DTV-Geschäftsführer im Interview Andreas Schumacher: Netzwerker im Auftrag der Textilpflegebranche

Netzwerken bleibt menschlich, auch im Zeitalter digitaler Kommunikation. Andreas Schumacher ist der Netzwerker schlechthin. Nachhaltig engagiert er sich für die Stärkung der Verbandsstrukturen im DTV, greift Fäden im Wirtschaftsgeflecht Textilservice auf und verknüpft sie erfolgreich. Darüber reden wir.

DTV-Geschähftsführer im Interview
Vor knapp einem Jahr wurden DTV und Wirtex eins. Seitdem sind die einst entzweiten Verbände zusammengewachsen, ein starkes Netzwerk ist entstanden. - © antishock - stock.adobe.com

Seit dem 1. April 2019 gehen die beiden Branchenverbände Deutscher Textilreinigungs-Verband (DTV) und Wirtschaftsverband Textil Service (Wirtex) wieder einen gemeinsamen Weg. Entstanden ist dadurch der g rößte Verband für die Textildienstleistungsbranche in Europa und eine starke Stimme für die Branche. Geschäftsführer des erweiterten DTV mit mehreren hundert Unternehmen und rund 85 Prozent des deutschen Marktumsatzes bleibt Andreas Schumacher. Im Gespräch mit R+WTextilservice erklärt der Kommunikationsprofi, welche Ziele er sich momentan steckt, worauf es bei der Netzwerkpflege ankommt und wie sich der Verband nach dem Schulterschluss
entwickelt.

R+WTextilservice: Herr Schumacher, verstehen Sie sich als Netzwerker?

Andreas Schumacher: Das trifft es recht gut. Der DTV ist inzwischen ein weit verzweigtes und dichtes Netz aus Unternehmen, Verbänden, Institutionen, Wissenschaft und Politik. Hin und wieder bezeichnet man mich als Lobbyisten, was häufig negativ konnotiert ist. Das sehe ich allerdings anders, denn die Politik in Berlin und Brüssel sorgt für klare Transparenzregeln. Ohne Lobbyisten und Netzwerke wären politische Entscheider oft aufgeschmissen. Bei einem guten Lobbying geht es um fachliche Expertise. Daher: Je stärker und kompetenter das Netzwerk eines Verbandes, umso größer der Einfluss auf politische Entscheidungen.

Deutscher Textilreinigungs-Verband
Seit 2013 ist Andreas Schumacher Geschäftsführer des Deutschen Textilreinigungs-Verbands. - © DTV

Sie sind ein kommunikativer, vermittelnder Mensch, jedoch miteinem durchaus pragmatischen Ansatz. Stimmen Sie uns zu?

Schumacher: Ich versuche es zumindest. Da die meisten Themen unserer Branche komplex sind, brauchen wir die Expertise vonFachleuten. In der politischen Umsetzung jedoch braucht es den Fokus auf strategische Argumente, relevante Entscheider, das Netzwerk an Unterstützern und auch das Quäntchen Glück. Man darf sich auch nicht scheuen, Ziele gegen Widerstände vermeintlich stärkerer Interessengruppen durchzusetzen. Aber der Grundsatz ist natürlich, Interessen zusammenzubringen, zu vermitteln und eine gemeinsame, starke Position zu finden.Offenheit, Beweglichkeit, Kommunikation und Pragmatismus sind für mich Grundvoraussetzungen, um im Netzwerk Ziele zu erreichen. Ein Verband, der vermittelt und Interessen ausgleicht, kann viel stärker auftreten als ein Verband, der zerstritten oder gespalten ist.

Woher kommt denn Ihr Talent zum Netzwerken?

Schumacher: Ob das mein Talent ist, vermag ich nicht zu sagen. Meine unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen und Stationen haben wohl dazu beigetragen. Wie so viele in unserer Branche bin ich vor 16 Jahren quer eingestiegen. Während meines Studiums zum Landschaftsarchitekt habe ich mich parallel mit dem Thema Kommunikation beschäftigt, bei einem Lokalradio eine wöchentliche Sendung mit aufgebaut und mir als Lokaljournalist bei einer größeren Tageszeitung mein Studium finanziert. Im Rahmen meiner Diplomarbeit und meiner Tätigkeit als Journalist wurde ein Verband auf mich aufmerksam, der mich nach meinem Studienabschluss als Pressesprecher engagierte. Kurze Zeit später bekam ich von einer Marketingagentur das Angebot, Kampagnen für Verbände zu entwickeln und zu betreuen. Mein Wissen über die Kommunikation von Verbänden und Unternehmen habe ich in einem Master-Studiengang Corporate Communications an einer englischen Uni vertieft. Mit diesem Abschluss bin ich 2004 als Kommunikationsreferent in der damaligen intex Geschäftsstelle in die Branche eingestiegen.

