Hohenstein "Unternehmer haben ein neues Selbstwertgefühl"

Im Gespräch mit R+WTextilservice lässt Dr. Timo Hammer, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege e.V., das Corona-Jahr 2020 Revue passieren. Ein Gespräch über die Veränderung der Branche in der Krise, die Zusammenarbeit mit dem DTV und ein ganz neues Selbstwertgefühl.

Dr. Timo Hammer
Dr. Timo Hammer ist Leiter des Bereichs Life Science & Care bei Hohenstein sowie Geschäftsführer der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege e.V. - © Hohenstein

"Es war ein spannendes Jahr", resümiert Dr. Timo Hammer. Als CEO von Hohenstein Life Science & Care und Geschäftsführer der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege e.V. ist Hammer nah dran an den Problemen, Wünschen und Sorgen der rund 400 Mitgliedsbetriebe der Gütegemeinschaft, die sich die Qualitätssicherung in den Betrieben auf die Fahnen geschrieben hat. Worauf Hammer im Jahr 2019 stolz ist, welche Entwicklungen er in der Textilpflegebranche beobachte und wie sich die neue Bedeutung von Hygiene in Wäschereien nutzen lässt.

R+WTextilservice: Herr Hammer, wie haben Sie die Branche seit Beginn der Pandemie erlebt?
Dr. Timo Hammer:
Am Anfang, im Februar und März 2020, herrschte ein enormer Informationsbedarf. Wir haben es gar nicht geschafft, alle Anfragen unserer Mitglieder und aus der Branche zu bedienen. Wir haben aber schnell reagiert, da bin ich auch ein bisschen stolz. Sechs Wochen bevor die Politik den ersten Lockdown beschlossen hat, hatten wir auf unserer Website viele Informationen zum Umgang mit Corona und mit Wäsche, die potenziell coronaverseucht ist. Es herrschte eine große Verunsicherung, viele praktische Fragen zum alltäglichen Umgang kamen auf.

Im Frühjahr folgte eine Phase, in der durch den ersten Lockdown eine wirtschaftliche Verunsicherung dazukam. Wir bekamen viele Fragen in Richtung Systemrelevanz und Mitarbeiterführung: Was mache ich, wenn meine Mitarbeiter nicht mehr herfahren dürfen? Was passiert, wenn meine Kinder nicht betreut sind? In dieser Phase tauschten wir uns eng mit dem Deutschen Textilreinigungs-Verband (DTV) aus. Viele dieser Fragen sind beim DTV besser aufgehoben als bei der Gütegemeinschaft. Wir haben weiterhin Hygienefragen beantwortet und gemerkt, dass die Mitglieder dafür auch enorm dankbar waren. Es folgte eine Phase im Mai und Juni, in der zahlreiche Wäschereien einfach geschlossen waren. Wir konnten wochenlang keine Begehungen machen. Zu dieser Zeit wurde noch mal deutlich, dass die Umsatzerwartungen zurückgehen, man wusste nicht, wie lange die Betriebe geschlossen sein werden.

Eigentlich hat es die ganze Branche betroffen, auch die Wäschereien, die für Krankenhäuser gewaschen haben: Operationen wurden verschoben und Betten freigehalten. Dadurch
ist weniger Wäsche angefallen. Die Wäschereien, die für Hotels waschen, hatten den Betrieb ohnehin weitestgehend heruntergefahren. Über den Sommer konnten Wäschereien,
die für Hotels in touristisch beliebten Gebieten waschen, dann aufatmen. Viele Menschen haben in Deutschland Urlaub gemacht. Die Betriebe haben uns signalisiert: Jetzt geht es aufwärts, wir kommen kaum mehr hinterher. Gleichzeitig sind die Fragen zum täglichen Umgang und zur Hygiene in den letzten Monaten zurückgegangen. Da ist viel Information geflossen, die Branche ist sich sicherer in dem, was sie tut.

