Im Gespräch mit Rolf Slickers 20 Jahre Servitex: "Wir sind die grünste Spedition"

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Textilservice für Hotellerie und Gastronomie

Die Servitex GmbH (Berlin) ist ein Verbund mittelständischer Dienstleister, der sich auf den Bereich Mietwäsche und Hotellerie spezialisiert hat. Aus Anlass des 20-Jährigen Verbundjubiläums sprachen wir mit Rolf Slickers, der im April 2022 der Servitex GmbH genau fünf Jahre als Geschäftsführer vorsteht.

Rolf Slickers, Geschäftsführer der Servitex GmbH, möchte verstärkt auf Nachhaltigkeit im Textilservice setzen. - © Servitex
Herr Slickers, von Ihnen stammt der Satz: "Echte Nachhaltigkeit ist heute eben mehr als nur ein Trend. Es ist die Zukunft." Sind die inhabergeführten Unternehmen Ihres Verbundes für diese Zukunft bereit? Eine Zukunft, die ohne Investitionen in ökologische Reinigungsverfahren und auch innovative Technologie wohl nicht realisierbar sein wird.

Rolf Slickers: Ja. Einer unserer Gesellschafter hat einmal gesagt: "Wir sind die ältesten Recycler der Welt." Wir haben immer schon in nachhaltigen Kreisläufen gedacht, obwohl man heute darunter in der Textilindustrie noch mehr versteht, nämlich auch die Verantwortung für die Textilien nach dem Ende ihrer Nutzungsdauer. Unsere Gesellschafter haben nur in den letzten drei Jahren 30 Mio. Euro in ihre Produktionsstätten investiert, auch um noch energieeffizienter arbeiten zu können, aber auch um noch bessere Arbeitsbedingungen zu bieten. Seit einiger Zeit bieten wir Servitex-Kunden ohne Aufpreis "made in Green" zertifizierte Textilien an und prüfen gerade, dieses Angebot um den "Grünen Knopf" zu erweitern. Wir nehmen unsere gesellschaftliche, aber auch unsere ökologische Verantwortung sehr ernst. In unserem 2019 gegründeten wissenschaftlichen Beirat mit Hotellerie-, Wäscherei- und Digitalisierungsexperten wird das Thema Nachhaltigkeit seit diesem Jahr vom Vorstand der Hessnatur Stiftung Rolf Heimann sehr prominent vertreten.Gemeinsam mit diesen hochkarätigen Sparringspartnern werden wir sicher noch die eine oder andere grüne Innovation für die Hotels in der DACH-­Region auf die Beine stellen.

Von der Zukunft zur Gegenwart. Wie hat denn die Pandemie die Situation als Dienstleister verändert?

Die Pandemie hat bei unseren Wäschereibesitzern zu einem derartigen Nachfrage-Einbruch geführt, wie sie es seit 70 Jahren nicht mehr erlebt haben. Unser Geschäftsmodell ist nicht pandemietauglich. Wenn Sie beispielsweise ein Auto leasen, müssen Sie jeden Monat dafür bezahlen und Sie zahlen auch nicht weniger, wenn das Auto steht.

Bei uns ist das anders: Die Leasing­rate ist Teil des Wasch-Mietpreises. Betreibt ein Hotel plötzlich nur noch zwei Etagen oder schließt es ganz, dann kriegen wir kein Geld mehr. Wir hatten zwar Klauseln in unseren Verträgen, dass man jede Woche eine Mindestmenge waschen lassen muss, aber keiner unserer Kunden war in der Lage, das zu bezahlen. Wie denn auch im Lockdown? Wir haben uns mit unseren Kunden dann darauf verständigt, dass die Verträge verlängert werden. Wir wollten ihnen in der Not ­natürlich auch helfen.

Klingt irgendwie nach einer Änderung des Geschäftsmodells?