Sie sind seit 2013 Geschäftsführer des DTV, inzwischen Hauptgeschäftsführer. Was hat sich verändert?

Schumacher: Der DTV und auch die DTV-Geschäftsstelle haben sich vergrößert und verändert, unsere Veranstaltungen werden zahlreicher und größer, mehr und mehr Themen kommen dazu. In den vergangenen Jahren haben wir zudem mehrere Geschäftsführungen kleinerer Verbände/Innungen übernommen. Meine eigene Kapazität reichte nicht aus, um überall dieGeschäftsführung mit der gebotenen Tiefe wahrzunehmen. Mit Daniel Dalkowski haben wir jemanden im Team, der beim DTV so viel Erfahrung in der Verbandsarbeit gewonnenhat, dass er für den OTV, den NRW-Landesverband und seit Anfang letzten Jahres bei der EFIT die Aufgaben eines Geschäftsführers übernommen hat – natürlich mittatkräftiger Unterstützung aus dem DTV-Team. Ich selbst führe neben den Geschäften des DTV und der ETW GmbH noch die des Hessischen Textilreinigungsverbandes sowie derTextilreiniger-Innung Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Inhaltlich ist die Palette der Themen sehr stark angewachsen in der Zeit, was auch eine Vergrößerung des Teams zur Folge hatte.

Darüber hinaus engagieren Sie sich in diversen anderen Gremien.

Schumacher: Der DTV pflegt enge Kooperationen und Mitgliedschaften mit anderen Verbänden und Organisationen, da bleibt das nicht aus. In manchen Fällen ist damit eine Funktion oder ein Amt eines DTV-Vertreters innerhalb verbunden. So engagiert sich beispielsweise unser DTV-Präsident Friedrich Eberhard seit vielen Jahren als Vorstandsmitglied im Unternehmerverband Deutsches Handwerk. In Brüssel nehme ich häufig Funktionen für den DTV wahr, unter anderem als Mitglied im Vorstand von Small Business Standards(SBS) und nehme an einigen europäischen Gremien teil, in denen wichtige Entscheidungen für unsere Branche getroffen werden, unter anderem auch in der Normungsarbeit.

Eine Aufgabe, die mir besonders am Herzen liegt, ist mein Engagement als Vorsitzender im Prüfungsausschuss der Textilreiniger-Meisterprüfungskommission der HandwerkskammerFrankfurt- Rhein-Main seit 2014. Es ist unglaublich befriedigend, zur Entwicklung von Fachkräften für unsere Branche einen kleinen Teil beizutragen. Darüberhinaus bin ich in Gremien des Gesamtverbands textil+ mode, der National Associations innerhalb der ETSA, im Beirat der Maria-und- Otto-Heynen-Stiftung, die Stipendien fürStudienarbeiten in unserer Branche vergibt, und in manchen Fachausschüssen beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Es gibt zudem Kollegen aus der DTV-Geschäftsstelle, die Funktionen in Partnerorganisationen wahrnehmen oder sich in Arbeitskreisen engagieren.

Welche Netzwerkpartner sind darüber hinaus relevant?

Schumacher: Wichtig sind die Dachverbände wie der ZDH/UDH, ETSA und SBS, Branchenverbände wie textil+mode, die EFIT, die Gütegemeinschaft, intex, German Fashion oder der VDMA.International sind es die europäischen und internationalen Textilpflegeverbände und Fachverbände wie SME Safety oder Ginetex. Wichtig für uns sind zudem die Forschungs-und Testinstitute der Branche, das Forschungskuratorium textil oder unser Tarifpartner DHV. Für den Bildungsbereich sind es Einrichtungen wie die Berufsschulen und seit einiger Zeit engagieren wir uns bei WorldSkills Germany.

Und welche Ziele streben Sie derzeit an?

