Fachkräftemangel Lehrstellenplus in Handwerk und Gewerbe

Handwerk und Gewerbe in Österreich verzeichnen eine Trendwende in Sachen Lehrlingszahlen: Ende Mai 2018 befanden sich 3,2 Prozent mehr in Ausbildung als im Vorjahr. Nichtsdestotrotz spüren die österreichischen Betriebe den Fachkräftemangel, der Arbeitnehmermarkt entwickelt sich weiter. Um dagegenzusteuern, müssen u.a. die Chancen der Digitalisierung genutzt werden.

Es gibt wieder mehr Lehrlinge in Handwerk und Gewerbe. Gleichzeitig ist der Fachkräftemangel allgegenwärtig: Mehr als drei Viertel der Betriebe haben Probleme, Mitarbeiter zu finden. Foto: stock-adobe.com - © geschmacksRaum - stock-adobe.com

Der Fachkräftemangel ist für uns als größter Lehrlingsausbilder im Fokus“, betonte Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), am 26. Juni 2018. „Es ist sehr erfreulich, dass wir eine positive Trendwende bei den Lehrlingszahlen melden können: In der Sparte Gewerbe und Handwerk befanden sich Ende Mai 2018 rund 418 Lehrlinge mehr in der Ausbildung – das entspricht 3,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein wachsender Optimismus im heimischen Gewerbe und Handwerk führt zu einem signifikanten und nachhaltigen Anstieg der Lehrlingszahlen. Im Herbst rechnen wir mit einem Lehrlingsplus von fünf Prozent in der Sparte. Gleichzeitig sehen wir in der aktuellen Konjunkturauswertung, dass der Fachkräftemangel die konjunkturelle Dynamik dämpft.“ Laut Auswertungen der „KMU Forschung Austria“ ist der Fachkräftemangel nur zum Teil saisonabhängig. Der Mangel an Fachkräften entscheidet generell über die betriebliche Dynamik, insbesonders darüber, ob Betriebe Zusatzaufträge annehmen können oder nicht.

Mehr als drei Viertel spüren den Fachkräftemangel

„Wir sehen, dass sich der Trend zum Arbeitnehmermarkt immer weiter verstärkt, mehr als drei Viertel der Betriebe haben mittlerweile Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden“, so Scheichelbauer-Schuster. Problematisch seien Lehrlingsanwärter, bei denen die schulische Vorbildung in vielen Fällen unzureichend ist, die geburtenarmen Jahrgänge und die Wirtschaftskrise, in der die Betriebe ihre Ausbildungsleistung reduziert haben. „Mit der Umsetzung der Ausbildungsreife, um aus der Schule erfolgreich in die Lehre zu starten, kann gemeinsam ein zukunftsweisender Weg eingeschlagen werden“, so die Obfrau.

Digitalisierung als Chance, nicht als Gefahr

Gleichzeitig setze die Bundessparte auf die Digitalisierung, die im Hinblick auf Lehre und Ausbildung positive Impulse bringen soll. „Ich sehe die Digitalisierung nicht als Gefahr. Sie wird uns helfen, interessierte und technikaffine Jugendliche stärker in Ausbildung zu bekommen und die Lehre insgesamt attraktiver zu machen. Es muss nicht jeder Lehrling programmieren können, wir müssen aber die Lehrinhalte so aktuell halten, dass die Jugendlichen in ihrer Ausbildung Spezialisierung und handwerkliche Qualität vereinen können. Und wir müssen schauen, dass wir moderne Kommunikations- und Lernformen erfolgreich mit der Ausbildung verschränken“, betonte Scheichelbauer-Schuster.

Die Obfrau verwies außerdem auf aktuelle Zahlen des Wirtschaftsförderungs­instituts (WIFI), nach denen von September 2017 bis April 2018 knapp 1.100 Unternehmen Förderungen im Rahmen der Aktion „KMU Digital“ für sich oder Mitarbeiter zur Erweiterung der digitalen Kompetenzen beantragt haben. „Digitalisierung ist ein Megathema und unsere Betriebe sehen die Notwendigkeit der Weiterbildung in diesem Bereich. Bisheriges Topthema war – vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – der Bereich Datenschutz.“ So wurden im Rahmen von „KMU Digital“ im Schnitt Kurskosten in Höhe von 1.589 Euro gefördert. „Wir wissen aus Umfragen, dass rund 35 Prozent der Unternehmen der Meinung sind, dass im Management ausreichend Digital-Know-how vorhanden ist, auf Ebene der Mitarbeiter beträgt dieser Wert 21 Prozent. Der Bedarf nach digitaler Weiterbildung ist hoch und wird uns in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen“, so Scheichelbauer-Schuster.

Einfaches Lernen mit Apps

Die Bundesinnung der Chemischen Gewerbe und der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger setzt in der Aufbereitung der Lehrinhalte beispielsweise bereits auf moderne Kommunikationstechniken. „Die Sprachtrainer-App der Innung unterstützt dabei, die allgemeine Sprachkompetenz der Mitarbeiter zu verbessern und fachspezifisches Vokabular zu trainieren: Mit einer bewährten Lernmethodik und der innovativen ,LiveMatch‘-Technologie für interaktives Lernen mit Spaß und besserem Lernerfolg“, erklärte der Vorsitzende der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger Österreichs, Gerhard Komarek. Aufgrund der verschiedenen Nationen der Fachkräfte habe man sich dazu entschieden, über eine App eine gemeinsame Basis zu schaffen. Die Vorteile: Ein in 15 Muttersprachen verfügbarer Fachwortschatz, eine erhebliche Verbesserung der internen Kommunikation und damit der Arbeitsabläufe. Zusätzlich zum umfassenden Basiswortschatz der deutschen Sprache wurde auch ein Fachwortschatz in die Sprachlern-App integriert sowie ein Glossar mit mehr als 1.300 Fachbegriffen der Reinigungs- und Gebäudedienstleisterbranche. Wortkenntnis und Sprachbeherrschung bedeuten für Mitarbeiter und Unternehmen eine Verbesserung der Kommunikation und damit eine Verbesserung der Arbeitsabläufe, eine Erhöhung der Produktivität und Qualität sowie der Mitarbeiterqualifikation. Die Installation ist auf allen gängigen Smartphones mit Android oder iOS möglich.

WKÖ