Verkehrsunternehmensregister Vorsicht bei Verstößen

Das Risikoeinstufungssystem kategorisiert Unternehmen anhand ihrer Verstöße gegen EU-Vorschriften. Foto: pixelfreund – stock.adobe.com - © pixelfreund - stock.adobe.com

3 Zum 3. Februar 2014 ging das Verkehrsunternehmensregister (VUR) in Österreich in Betrieb. Es besteht aus der Verkehrsunternehmensdatenbank (VUR-VDB) und der Kontrolldatenbank (VUR-KDB; Risikoeinstufungssystem). Die beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) eingerichtete Kontrolldatenbank dient der Umsetzung des Risikoeinstufungssystems, welche den Mitgliedstaaten europarechtlich durch die Bestimmungen der Kontrollrichtlinie (RL 2006/22/EG) verpflichtend vorgeschrieben wurde. In der Kontrolldatenbank werden Verstöße gegen die EU-Sozialvorschriften zum Zweck einer automatisierten Risikoeinstufung von Unternehmen mit Sitz in Österreich erfasst, die als Basis für die Kontrollen der Arbeitsinspektion dient.

Seit 1. Juli 2017 werden in der Kontrolldatenbank zusätzlich auch die in Anhang I der Verordnung (EU) 2016/403 („Liste schwerwiegender Verstöße“) enthaltenen Verstöße erfasst. Davon ausgenommen sind derzeit noch die Verstöße gegen die EU-Richtlinien zur regelmäßigen technischen Überwachung und zur technischen Unterwegskontrolle (Verstöße wegen technischer Mängel des Fahrzeugs sowie gegen die Ladungssicherung). Diese werden erst ab 20. Mai 2018 bzw. 20. Mai 2019 vom Risikoeinstufungssystem erfasst.

Was versteht man unter Risikoeinstufungssystem?

Unter Risikoeinstufung versteht man eine Kategorisierung von Unternehmen auf Basis der dem jeweiligen Unternehmen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zuzurechnenden Verstöße gegen die EU-Sozialvorschriften (Lenk-und Ruhezeitenverordnung 561/206, Kontrollgerätverordnung 165/2014) und die seit 1. Juli 2017 neu hinzugekommenen Verstöße des Anhangs I der Verordnung (EU) 2016/403. Ziel der behördlichen Risikoeinstufung ist, Unternehmen mit hohem Risiko im Wege von Kontrollen auf dem Betriebsgelände durch die Arbeitsinspektion strenger und häufiger zu überprüfen.

Ab 20. Mai 2019 können die Behörden die Risikoeinstufung auch zur Auswahl von Fahrzeugen für die Kontrolle technischer Mängel heranziehen. Das bedeutet, dass Unternehmen mit hoher Risikoeinstufung damit rechnen müssen, dass Fahrzeuge auch häufiger im Hinblick auf technische Mängel kontrolliert werden.

Welche zusätzlichen Verstöße werden seit 1. Juli 2017 eingetragen?

Es handelt sich um Verstöße gegen folgende EU-Vorschriften:

  • RL 2002/15 (Lenkerarbeitszeit)
  • RL 96/53 (Gewichte und Abmessungen)
  • RL 92/6 (Geschwindigkeitsbegrenzer)
  • RL 2003/59 (Grundqualifikation und Weiterbildung der ­Fahrer)
  • RL 2006/126 (Vorschriften zum Führerschein)
  • RL 2008/68 (Beförderung von Gefahrgut auf der Straße)
  • VO 1072/2009 (Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs)
  • VO 1073/2009 (Zugang zum Personenkraftverkehrsmarkt)
  • VO 1/2005 (Tiertransporte)

Welche Verstöße werden ab 20. Mai 2018 eingetragen?

  • Ab 20. Mai 2018 werden Verstöße gegen die RL 2014/45 (­Fahren ohne gültige § 57a-Plakette – „Pickerl“) eingetragen.

Welche Verstöße werden ab 20. Mai 2019 eingetragen?

Ab 20. Mai 2019 werden zusätzlich Verstöße gegen die RL 2014/47 (technische Unterwegskontrolle) eingetragen. Es handelt sich dabei um schwere Verstöße gegen die Betriebssicherheit von Fahrzeugen, die bei einer Straßenkontrolle festgestellt werden und zu einer Abstellung des Fahrzeuges führen (z.B. schwere Mängel an Bremssystem, Reifen, Lenkung, Federung oder Fahrgestell).

Für wen gilt die Risikoeinstufung?

Dem Risikoeinstufungssystem unterliegen alle inländischen Unternehmen, die

  • Fahrzeuge bzw. Fahrzeugkombinationen der Güterbeförderung über 3,5 t Höchstmasse oder
  • Fahrzeuge der Personenbeförderung mit mehr als acht Fahrgastplätzen leer oder beladen auf öffentlichen Straßen für ­Beförderungsfahrten einsetzen. Dazu zählt auch der Werk­verkehr.

