmend. In letzter Konsequenz führe diese wirtschaftliche Abwärtsspirale zum Wertverlust des Berufsbildes. RWTextilservice fragte sie nach Ideen zum Perspektivenwechsel aus Sicht der Fachlehrerin. RWTextilservice: Wie sehen Sie die Ist-Situation der Branche? Claudia Goepfert: Die „Abstimmung mit den Füßen“ zeigt leider, dass der Stellenwert der professionellen Textilpflege sinkt. Immer mehr kleine Reinigungen mit wenig Personal schließen oder machen sich mit Dumpingpreisen existenzruinierend Konkurrenz. Ein Grund für den mangelnden Bedarf ist die Tatsache, dass zunehmend mehr Textilien zu Hause gepflegt werden. Nahezu sämtliche Textilien sind heute waschbar und bereits in der Produktion auf Kurzlebigkeit angelegt. Das qualitativ hochwertige Bekleidungsstück, das professionell gereinigt wird, damit es lange gut erhalten bleibt, gibt es kaum noch. Auf der anderen Seite werden Großwäschereien outgesourced, oft über die Bundesgrenzen hinaus. Der Trend der Betriebsschließungen wird vermutlich in allen Bereichen weiter anhalten. Und sowohl in der Reinigung als auch der Wäscherei ist der Preiskampf enorm. RWT: Wie wird ein Imagewandel möglich? Goepfert: Wie in vielen Branchen wäre es hilfreich, wenn die Öffentlichkeit die Qualität der handwerklichen Dienstleistungen zu schätzen wüsste und bereit wäre, die entsprechenden Preise zu zahlen. Damit würde auch das Bild der Menschen aufgewertet, die diese Leistungen aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation erbringen. Ohne wirklich Fachfrau zu sein, glaube ich, dass sich die Betriebe mit den zum Teil nicht kostendeckenden Niedrigpreisen ruinieren. Solche Preise vermitteln den Eindruck minderwertiger Qualität. Dieser Eindruck überträgt sich auf das gesamte Handwerk. Es gibt gute Beispiele in der Branche, die zeigen, dass gerade ein hohes Preisniveau Kunden anlockt und hält. Dazu braucht es einen „erfrischenden“ Außenauftritt, der dem Leistungsanspruch gerecht wird. Der passende Style gehört zum Marketing. Leider haben nur wenige Betriebe eine Ladeneinrichtung, von der sich moderne, gut situierte Menschen angesprochen fühlen. RWT: Womit kann die Branche Nachwuchs locken? Goepfert: Reinigung bedeutet, den Schmutz anderer Menschen zu entfernen. Das ist zunächst einmal nicht besonders attraktiv. Auszubildende, die aus Familienbetrieben stammen, haben einen anderen Blickwinkel, ihre Motivation ist höher. Sie sehen vor allem die technische Ausrichtung und den Umgang mit Menschen und wissen, dass die eigentliche Schmutzentfernung von Maschinen erledigt wird. Branchenfremde erfahren das erst während der Ausbildung. Punkten kann die Branche mit den Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten im Bereich Textil und Bekleidung. Ein wichtiger Aspekt ist für mich, dass wir im Zusammenhang mit dem Berufsbild von der Bereitstellung sauberer Textilien sprechen und nicht von der Bearbeitung „schmutziger Wäsche“. Damit schaffen wir letztendlich ein sauberes Image. In der Ausbildung, beispielsweise in meinen Fächern, geht es um die Beschaffenheit und Verarbeitung von Stoffen, aus denen Textilien und Bekleidung hergestellt werden. Das ist für die Schüler ein interessantes Thema und Schnittstelle zum Werterhalt von Textilien. Gleichzeitig sollten wir den Fokus auf den gesellschaftlichen Nutzen textiler Dienstleistungen legen. Wenn Verbraucher verstehen, dass professionelle Textilpflege Geld wert ist, können die Betriebe damit auch Geld verdienen. RWT: Vielen Dank für das Gespräch. Infos: www.berufskolleg-humboldtstr.de