Gewerbe und Handwerke Mit flexibler Arbeitszeit besser reagieren

Mit flexiblen Arbeitszeiten können Betriebe besser auf schwankenden Bedarf reagieren. Foto: Rudie, Fotolia.com - © Rudie, Fotolia.com

3 All Time High in Handwerk und Gewerbe – mit 87 Milliarden Euro erwirtschaftet die Sparte laut Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, ein Fünftel der heimischen Wirtschaftsleistung: „730.000 Beschäftigte und 250.000 Mitglieder zeigen, dass wir attraktiver Arbeitgeber und einer der großen Konjunkturmotoren am heimischen Standort sind.“ Der prognostizierte Konjunkturaufschwung sei aber noch nicht vollständig bei den Betrieben angekommen. Auch wenn für das erste Quartal die Geschäftslage besser beurteilt wird als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, ist rückblickend für 2016 nur eine unterdurchschnittliche Entwicklung gegenüber dem allgemeinen Wirtschaftswachstum festzustellen. „Unsere Mittelbetriebe benötigen Wachstumsverstärker anstatt Wachstumsbremsen“, fordert Scheichelbauer-Schuster. Denn der Rucksack sei durch Bürokratie, Auflagen, Steuern und Abgaben schwer gepackt. Dass Gewerbe und Handwerk sich vor diesem Hintergrund in den letzten Kollektivvertragsabschlüssen gesprächsbereit gezeigt haben, einen politisch geforderten Mindestlohn zeitnah in den kommenden Jahren umzusetzen, ist laut Scheichelbauer-Schuster „ein starkes Signal und Zeichen der unternehmerischen Vernunft“. Diese Vernunft würde sich die Obfrau in Bezug auf die Flexibilisierung der Arbeitszeiten auch von der Gewerkschaft branchenübergreifend wünschen.

Entlastung dringend nötig

In Bezug auf den Mindestlohn seien nicht alle Betriebe in der Lage, die Mehrkosten zu stemmen. „Hauptfokus ist für uns, dass sich die Qualifizierung für die Mitarbeiter lohnt und ein Anreiz besteht, die Ausbildung zum Facharbeiter zu machen“, sagt Scheichelbauer-Schuster. „Unsere Betriebe können aber nicht dafür sorgen, dass den Mitarbeitern mehr Netto vom Brutto bleibt.“ Daher gelte es, rasch eine steuerliche Entlastung von Arbeitnehmern und Betrieben in Angriff zu nehmen. Die Politik dürfe nicht vergessen, dass in Österreich die Löhne 14 Mal ausbezahlt werden, in den Nachbarländern nur zwölf Mal. Ein Mindestlohn von 1.500 Euro, der 14 Mal pro Jahr gezahlt wird, entspreche einem Stundenlohn von 10,10 Euro. Damit liegt er laut Scheichelbauer-Schuster um 14 Prozent über dem deutschen Mindestlohn von 8,84 Euro.

Für Ursula Krepp, Landesinnungsmeisterin und Unternehmerin aus Oberösterreich, steht vor allem das Kostenargument im Vordergrund: „Ein Mindestlohn von 1.500 Euro bedeutet nicht nur, dass untere Lohngruppen angehoben werden. Darüber hinaus kommt es auch zu einer Parallelverschiebung, weil die Löhne qualifizierter Mitarbeiter ebenfalls angehoben werden müssen.“ Damit verdoppele sich die Belastung für die Branche, die teilweise Steigerungen von bis zu 30 Prozent zu verkraften habe. Auch die Gesamtkosten, die der Mindestlohn für den Betrieb verursacht, dürften nicht außer Acht gelassen werden. „1.500 Euro Mindestlohn bedeuten knapp 28.000 Euro Jahreskosten, während nur etwas mehr als 16.700 Euro bei den Arbeitnehmern ankommen“, sagt Krepp. Im internationalen Vergleich liege Österreich damit auf dem zweiten Platz. Betrachtet man die umliegenden Nachbarländer, zeige sich ein Mindestlohngefälle von 12.000 Euro pro Jahr, beispielsweise zu Ungarn.

Besser auf Bedarf reagieren

Gerade auch mit Blick auf Deutschland, das heuer Rekordbeschäftigung erwartet, sei eine Flexibilisierung der Arbeit die richtige Antwort, um als Standort erfolgreich zu sein. „Gesamtwirtschaftlich bessert sich die Konjunktur“, unterstreicht Scheichelbauer-Schuster. „Wann, wenn nicht jetzt, können wir Reformen bei der Arbeitszeit in Angriff nehmen und angesichts eines steigenden Bedarfs an flexiblen Dienstleistungen und der Digitalisierung die Arbeitszeit moderner gestalten?“ Betrachtet man nur die Reinigungsbranche, sei eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf 12 h laut Krepp eine Chance, dringend benötigte Aufträge abzuarbeiten und damit auf den Bedarf zu reagieren. Hinzu kommt: 60 Prozent der Arbeitnehmer in der Reinigungsbranche hätten Migrationshintergrund. Es bestehe vielfach der Wunsch nach längeren, zeitlich zusammenhängenden Urlauben. Gleichzeitig seien die Mitarbeiter bereit, 10 h oder mehr zu arbeiten. In auftragsarmen Zeiten hätte ein flexibles Arbeitszeitmodell den Vorteil, dass etwa in Sommermonaten oder im Winter Mitarbeiter durchgängig in Beschäftigung gehalten werden könnten.

Modernisierung der Arbeitszeiten

Auch Walter Bornett, Direktor der KMU Forschung Austria, plädiert für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten: „Angesichts der immer kürzeren Auftragsbestände sind Betriebe gezwungen, immer flexibler zu reagieren. Eine Modernisierung der Arbeitszeiten wäre hier eine richtungsweisende Maßnahme.“

Infos: www.wko.at