Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) Verschärfte Maßnahmen beschlossen

Unter Sozialbetrug versteht das SBBG unter anderem die organisierte Schwarzarbeit. Foto: DDRockstar, Fotolia.com - © DDRockstar, Fotolia.com

3 Das Anfang Juli 2015 im Nationalrat beschlossene Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) dient der Verhinderung und Verfolgung von Sozialbetrug, insbesondere durch Scheinunternehmen. Im Sinne eines fairen Wettbewerbs und der Finanzierbarkeit des Sozialstaats sieht das Gesetz Maßnahmen für wirksamere Kontrollen und eine verbesserte Behördenkooperation vor. Unter Sozialbetrug versteht das SBBG insbesondere die strafrechtlich verbotenen Handlungen

  • des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung, d.h. die Nicht-Weiterleitung von Sozialversicherungsbeiträgen, die man vom Dienstnehmer einbehalten hat;
  • des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, d.h. die Anmeldung mit dem Wissen, dass die Beiträge und Zuschläge nicht vollständig geleistet werden sollen und dann auch tatsächlich nicht vollständig geleistet werden und
  • der organisierten Schwarzarbeit, d.h. die gewerbsmäßige Anwerbung, Vermittlung oder Überlassung von Personen zur selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung oder ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung sowie die Beschäftigung oder Beauftragung einer größeren Zahl illegal erwerbstätiger Personen
  • sowie die Anmeldung von Personen zur Sozialversicherung mit dem Vorsatz, Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbststän­dige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Um dies zu verhindern und zu verfolgen, sollen u.a. Behörden und Einrichtungen besser zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen und bei Vorliegen eines Sozialbetrugsverdachts Behörden und Einrichtungen über die beim Finanzministerium angesiedelte Sozialbetrugsdatenbank einander Informationen und Daten zur Verfügung stellen. Des Weiteren führen die Krankenversicherungsträger zur Ergreifung von Maßnahmen gegen Sozialbetrug, aber auch etwa zur Prüfung einer Insolvenzgefahr oder des Melde- und Beitragszahlungsverhaltens Risiko- und Auffälligkeitsanalysen im Dienstgeberbereich durch.

Im Fokus der im SBBG beschlossenen Maßnahmen steht die Bekämpfung von Scheinunternehmen. Dies sind Unternehmen, die vorrangig darauf ausgerichtet sind:

  • Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmern zu verkürzen oder
  • Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Scheinunternehmen schneller identifizieren

Um Scheinunternehmen schneller zu identifizieren und zu verfolgen, sieht das Gesetz ein beschleunigtes Verfahren vor:

  • Bei begründetem Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist dieses über den Verdacht schriftlich zu informieren.
  • Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch bei der Abgabenbehörde erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache des Rechtsträgers oder dessen organschaftlichen Vertreters erfolgen.
  • Wird kein Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen als Scheinunternehmen gilt. Der rechtskräftige Bescheid ist allen betroffenen Behörden und Einrichtungen zu übermitteln.
  • Wird Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid festzustellen, ob das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht vorliegt, als Scheinunternehmen gilt.
  • Das Finanzministerium hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens).
  • Handelt es sich beim Scheinunternehmen um einen im Firmenbuch eingetragenen Rechtsträger, ist der rechtskräftige Bescheid oder die Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Abgabenbehörde auch dem zuständigen Firmenbuchgericht zu übermitteln.
  • Die Anmeldung von Dienstnehmern durch Unternehmen, die bescheidmäßig als Scheinunternehmen festgestellt wurden, ist nicht mehr möglich.

Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der auftraggebende Unternehmer, wenn er zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim auftragnehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürge und Zahler nach § 1357 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer.

Für die vermeintlichen Dienstnehmer eines rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmens erlischt die Pflichtversicherung:

  • wenn sie der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen und
  • wenn sie nicht glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet haben.

Haben Personen, die der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger rechtzeitig nachgekommen sind, glaubhaft gemacht, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens verrichtet zu haben, so hat der Krankenversicherungsträger den Dienstgeber dieser Personen zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, so gilt – ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens – als Dienstgeber das auftraggebende Unternehmen, wenn es wusste oder wissen musste, dass es sich beim auftragnehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelt, und nicht beweist, von diesen Personen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten.

Im Bereich des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes wurden einige Änderungen vorgenommen, etwa dass der Arbeitnehmer durch das Kompetenzzentrum LSDB oder den Krankenversicherungsträger über eine gegen seinen Arbeitgeber erstattete Anzeige wegen Unterentlohnung zu informieren ist.

Neben den bereits erwähnten Maßnahmen gegen Sozialbetrug wurden auch drei weitere Betrugsbekämpfungsmaßnahmen aufgegriffen:

  • Krankenstandmissbrauch,
  • Leistungsmissbrauch durch Gesundheitsdienstleister und
  • unrechtmäßige Verwendung von e-Cards.

Die missbräuchliche Verwendung von e-Cards soll durch verstärkte Identitätskontrollen der Patienten durch den Gesundheitsdienstleister (niedergelassener Arzt, Krankenhaus etc.) erfolgen.

Kontrollen der Gesundheitsdienstleister

Krankenstandmissbrauch und Leistungsmissbrauch sollen durch verstärkte Kontrollen der Gesundheitsdienstleister durch die Gebietskrankenkassen (GKK), insbesondere durch das Instrument des sogenannten Mystery Shoppings, erfolgen. Beim Mystery Shopping geht es um den Einsatz von Testpatienten der GKK, die gezielt kontrollieren sollen:

  • ob eine Krankschreibung rechtswidrig erfolgt (etwa wenn die Sprechstundenhilfe die Krankenstandbescheinigung ausstellt, ohne dass der Arzt den Patienten gesehen hat, oder wenn der Arzt dem Patienten auf dessen Ersuchen, „blau zu machen“, eine Krankschreibung ausstellt) oder
  • ob eine Leistungsabrechung rechtswidrig erfolgt (Ärzte rechnen mehr oder teurere Leistungen ab, als an den Testpatienten erbracht wurden).

Eine konsollidierte Fassung des Gesetzes finden Sie auf der Internetseite der WKÖ.

Infos: www.wko.at

www.wko.at/sozialbetrugsbekaempgungsgesetz