Bundessparte Gewerbe und Handwerk Labile Konjunktursituation

Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk  Foto: WKÖ - © WKÖ

3 Im Rahmen der Konjunkturpressekonferenz in Wien am 4. Juli 2017 betonte die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster: „Die Herausforderungen, denen sich die Betriebe in Gewerbe und Handwerk stellen, werden nicht kleiner. Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern entwickeln sich deutlich besser als Kleinbetriebe unter zehn Mitarbeitern. Wir haben also insgesamt eine labile Konjunktursituation.“ Die Reform der Gewerbeordnung und die Mindestlohneinigung ergeben einen neuen Wettbewerbsrahmen, der arrivierte Betriebe nicht schlechter stellen dürfe. Der Direktor der KMU-Forschung Austria, Walter Bornett, bestätigte: In den vergangenen Jahren ist die Schere zwischen Kleinbetrieben und KMU immer weiter aufgegangen. Mit unter zehn Mitarbeitern seien diese Betriebe die tausende kleinen Punkte auf der Landkarte, ohne die Österreich sehr leer wirken würde. Aus seiner Sicht sei es daher jetzt, da gesamtwirtschaftlich die Konjunktur anspringt, umso wichtiger, diese Kleinbetriebe zu unterstützen. Sowohl Scheichelbauer-Schuster als auch Bornett forderten in diesem Zusammenhang, dass der Handwerkerbonus in der vorliegenden Form mit einer Dotierung von 20 Millionen Euro weitergeführt wird. „Der Handwerkerbonus liefert wesentliche Impulse: Sowohl Österreichs Konsumenten als auch die Betriebe profitieren. Da die wirtschaftliche Situation der Kleinbetriebe sich noch nicht wie gewünscht entwickelt, sollte eine Entscheidung über eine Verlängerung oder sogar Höherdotierung so rasch wie möglich fallen“, so Scheichelbauer-Schuster.

Im Hinblick auf die Reform der Gewerbeordnung betonte die Obfrau, dass die Kostenentlastung für die Betriebe ein „sehr positiver Aspekt“ sei. Im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten, die sich durch die Ausweitung der Nebenrechte und die Gewerbelizenz ergeben, zielt die Bundessparte auf eine Evaluierung der Regelung in zwei bis drei Jahren, um erste Effekte darstellen zu können. Die Fachorganisationen wollen jedenfalls ihre Maßnahmen verstärken, um den Betrieben mehr und zielgenaueres Service hinsichtlich der neuen Gewerbelizenz zu bieten.

Was die Einführung eines Mindestlohns von 1.500 Euro betrifft, wies Scheichelbauer-Schuster darauf hin, dass nach wie vor Branchen wie die Mode- und Bekleidungstechnik, Konditoren oder die Floristen betroffen sind: „Lohnsteigerungen von bis zu 30 Prozent in zwei Jahren sind kein Klacks. Die Kommission zur Evaluierung des Umsetzungsstandes nach 2020 ist jedenfalls ein guter Schritt.“

Im Hinblick auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit hätte das am Tisch gelegene Verhandlungsergebnis den Betrieben vor allem einen wichtigen neuen rechtlichen Rahmen gebracht, um anfallende Arbeit tatsächlich abarbeiten zu können. Auch WIFO-Chef Christoph Badelt hatte darauf hingewiesen, dass „die gegenwärtige Arbeitszeitregelung eine der größten Standortschwierigkeiten ist“. Aus Sicht von Gewerbe und Handwerk ist daraus ein klarer Arbeitsauftrag abzulesen, dieses Thema in den weiteren Verhandlungen auszuarbeiten.

Handlungsbedarf ortet die Obfrau angesichts der nun neu geschaffenen Rahmenbedingungen, was die wirksame Durchsetzung des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes betrifft. Die Lohnschere zwischen Österreich und Ungarn (24 Prozent des österreichischen Einkommens) sowie Slowenien (45 Prozent des österreichischen Einkommens) ist in den vergangenen elf Jahren gleichgeblieben, so Bornett. Genau das sind jene Nachbarländer, aus denen der größte Wettbewerbsdruck auf die Klein- und Mittelbetriebe im Baubereich bzw. Dienstleistungsbereich kommt. Der nun paktierte Mindestlohn in Höhe von 1,500 Euro werde dieses Ungleichgewicht weiter verschärfen. Deshalb sollte es hier rasch zur Schaffung eines europaweiten vollelektronischen Kontrollsystems zur Abfrage der SV-Meldung von im Ausland sozialversicherten Arbeitnehmern kommen, fordert Scheichelbauer-Schuster.

Die Konjunktur der Betriebe in Gewerbe und Handwerk driftet auseinander: Während klassische KMU mit 20 Mitarbeitern und mehr langsam Fahrt aufnehmen, entwickelt sich Kleinstbetriebe nicht wie erwartet, so Bornett. Aktuell sind die Auftragseingänge bzw. Umsätze im ersten Quartal 2017 gegenüber dem ersten Quartal 2016 wertmäßig um 1,5 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Im Handel liegt die nominelle Entwicklung in diesem Zeitraum bei sieben Prozent, bei den Dienstleistungen bei 2,8 Prozent. 22 Prozent der Betriebe in Gewerbe und Handwerk melden für das erste Quartal 2017 Steigerungen um durchschnittlich 11,7 Prozent, bei 58 Prozent der Betriebe lagen die Auftragseingänge auf Vorjahresniveau und 20 Prozent der Betriebe verzeichneten Rückgänge um durchschnittlich 13,9 Prozent. Für das zweite Quartal beurteilen 26 Prozent der Betriebe die Geschäftslage mit „gut“ (Vorjahr: 21 Prozent), 59 Prozent mit „saisonüblich“ (Vorjahr: 54 Prozent) und 15 Prozent der Betriebe mit „schlecht“ (Vorjahr: 25 Prozent), was insgesamt zu einer verbesserten Einschätzung der Konjunktur führt, die sich aber – angesichts der Erwartungshaltung für das dritte Quartal – wieder abschwächt. Positiv zu werten ist, dass die Betriebe insgesamt wieder von einer leicht erhöhten Situation der Personalplanung ausgehen (plus 2,6 Prozent).