„Wasch-Ecke“ Stuttgart Vom Bistro zur Wäscherei

Das Bistro „Einstein“ in Stuttgart ist eine Institution: Vor allem französische und frankophone Gäste haben das Lokal zu ihrem Treffpunkt gemacht. Viele der Kunden fragten Inhaberin Irina Dörr, wo man in der Nähe Wäsche waschen könne. Daraus entstand eine neue Geschäftsidee.

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    1Die „Wasch-Ecke“ ist mit sechs Miele-Waschautomaten ausgestattet.
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    2Inhaberin Irina Dörr (li.) und die gute Seele der „Wasch-Ecke“, Ionica Marculescu (re.).
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    3In der Warteecke können es sich die Kunden bequem machen.

Vom Bistro zur Wäscherei

Es ist verlockend: Man sitzt im warmen Bistro, genießt einen Café au Lait und Crêpes, während sich ein paar Ecken weiter im Waschsalon die Wäsche in der Maschine dreht. Irina Dörr verknüpfte auf diese Weise das Angenehme mit dem Nützlichen. Das Bistro „Einstein“ in der Stuttgarter Altstadt zieht seit nunmehr einem Jahrzehnt unter ihrer Regie die Gäste an. Das Publikum ist bunt gemischt – von jung bis alt.

Die meisten der Bistrobesucher verbindet eine Beziehung zu Frankreich. So kommen vor allem französische Austauschstudenten immer wieder in das „Einstein“.

Diese Gäste verhalfen Irina Dörr auch zu ihrem zweiten geschäftlichen Standbein. Immer wieder fragten sie, wo denn in der Nähe ein Waschsalon sei. Eine eigene Waschmaschine hatten die meisten Studenten nicht. Die Geschäftsfrau kam schnell auf die Idee, nur einen Steinwurf von ihrem Bistro entfernt einen Waschsalon zu eröffnen. Das war vor acht Jahren. Erfahrung in der Reinigungsbranche brachte die geschäftstüchtige Inhaberin ebenfalls mit: Sie arbeitete zuvor im Nebenjob schon halbtags in einer chemischen Reinigung.

Die „Wasch-Ecke“ befindet sich heute – wie der Name vermuten lässt – in einem Eckhaus an der Stuttgarter Katharinen- und Lazarettstraße. So ist das Ladenlokal schon aus der Distanz von zwei Seiten zu erkennen. Die Kunden können ihre Wäsche selbst am Automaten waschen und trocknen lassen. Für saubere Textilien stehen sechs industrielle Waschmaschinen von Miele und fünf Trockner des gleichen Herstellers parat. Auch Waschpulver und Weichspüler werden bei Bedarf bereitgehalten. Längst hat sich im Viertel jedoch herumgesprochen, dass die „Wasch-Ecke“ noch mehr Leistungen bietet.

Die meisten Kunden bringen ihre Schmutzwäsche einfach vorbei und holen sie sauber und auf Wunsch gebügelt wieder ab. Den sorgfältigen Umgang mit der Wäsche garantiert Ionica Marculescu, die „gute Seele“ der „Wasch-Ecke“. Sie bedient die Kunden immer vormittags, während nachmittags Aushilfen den Service übernehmen. Ionica Marculescu hat viele Aufgaben: Sie hält das Geschäft sauber, putzt nach jedem Waschgang die Maschinen und wäscht, bügelt oder mangelt die angelieferten Textilien. Die Kunden schätzen außerdem sehr, dass ihnen in der „Wasch-Ecke“ immer jemand mit Rat und Tat zur Seite steht. Wer selbst auf die Wäsche warten will, kann sich in einer gemütlichen Warteecke niederlassen und die Zeit mit Lesen vertreiben. „Viele Studenten kommen her und machen ihre Aufgaben, bis die Wäsche durchgelaufen ist“, erzählt Irina Dörr.

Zu den Kunden zählen jedoch nicht nur die Studenten, die selbst keine eigene Waschmaschine nutzen können. Auch die umliegenden Bistros und kleinen Läden lassen bei Irina Dörr waschen. „Der Preis fürs Waschen, Trocknen und Falten ist nicht wesentlich höher als der für das Automatenwaschen“, erklärt die Inhaberin. Viele Kunden schätzen daher den Service, die Wäsche einfach dazulassen und sie sauber wieder abzuholen. Wenn es schnell gehen muss, können sie das drei Stunden nach der Anlieferung tun; ansonsten wird die Wäsche meist morgens gebracht und abends abgeholt. In der gewonnenen Zeit können die Kunden etwas anderes erledigen – in der sicheren Gewissheit, dass ordentlich gewaschen wird und nichts abhanden kommt.

Immer mehr Kunden lassen ihre Oberhemden außerdem direkt in der „Wasch-Ecke“ bügeln. „Wir waschen die Hemden erst und bügeln sie anschließend von Hand“, beschreibt Irina Dörr. Das sei sorgfältiger als der Einsatz von Bügelautomaten. Die Trommeln sind in der „Wasch-Ecke“ montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr und samstags bis 20 Uhr geöffnet. Längere Zeiten hatten sich nicht gerechnet. Für eine Waschmaschinen-Ladung bezahlen die Kunden 5 Euro, das Trocknen kostet 1 Euro für zehn Minuten. Der Komplettservice mit Waschen, Trocknen und Legen inklusive Waschmittel und Weichspüler schlägt pro Wäschekorb mit 13 Euro zu Buche.

Die derzeit schwierige wirtschaftliche Situation habe sich in erster Linie auf das Bistro niedergeschlagen, berichtet die Geschäftsfrau weiter. Die „Wasch-Ecke“ laufe dagegen nach wie vor gut. Darauf ist Irina Dörr stolz, denn gerade die Anfangszeit mit dem Abzahlen der Kredite sei „ein Kampf“ gewesen. Stolz ist die Inhaberin auch, dass sich die Wäscherei seit acht Jahren am gleichen Standort etabliert hat. Zuvor hätten die Pächter fast halbjährlich gewechselt; ein Waschsalon sei jedoch noch nie in dem Ladenlokal beheimatet gewesen.

Für die Zukunft plant Irina Dörr die Anschaffung einer weiteren Waschmaschine speziell für Bettdecken. Bistro und „Wasch-Ecke“ seien ihre Existenz, dafür nimmt sie auch 16 Stunden an sieben Tage in der Woche in Kauf. Vormittags ist die Inhaberin meist in der „Wasch-Ecke“, ab Mittag kümmert sie sich um das Bistro „Einstein“. Treue „Einstein“-Gäste genießen einen besonderen Service: Sie können ihre Schmutzwäsche einfach im Bistro abgeben und gewaschen und gebügelt dort wieder abholen. So werden Café au Lait und Crêpes zur ganz besonderen Verlockung.Sandra Küchler