Ja. Wir sind gerade dabei, es umzustellen: Wir werden keine Verträge mehr auf eine Laufzeit von x Jahren vereinbaren, sondern nach der Anzahl der Waschungen abrechnen. Bis zur Pandemie konnten wir uns den Umsatz errechnen, weil wir zuverlässig wussten, dass ein 300-Zimmer-Hotel in Berlin 80 Prozent Belegung hat, ein 300-Zimmer-Hotel in Köln 76 Prozent und in Düsseldorf 73 Prozent. Heute kann ein Hotel noch 300 Zimmer haben, in Wirklichkeit werden aber nur 200 oder 150 Zimmer belegt. Und was macht man, wenn selbst große Ketten über Monate hinweg ein oder gar zwei Drittel ihrer Hotels schließen?

Wie würden Sie denn in diesem Fall vertraglich reagieren?

Das würde bedeuten, dass wir jetzt in einen Vertrag hineinschreiben, dass der Vertrag erst dann endet, wenn alle Artikel z.B. 120-mal gewaschen sind. Das festzustellen, ist allerdings ohne Technologie sehr aufwändig. Das funktioniert am besten mit einem RFID-Chip in jedem einzelnen Wäschestück. Und das wiederum ist eine hohe Investition für uns und die Hotels, wenn diese ihre Anlieferungsbereiche mit Antennen versehen. Sicher ist momentan nur: Die alte Abrechnung nach Kilo- oder Stückpreisen funktioniert nicht mehr.

Gab es für Ihren Verbund, dem Sie jetzt genau fünf Jahre als Geschäftsführer vorstehen, in der Pandemie staatliche Hilfen?

Ja, unsere Eigentümer haben davon profitiert, aber in unterschiedlicher Höhe und leider eben auch noch mit großer zeitlicher Verzögerung. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass Servitex ein Verbund aus 14 Wäschereien ist, der sich vor 20 Jahren gegründet hat. Elf sind auf die Hotellerie spezialisiert, drei haben auch noch andere Standbeine wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Diese drei haben – aufgrund niedriger Umsatzanteile in der Hotellerie – viel weniger Unterstützung bekommen als ihre Kollegen im Verbund.

Um unbeschadet durch die Krise zu kommen, mussten alle 15 bis 25 Prozent ihrer Mitarbeiter abbauen. Vor der Pandemie waren es insgesamt 2.000 Mitarbeiter, heute sind es rund 1.600, wobei eine Wäscherei vorher schon 1.000 Mitarbeiter zählte.

Wie ging es Servitex vor der Pandemie?

Vor Corona haben auch unsere Unternehmen vom stürmischen Wachstum der Hotelgesellschaften in den zehn Jahren bis 2019 durchaus profitiert, weil ein zufriedener Kunde durch die Expansion auch ständig neue Nachfrage generiert. Wir haben unser Angebot 2016 sogar auf die ganze DACH-Region ausgedehnt, weil unsere inländischen Kunden von uns auch betreut werden wollten, wenn sie beispielsweise Neueröffnungen in Österreich oder der Schweiz planten.

Das reduziert den administrativen Aufwand enorm, wenn ich für eine größere Anzahl von Hotels, die mehrere Wäsche­reipartner benötigen, nur einen zentralen Ansprechpartner und einheitliche Konditionen habe, wobei in der Schweiz natürlich ein ganz anderes Kostenniveau gilt. Ein Wachstums-Handicap ist für unsere Wäschereien über die Jahre auch die Verlagerung des Einkaufs geworden. Filialen von Hotelketten durften und dürfen mit uns oft keine lokalen Wäscheverträge abschließen – sie hingen und hängen am Zentraleinkauf des Unternehmens, der bundesweite Rahmenverträge mit einheitlichen Konditionen bevorzugt. Als ich vor 40 Jahren anfing, gab es in Deutschland nur wenige Ketten – Maritim, Steigenberger, Kempinski und Dorint sowie fünf amerikanische Companies. Heute habe ich 215 Hotelgesellschaften in meinem Laptop und ständig werden es mehr.

Wenn Sie gerade schon diese Namen erwähnen. Man munkelt von einem neuen Deal. Dabei fällt der Name "Accor-Hotels"…

Wir sind dankbar und ein klein bisschen stolz, bevorzugter Logistikpartner des größten europäischen Hotelkonzerns zu sein.