Schumacher: In den ersten Jahren habe ich mich vor allem auf drei Ziele konzentriert und diese umgesetzt: die Präsenz und den Einfluss des DTV in Berlin und Brüssel zu erhöhen,die internen Strukturen des DTV neu aufzustellen und die Informationspolitik zu verbessern. Es galt, den Rückhalt bei Mitgliedern zu stärken und neue Mitglieder zugewinnen. Das ist mir mit Unterstützung aus dem Präsidium und dem Engagement meines Teams in der Geschäftsstelle gelungen. Dank gefestigter Strukturen, einer besseren Personalsituation und einer intensiveren Kommunikation mit den Mitgliedern ist auch unser Ansehen gestiegen. Inzwischen nehmen wir Einfluss auf Gesetze und Normen und können unsere Mitgliedsunternehmen in ihren Märkten stärker unterstützen.

Aktuell sind wir wieder dabei, die internen Strukturen weiter auszubauen, nach dem Zusammenschluss der Verbände. Und unser Angebot für die Mitglieder auszuweiten. Wir haben zudem die berufliche Bildung und den Fachkräftemangel ins Visier genommen. Mit Bilal Uğurlu als Referent haben wir uns personell verstärkt und arbeiten nun gemeinsam mit europäischen Partnern an einer digitalen Lernplattform für unsere Branche. Insgesamt wollen wir uns so aufstellen, dass wir in der Lage sind, bei der Vielzahl an politischen, sozialen und technologischen Fragestellungen, unsere Mitgliedsunternehmen bestmöglich zu beraten und zu vertreten.

Ein Netzwerk schadet nur dem, der es nicht hat. Ist das auch Ihr Fazit?

Schumacher: Ja, denn positiv ausgedrückt bedeutet diese Redewendung: Offen sein für neue Partner und Allianzen, neue Projekte. Wer ein Netzwerk verstärken oder ausbauen will,sollte sich nicht scheuen, Partner zu suchen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht wie die natürlichen Partner aussehen. Ein Beispiel: Im Rahmen meiner europäischen Normungsarbeit komme ich mit Vertretern unterschiedlichster Branchen zusammen. Wenn ich offen für deren Anliegen bin und bereit, sie zu unterstützen, kann ich in kritischen Situationen auch mit deren Unterstützung rechnen. Wie beispielsweise bei der Diskussion um den Normentwurf für Schmutzfangmatten im Sommer. Ein europäisches Normungsgremium wollte vorschreiben, dass Schmutzfangmatten in Eingangsbereichen am Boden befestigt werden müssten.

Als DTV haben wir uns gemeinsam mit ETSA und anderen Verbänden in Europa abgestimmt und gemeinsam Position dagegen bezogen. Durch langjährige Kontakte, die wir über SBS haben, wurden wir plötzlich von anderen Branchen unterstützt, der Baubranche beispielsweise. Mit diesen breiten Schultern konnten wir erreichen, dass der entsprechende Normungsentwurf überarbeitet und ins Gegenteil umgekehrt wurde. Und zwar insofern, dass er nun Anforderungen für Schmutzfangmatten beschreibt, die beispielsweise eine regelmäßige Pflege der Matten beinhaltet. Das bestärkt mich in meiner Strategie, die darauf abzielt, ein großes, stabiles und auf dauerhafte Partnerschaften ausgelegtes Netzwerk für den DTV zu entwickeln.

Welche Rolle spielt dabei der Mensch Andreas Schumacher?

Schumacher: Erfolgreiche Netzwerkarbeit hängt stark von den Menschen ab. Wer sich gut leiden kann, arbeitet gerne zusammen – über Organisationsgrenzen hinweg. Es menschelt überall. Für mich gilt: Ich habe nicht nur eine Funktion, sondern bin zuallererst ein Mensch, der Wert darauf legt, Menschen zu begegnen und nicht Funktionsträgern. Ich kommuniziere gerne und bin durch alle Begegnungen heute reicher an Erfahrung und Dankbarkeit. Und auch in der Geschäftsstelle menschelt es: Wir sind ein großartiges Team aus den unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Die starke Unterstützung der Branche hat mich gelehrt, dass wir mit Geduld, kontinuierlicher Arbeit und einem stabilen Netzwerk gemeinsame Ziele erreichen können. Abgesehen davon, dass ich auch fachlich immer dazulerne.

Welchen Herausforderungen müssen sich der DTV und die Branche künftig stellen?