Vor allem das Thema Systemrelevanz spielte zu Beginn eine große Rolle.
Auf kommunaler Ebene kümmert sich niemand um die Wäschebeschaffung, weil es einfach keinen interessiert. Selbst in den Gesundheitsämtern war es nur ein Randthema. Da musste man einfach mal laut werden. Die Gütegemeinschaft hat deshalb aktiv jedes Gesundheitsamt in Deutschland angeschrieben und sie informiert, wie wichtig es ist, dass die Wäschereien weiterarbeiten können, weil sonst der gesamte Betrieb im Gesundheitswesen zusammenbricht. Wäsche war bisher in den Krankenhäusern nur ein Kostenfaktor. Jetzt rückt das Thema mehr in den Fokus.

Sie würden also sagen, dass die Wäschereien erfolgreich in den Blick der Öffentlichkeit gerückt wurden?
Es wurde ein guter Schritt vorwärts gemacht, aber es ist noch viel zu tun. Ich finde, es ist richtig, was der DTV gerade macht. Den Finger in die Wunde legen und zeigen: Wir haben schwarz auf weiß, was gerade so passiert und wie wichtig professionelle Dienstleister sind. Wäsche ist ein greifbares Thema und es ist gut, dass es jetzt mehr in den Mittelpunkt gerückt wird.

Nun stecken die Wäschereien bereits im zweiten Lockdown.
Dieser zweite Lockdown trifft die Branche natürlich extrem hart. Es gibt viele, die den ersten Lockdown gerade so überstanden haben. Diese Betriebe sind jetzt richtig gebeutelt – und kämpfen. Für einige ist die Situation existenzbedrohend. Was sich aber gleichzeitig entwickelt, ist ein größeres Selbstwertgefühl. Die Unternehmer gehen jetzt auch mal zum Bürgermeister und sagen: "Jetzt hör mal zu. Wenn ich aufhöre zu waschen, hat das städtische Krankenhaus morgen keine Wäsche mehr." Es ist ein höheres Selbstwertgefühl entstanden.

Wie ist die Situation im Moment, was treibt die Wäschereien um?
Was wir bundesweit gerade erleben, sind die Auswüchse des Föderalismus. Fast jede Kommune hat ihre eigenen Regeln. Es ist eine Herausforderung für die Betriebe, dass es keine bundeseinheitliche Regelung mehr gibt, wie gearbeitet werden soll und muss. Wir empfehlen allen Mitgliedern: Kontaktieren Sie Ihr örtliches Gesundheitsamt rechtzeitig und machen Sie klar, welchen Stellenwert Sie haben. Dabei geht es um die Absicherung, dass im Lockdown weitergearbeitet werden darf und um Dinge wie Kinderbetreuung, denn: Wenn die Eltern ihre Kinder nicht betreut bekommen, können sie nicht zur Arbeit kommen. Ansonsten sehen wir gerade vermehrt Interesse am Thema Hygiene generell. Wir haben plötzlich auch Anfragen von Wäschereien, die bisher nicht Gütezeichen-Mitglied sind. Die finden das System gut und lassen sich informieren. Und das nicht nur in Deutschland. Anfragen kommen auch aus dem Ausland, z.B. aus der Schweiz oder Frankreich. Wir konnten in der letzten Zeit auch neue Mitglieder gewinnen.

Der Stellenwert der Gütegemeinschaft ist in Zeiten von Corona also besonders hoch?
Ja, er ist gestiegen. Die Mitglieder haben das Gütezeichen stark zu schätzen gelernt. Denn sie werden von ihren eigenen Kunden, z.B. von Krankenhäusern und Hotels, mit Fragen zu Corona bombardiert. Jetzt konnten sie ihr Gütezeichen herausziehen und sagen: "Wir waschen schon immer Viruzid desinfizierend. Und das nachweislich. Wir werden streng überwacht, ihr braucht euch keine Sorgen machen." Das wurde uns auch gespiegelt von den Mitgliedern. Vie