Welche Verstöße werden von wem in die Kontrolldatenbank eingetragen?

In die Kontrolldatenbank werden nur rechtskräftige, bei Straßenkontrollen festgestellte Lenkerverstöße eingetragen. Die zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden bzw. Landespolizeidirektionen tragen nach Rechtskraft des Strafbescheides den jeweiligen Verstoß zum Zweck der Risikoeinstufung in die Kontrolldatenbank bei den Daten des Unternehmens ein. Um die Zuordnung und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, sind auch die Daten des Lenkers, der den Verstoß begangen hat, zu erfassen.

Vorsicht: Gemäß den Bestimmungen der Lenk- und Ruhezeitenverordnung haften Verkehrsunternehmen für die von den Lenkern im Inland und auch im Ausland begangenen Verstöße. Grundlage für die Risikoeinstufung des Unternehmens bilden vorerst jedoch nur Verstöße, die im Inland rechtskräftig bestraft wurden.

Die Eintragung von Verstößen erfolgt durch die Behörde, die den Strafbescheid erlässt, nach Rechtskraft des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Lenker. In einem Straferkenntnis können mehrere Verstöße enthalten sein. Beispielsweise können in einer Kontrolle, welche die letzten 28 Kalendertage umfasst, drei Lenkpausenverstöße und zwei Lenkzeitenverstöße festgestellt worden sein, die im darauffolgenden Strafverfahren rechtskräftig abgestraft wurden.

Tipp: Bei Betriebskontrollen durch die Arbeitsinspektion festgestellte „unmittelbare“ Unternehmensverstöße werden bei der Risikoeinstufung nicht berücksichtigt.

Werden auch Kontrollen ohne festgestellten Verstoß eingetragen?

Ja, auch sogenannte „Positivkontrollen“, bei denen kein Verstoß des Lenkers festgestellt wurde, sind bei der Risikoeinstufung im Sinne einer Entlastung des Unternehmens zu berücksichtigen. Zum Zwecke der eindeutigen Zuordnung von Positivkontrollen der Polizei werden die Unternehmensdaten dem Berichtspflichtenprogramm (BPP) der Polizei zur Verfügung gestellt und die Daten der Positivkontrollen automatisiert von diesem in die Kontrolldatenbank übernommen.

Ab wann werden Verstöße bzw. Positivkontrollen eingetragen?

Die rechtskräftigen Verstöße gegen die EU-Sozialvorschriften (VO 561/2006 und 165/2014) und Positivkontrollen werden bereits seit 1. Februar 2014 laufend eingetragen.

Die rechtskräftigen Verstöße und die damit zusammenhängenden Positivkontrollen gegen die Richtlinie zur regelmäßigen technischen Überwachung sowie zur technischen Unterwegskontrolle werden ab dem 20. Mai 2018 bzw. dem 20. Mai 2019 laufend eingetragen.

Alle übrigen zusätzlichen rechtskräftigen Verstöße gemäß der Verordnung (EU) 2016/403 und die damit zusammenhängenden Positivkontrollen werden seit dem 1. Juli 2017 laufend eingetragen.

Tipp: Die neuen zusätzlichen Verstöße, die ab dem 1. Juli 2017 bzw. ab dem 20. Mai 2018 sowie ab dem 20. Mai 2019 begangen werden, können in der Kontrolldatenbank erst dann erfasst werden, wenn sie rechtskräftig sind. Verstöße, die vor diesen Daten begangen werden, können keinesfalls erfasst werden.

Wie wird die Risikoeinstufung eines Unternehmens ermittelt?

Die Risikoeinstufung eines Unternehmens wird laufend und tagesaktuell elektronisch ermittelt. Die Ermittlung erfolgt auf Basis der Anzahl und Schwere der in der VUR-KDB eingetragenen rechtskräftigen Verstöße unter Berücksichtigung der Anzahl der Kontrollen sowie eines Zeitfaktors.

Für die tagesaktuelle Ermittlung werden jeweils die rechtskräftigen Verstöße, Positivkontrollen sowie Kontrollen im Zeitraum von drei Jahren davor herangezogen.

Die Gewichtung erfolgt in diesem Drei-Jahreszeitraum nach den Vorgaben der Europäischen Kommission in abgestufter Form. Je länger Verstöße in diesem Zeitraum zurückliegen, umso milder werden sie bewertet. Am strengsten werden die unmittelbar zurückliegenden Verstöße gewichtet.

Es gilt folgende Berechnungsregel:

  • Sehr schwere Verstöße oder gefährliche Mängel werden mit dem Faktor 40, schwere Verstöße bzw. erhebliche Mängel mit dem Faktor 10 und leichte Verstöße bzw. geringe Mängel mit dem Faktor 1 gewichtet, also multipliziert.
  • Schwerste Verstöße gemäß Anhang I der Verordnung (EU) 2016/403, sogenannte MSI-Verstöße, werden wie sehr schwere Verstöße oder gefährliche Mängel behandelt und bewertet.
  • Zusätzlich werden die Verstöße im Jahr vor der Ermittlung (Jahr 1) mit Faktor 3, im vorletzten Jahr (Jahr 2) mit Faktor 2 und im vorvorletztem Jahr (Jahr 3) mit Faktor 1 gewichtet (=multipliziert).
  • Die sich daraus ergebende Summe wird durch die Anzahl der Kontrollen (darin enthalten auch die Positivkontrollen) in den einzelnen Jahren dividiert.