Schumacher: Wir stehen vor einem technologischen Wandel. Es geht um Themen wie Robotik, einen Wandel in der Logistik, intelligente Textilien, den Umgang mit Daten oder die Verringerung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen. Gesellschaftlich gesehen bleibt der demografische Wandel eine Herausforderung. Der Kampf um die Arbeitskräfte hat bereits begonnen. Wir starten in ein Jahrzehnt, in dem es zwei deutliche Grenzen für das Wachstum geben wird, für die wir noch keine Lösungen haben: eine Verringerung der verfügbaren Arbeitskräfte und die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Für den DTV bedeutet dies, intern wie extern daran mitzuwirken, die politischen undwirtschaftlichen Weichen so zu stellen, dass unsere Mitglieder diesem Wandel erfolgreich begegnen und Lösungen entwickeln können. Unsere Branche hat sich in derVergangenheit als anpassungsfähig gezeigt und verfügt über erfolgversprechende und nachhaltige Geschäftsmodelle. Daher bin ich sehr zuversichtlich.

Woher nehmen Sie den Elan für Ihr persönliches Engagement?

Schumacher: Ein tolles Team und gutes Arbeitsklima sind für mich die wichtigsten Voraussetzungen, um die zahlreichen Themen, Projekte und Veranstaltungen bewältigen zu können. Als passionierter Bahnfahrer erledige ich vieles im Zug und unser Team in der Geschäftsstelle arbeitet laufend daran, unsere internen Prozesse zu verbessern und die Aufgaben sinnvoll untereinander aufzuteilen. Ich kann Arbeiten an mein kompetentes und zuverlässiges Team abgeben. Wir alle haben Spaß an unserer Arbeit, an den Themen und daran, mit anderen zusammenzuarbeiten und die Mitgliedsunternehmen zu unterstützen. Ich liebe, was ich tue, und neige dazu, Menschen für unser Team zu engagieren, die Ideen haben, sich entwickeln wollen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Außerdem schaue ich mir auch nach Jahren gerne noch etwas von anderen ab.

Diese Haltung erfordert soziale Kompetenz und diplomatisches Geschick, Sie besitzen beides. Wo hört Ihr Verständnis auf?

Schumacher: Dort, wo es nicht mehr um die Sache geht, sondern darum, andere Personen herabzusetzen oder den Verband als Ganzes schlechtzumachen. In der Regel beende ich eine solche Zusammenarbeit oder distanziere mich davon, weil es weder für den Verband noch für die Branche produktiv ist. Wenn es jedoch gute Sachargumente gibt – auch wenn sie nicht meiner Sichtweise entsprechen – dann freue ich mich immer darüber, über die fachlichen Argumente und einen guten Diskurs zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen.

Ein großer Erfolg war der Zusammenschluss mit WIRTEX im März 2019. Was kann der "neue" DTV heute leisten?

Schumacher: Dieser Erfolg hatte einige Väter und Mütter, die im Hintergrund auf beiden Seiten viel geleistet haben. Die neue Stärke des DTV liegt jetzt in dem Angebot umfangreicherer direkter und indirekter Leistungen für jedes einzelne Unternehmen und Vorteilen für die gesamte Branche. Dazu gehören Rechtsberatung, Verbandszertifizierung, Seminare und Workshops, Fachveranstaltungen und Messereisen, die Beratung unserer Informationsstelle und Hilfestellung bei der Ausbildung. Wir unterstützen unsere Mitglieder bei der Unternehmensnachfolge und -übergabe, bieten Muster- oder Rahmenverträge mit günstigen Konditionen bei Zulieferern. Unsere Tarifgemeinschaft Tatex bietet einen gesicherten Tarifvertrag und eines Sozial-Testat. Im ideellen Bereich sind es der Fachaustausch mit Kollegen, Informationen zu technischen, betriebswirtschaftlichen oder gesetzgeberischen Neuerungen in unserem Newsletter oder Rundschreiben sowie die Einflussnahme auf Gesetze und Normen.

Wir stellen Kontakte zu Instituten, Verbänden und Experten bei Fachfragen und Problemen her. Und bieten die berufliche Qualifikation durch den DTV-Meisterkurs sowie Einstiegshilfen und -qualifikationen für ungelernte Mitarbeitende, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Heute repräsentieren wir mit unseren Mitgliedsunternehmen zwischen 80 und 90 Prozent des Branchenumsatzes in Deutschland und sind damit für Politik und Behörden ein ernstzunehmender Partner. Im internationalen Vergleich ist der DTV nun der zweitgrößte nationale Verband für die Textilpflegebranche, nach dem amerikanischen TRSA. Das betrachte ich tatsächlich als das Ergebnis erfolgreicher strategischer Netzwerkarbeit und des Erfolges, einen starken gemeinsamen Branchenverband zu bilden.