Digitalisierte Wirtschaft Zwischen Hysterie und Realität

Die Ängste vor einer digitalisierten Arbeitswelt und infolgedessen Arbeitsplatzverluste werden umso unwahrscheinlicher, je eher sich die ­Unternehmen und Beschäftigten mit den ständigen Veränderungen in der Arbeitswelt weiterentwickeln. Foto: denisismagilov, Fotolia.com - © denisismagilov , Fotolia.com

3 Welche Folgen die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft auf die Arbeitswelt und den Arbeitsmarkt hat, untersuchte erst kürzlich das Institut der deutschen Wirtschaft Köln in der ausführlichen Studie „Arbeitswelt und Arbeitsmarktordnung der Zukunft“. Die aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es keine Belege für die zum Teil „hysterisch“ aufgezeigten negativen Folgen gibt, selbst bei jenen Beschäftigtengruppen nicht, bei denen man dies aufgrund der potenziellen Automatisierbarkeit der Tätigkeiten am ehesten vermuten würde.

Besonders interessant: Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung hat sich ebenfalls aktuell in der Studie „Österreich im Wandel der Digitalisierung“ mit dem Thema auseinandergesetzt und kommt zu vergleichbaren Ergebnissen wie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Die Berufsstruktur wird sich weniger verändern. Stärker werden sich die Arbeitsinhalte der Berufsbilder verändern, hier ist Österreich mit der dualen Ausbildung sehr gut aufgestellt. Die Veränderungen werden im Übrigen nur schrittweise stattfinden und nicht abrupt.

Digitalisierung und deren Beschäftigungseffekte

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln setzt sich mit empirischen Untersuchungen aus verschiedenen Ländern auseinander und findet keine Anhaltspunkte für negative Beschäftigungsentwicklungen. Die uralte Angst, dass sich der Mensch durch den Produktionsfortschritt abschafft, durchzieht zwar die Debatte über die Auswirkungen der Digitalisierung, es gibt jedoch keine Anhaltspunkte in der Geschichte, die diese Angst rechtfertigen.

Die bekannten Studien von Frey und Osborn, wonach in den USA rund die Hälfte der Arbeitsplätze durch die Digitalisierung bedroht wäre, hat Schwachstellen. Klar ist, dass der Mechaniker von heute ebenso wie seine Helfer anders arbeitet als in zehn oder 20 Jahren. Das heißt aber nicht, dass es künftig keine Mechaniker und Helfer geben wird. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung kommt daher zum Schluss, dass selbst stark gefährdete Arbeitsplätze (nach Frey und Osborn Arbeitsplätze mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von mehr als 70 Prozent) nur bedingt wegrationalisierbar sind. Im Übrigen wird die Rolle der dualen Ausbildung und die dabei vermittelten komplexen Kenntnisse negative Beschäftigungseffekte im mittleren Ausbildungsniveau verhindern können.

„Crowdworker“ viel diskutiert, wenig relevant

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln ging auch dem Phänomen „Crowdworking“ nach. Crowdworking fällt derzeit kaum ins Gewicht, Anhaltspunkte für einen massiven Bedeutungszuwachs gibt es nicht. Selbst Unternehmen in der Informationswirtschaft, von denen man annehmen könnte, dass sie hier eine Vorreiterrolle einnehmen, nutzen Crowdworking kaum: Nur 4,2 Prozent verwenden derartige Plattformen oder denken daran, sie künftig zu nutzen.

Acht von zehn der befragten Unternehmen in der Informationswirtschaft geben an, dass sich die Arbeitsinhalte für eine Fremdvergabe schlicht nicht eignen. Nicht die technischen Möglichkeiten entscheiden, sondern andere Gründe. Crowdworking ist jedenfalls kein Massenphänomen, sondern eine sehr spezifische Erwerbsform für vereinzelte junge Menschen, häufig als Nebenbeschäftigung zusätzlich zu einem regulären Dienstverhältnis oder parallel zu einer (akademischen) Ausbildung.

Teilzeitbeschäftigung und Digitalisierung

Teilzeit ist in Deutschland ähnlich wie in Österreich weitverbreitet, nur ein verschwindender Teil davon unfreiwillig. In einer Betriebs- und Beschäftigtenbefragung in Deutschland zeigte sich, dass gerade Teilzeitbeschäftigte von den digitalen Technologien profitieren könnten. Deutlich mehr Teilzeitbeschäftigte wollen im Homeoffice arbeiten, offenbar mit dem Gedanken, damit ihre Arbeitszeit auszuweiten. Die ersparte Anfahrtszeit zum Arbeitsplatz und zurück nach Hause könnte zur Ausdehnung der Arbeitszeit, aber auch für mehr Freizeit genutzt werden.

Digital ist gewollt und nicht aufgezwungen

Viele Studien bestätigen, dass nur eine Minderheit (ein Fünftel und weniger) der Beschäftigten, hauptsächlich Führungskräfte, in ihrer Freizeit beruflich erreichbar sind. Die wichtigsten Gründe, warum Beschäftigte oft oder immer dienstlich erreichbar sind, liegt allerdings weniger in der Erwartungshaltung der eigenen Führungskraft oder der Anforderung der Aufgabe, sondern vielmehr in der eigenen Motivation. Die meisten Arbeitnehmer arbeiten gerne, sind gerne auf dem Laufenden oder erachten es als zweckmäßig. Derart „digital“ ausgestattete Beschäftigte planen signifikant häufiger ihre Arbeit eigenständig, nehmen Einfluss auf die ihnen ­zugewiesene Arbeitsmenge, ohne auf Anweisungen angewiesen zu sein. Damit passen ihre Arbeitsbedingungen mit der permanenten Erreichbarkeit zusammen und die überwiegende Mehrheit (80 Prozent und mehr) empfinden diese auch nicht belastend.

Fazit: Die Ängste vor einer digitalisierten Arbeitswelt der Zukunft sind unbegründet. Die Arbeitswelt wird sich immer weiterent­wickeln, so wie sie sich auch in der Vergangenheit schon immer verändert hat. Arbeitsplatzverluste werden umso unwahrschein­licher, je eher sich die Beschäftigten und auch die Unternehmen an die ständigen Veränderungen der Arbeitswelt anpassen. Österreichs duales Ausbildungssystem wird eine wesentliche Rolle spielen, damit die Digitalisierung letztendlich zur Chance und nicht zur Sackgasse für unsere österreichischen Betriebe und deren Beschäftigte wird.

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