Daraus ergibt sich dann der rechnerische Wert für die Risikoeinstufung.

Was gilt als Kontrolle?

Jede Anhaltung eines Fahrzeuges zu Kontrollzwecken im Rahmen der Risikoeinstufung gilt als eine Kontrolle. Bei der Kontrolle der EU-Sozialvorschriften ist dies unabhängig davon, wie viele Arbeitstage von der Kontrolle erfasst werden. Also auch dann, wenn z.B. alle letzten 28 Kalendertage geprüft werden, liegt nur eine einzige Kontrolle vor. Eine Positivkontrolle liegt nur dann vor, wenn im Verlauf der gesamten Kontrolle kein Verstoß festgestellt worden ist.

Tipp: Positivkontrollen verbessern in jedem Fall den Wert der Risikoeinstufung, weil diese immer durch Division der Verstöße durch die Anzahl der Kontrollen ermittelt wird. Umso größer die Zahl der Kontrollen, umso kleiner der Wert der Risikoeinstufung.

Strengere und häufigere Kontrolle von Unternehmen mit hoher ­Risikoeinstufung

Unternehmen mit hoher Risikoeinstufung sollen von der Arbeitsinspektion nach Möglichkeit einmal im Jahr kontrolliert werden.

Ab 20. Mai 2019 kann die Risikoeinstufung von der Behörde zusätzlich auch zur Auswahl von Fahrzeugen für die Kontrolle einer gültigen § 57a-Plakette („Pickerl“) und die Kontrolle der Betriebssicherheit von Fahrzeugen herangezogen werden. Dies bedeutet, dass Unternehmen mit hoher Risikoeinstufung damit rechnen müssen, dass Fahrzeuge auch häufiger im Hinblick auf technische Mängel kontrolliert werden.

Da die Organe der Arbeitsinspektion im Zusammenhang mit der Risikoeinstufung ausschließlich die Einhaltung der EU-Sozialvorschriften kontrollieren, ist davon auszugehen, dass strengere und häufigere Kontrollen durch die Arbeitsinspektion nur dann stattfinden, wenn eine hohe Risikoeinstufung aus der Übertretung dieser Vorschriften resultiert.

Wann liegt eine hohe Risikoeinstufung vor?

Das Ausmaß der Risikoeinstufung ergibt sich aus einem Gesamtvergleich der Risikoeinstufungen aller in der Kontrolldatenbank erfassten Unternehmen. Eine hohe Risikoeinstufung haben Unternehmen, deren Wert für die Risikoeinstufung im Bereich der oberen 20 Prozent in Relation zu allen im Risikoeinstufungssystem erfassten Unternehmen liegt.

Wer hat Einblick in die Risikoeinstufung?

Einblick in die Daten zur Risikoeinstufung haben ausschließlich:

  • die Bezirksverwaltungsbehörden und Landespolizeidirektionen zum Zweck der Dateneingabe,
  • die Arbeitsinspektion zum Zweck der Steuerung der Kontrollhäufigkeit sowie Kontrolle der Einhaltung von Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz,
  • die Behörden zum Zweck der Auswahl von Fahrzeugen zur technischen Unterwegskontrolle ab 20. Mai 2019.

Haben Unternehmen Anspruch auf Auskunft zu ihrer Risikoeinstufung?

Ja, Unternehmen erhalten auf Anfrage von der jeweils zuständigen Behörde (Bezirksverwaltungsbehörde, Landespolizeidirektion) Auskunft über ihre jeweilige Risikoeinstufung. Seitens des BMVIT wurde auch eine direkte Abfragemöglichkeit für die Unternehmen über das Unternehmens-Serviceportal (USP) in Aussicht gestellt.

Kann ein Unternehmen die Risikoeinstufung rechtlich bekämpfen?

Nein, ein Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf gegen die Risikoeinstufung ist nicht vorgesehen.

Dient die Risikoeinstufung nur der Überprüfung von Unternehmen oder auch anderen Zwecken?

Seitens des BMVIT ist klargestellt, dass die Risikoeinstufung eines Unternehmens ausschließlich der Kontrolle und Überprüfung durch die Arbeitsinspektion bzw. ab 20. Mai 2019 auch zur Auswahl von Fahrzeugen für die Kontrolle technischer Mängel dient. Eine Prüfung der Zuverlässigkeit des Unternehmers bzw. Geschäftsführers oder Verkehrsleiters ist aus der Risikoeinstufung nicht abzuleiten.

Infos: www.wko.at