Innovationen Mikroplastikfilter: Fischkiemen als Vorbild

Die Natur diente neuer Technologie schon oft als Vorbild: Roboter krabbeln wie Spinnen, Schwimmanzüge imitieren die Hautschuppen von Haifischen oder Schutzbekleidung wird den Panzern von Krebsen nachempfunden. Die Natur könnte nun abermals als Inspiration dienen und eine neue Technologie für die Textilpflegebranche hervorbringen: einen Waschmaschinenfilter nach dem Vorbild von Fischkiemen.

Filtrierende Markrelen
Wissenschaftlerin Leandra Hamenn filmt filtrierende Makrelen im SeaLife Oberhausen. - © Jan Hagenmeyer/Uni Bonn

Hinter dem Projekt "FishFlow" stecken Biologen der Universität Bonn, die gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheit- und Energietechnik (UMSICHT) und der Firma Hengst aus Münster eine effiziente. Sie suchen eine nachhaltige und haltbare Lösung für Mikroplastikabrieb beim Waschen.

Jeder Deutsche setzt im Jahr 4 kg Mikroplasik frei

Nach Schätzungen des Fraunhofer UMSICHT setzt jeder Deutsche jährlich rund 4 kg Mikroplastik frei. Die Partikel gelangen über Luft, Boden und Gewässer auch in Organismen. Eine Quelle ist die Waschmaschine: Durch Abrieb von Synthetikfasern während des Waschens strömen mit dem Abwasser winzige Kunststoffpartikel in die Umwelt, so die Forschenden. Pro Waschgang könnten so mehrere Hundert Milligramm synthetische Mikrofasern je Kilogramm Wäsche in die Umwelt entweichen. Im Fokus der Forschenden stehen deshalb Filtertechnologien, die die Verbreitung der unter fünf Millimeter kleinen Kunststoffteilchen unterbinden.

Blick ins Maul einer Sardelle
Blick ins geöffnete Mail einer Sardelle: Die Kiemenbögen haben verlängerte Kiemenrechen mit Dentrikeln und bilden so ein feines Sieb. - © Leandra Hamann/Uni Bonn

Filter: Fischkiemen als Vorbild

Das Team der Universität Bonn nimmt nun das Maul von Fischen als biologisches Vorbild für die neuartigen Filter. "Es gibt viele filtrierende Tiere. Aber der Apparat der Fische – von den Kiemenbögen bis zur Weiterleitung der Nahrung in den Verdauungstrakt – weist im Vergleich die höchste Ähnlichkeit zu den Verhältnissen in der Waschmaschine auf", sagt Professor Dr. Alexander Blanke vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn.

Welche bionischen Filter sind am effizientesten? "Wir haben verschiedene Fische hinsichtlich ihrer Kiemengeometrie vermessen", berichtet Leandra Hamann, die im Team von Blanke promoviert. Aus diesen Werten erstellen die Forschenden Computermodelle der Kiemen, führen Simulationen durch und bauen sie am 3-D-Drucker nach. Daraus gewinnt das Team Daten, welche Filtergeometrien am effizientesten arbeiten. Die bionischen Modelle der Kiemenstrukturen werden im Anschluss sowohl im Strömungskanal als auch in der Waschmaschine getestet.

Welche Tiere Partikel filtern

Hamann forscht schon seit Jahren an der Gruppe der "Suspensionsfresser". Dabei handelt es sich um sehr verschiedene Organismen, von Schwämmen über Fische bis zu Flamingos. "Die Strategien, wie diese Tiere Partikel aus dem Wasser filtern, sind sehr unterschiedlich", sagt die Wissenschaftlerin. Sie hat sich einen Überblick über 35 verschiedene Filterfunktionsarten verschafft. Verlängerte Kiemenrechen mit Dentrikeln z.B. von Sardellen schnitten vielversprechend ab und dienen nun mit als Vorbild für die neuartigen Filter. Diese sollen eine Rückhalteeffizienz von mehr als 90 Prozent aufweisen, so das Ziel der Forschenden.

Um den Transfer vom biologischen Vorbild zum technischen Prototypen zu schaffen, hat sich das Forschungsteam interdisziplinär aufgestellt, die Mitglieder kommen aus der Biologie, den Materialwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften. Da der Filter einen Beitrag zum Umweltschutz leisten soll, spielt auch die Nachhaltigkeit der Filterproduktion selbst eine wichtige Rolle: "Wir werden schon früh bei der Produktentwicklung eine Ökobilanz durchführen, um den ökologischen Nutzen zu bewerten", sagt Dr. Ing. Ilka Gehrke vom Fraunhofer UMSICHT.

Das Projekt "FishFlow" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für ein Jahr mit rund 500.000 Euro gefördert, davon fließen rund 300.000 Euro an die Universität Bonn.