Wie ist denn dabei die Wahrnehmung durch die Hotelgruppen?

Viele sehen primär ihr Housekeeping, aber nicht mehr die Wäscherei dahinter. Und niemand hat auf dem Schirm, dass wir nicht nur eine Wäscherei, sondern eine vollständige Spedition sind. Und wir sind sogar die grünste Spedition der Welt, wir fahren niemals leer. Kein Spediteur schafft es, von Hamburg nach Köln zu fahren und mit der gleichen Ladung wieder zurückzukommen. Wir fahren mit der sauberen Wäsche hin und der schmutzigen Wäsche wieder zurück. Diese logistische ­Superleistung aber nimmt niemand wahr.

Zu den aktuellen Herausforderungen unserer Branche – auch schon vor der Pandemie – hat übrigens auch eine politische Entscheidung beigetragen. So wurde Mitte 2011 der Wehrdienst abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt haben viele Männer – so behaupte ich das jetzt einmal – ihren Lkw-Führerschein bei der Bundeswehr gemacht. Damit konnten die späteren Studenten unter ihnen entweder als Lkw-Fahrer jobben oder in der Gastronomie/Hotellerie.

Und daraus resultiert bei den Wäschereien ein verschärftes Logistikproblem?

In der Tat. Jedes Jahr gehen inzwischen 30.000 Lkw-Fahrer in Rente. Es kommen aber nur 15.000 neue nach. Nach den neuesten Schätzungen fehlen uns in Deutschland jetzt schon bis zu 70.000 Fahrer – eine dramatische Verknappung des Angebots.

Dabei fürchte ich, dass unser größter Konkurrent bald Amazon heißen könnte. Weil er die letzte Meile zum Kunden bereits jetzt perfekt beherrscht. Das Hotel weiß z.B., dass wir die frische Wäsche montags bringen, Amazon fügt noch die genaue Uhrzeit für die Lieferung dazu und das Fahrzeug lässt sich zudem noch online tracken. Amazon wird sicherlich auch eines der ersten Unternehmen sein, das mit selbstfahrenden Lkws unterwegs sein wird. Meine große Sorge ist, eines Tages nur noch eine Wäscherei zu sein, deren Wäsche Amazon zum Kunden bringt.

Klingt nach einer großen Kostenherausforderung?

Ja. Letzten Sommer, selbst angesichts des Booms, konnten wir unsere Mitarbeiter nur unter dramatischer Erhöhung unserer Löhne überhaupt noch halten. Die für 2022 gesetzlich festgelegten 12 Euro Mindestlohn haben wir selbst schon vor Monaten eingeführt

Hotels kündigen an, ihre Kostensteigerungen an den Gast weiterzugeben. ­Können Sie das auch?

Wir waren gezwungen, mit unseren Kunden über signifikante Preisanpassungen zu sprechen und sind dann glücklicherweise auf viel Verständnis gestoßen. Normalerweise melden wir uns in Preisfragen erst beim Kunden, wenn sich die Kostenparameter um mehr als fünf Prozent verändern. Aber jetzt haben wir alleine in diesem Jahr schon 20 Prozent höhere Lohnkosten. Und in einem Kostenschema, bei dem der Lohn 50 Prozent ausmacht, lässt sich das nicht mehr anderthalb Jahre vorfinanzieren. Und die Energiekosten sind alleine in den letzten zwölf Monaten ja auch noch um 24 Prozent und mehr gestiegen …

Gibt es noch andere Treiber in Ihrem ­speziellen Segment?

Oh ja. Die Baumwollpreise. Konsequenzen für uns hat das, weil der deutsche Staat ein Lieferketten-Gesetz eingeführt hat, das ab 2023 alle Unternehmen mit mehr als 3.000 (und ein Jahr später für solche mit über 1.000) Mitarbeitern betrifft. Das heißt, fast niemand kann mehr Baumwolle einkaufen, ohne seine ganze Lieferkette zu entblößen: Die Compliance muss gewahrt werden.

Genauso treiben die Container, die uns unsere Baumwollwäsche aus ­Asien oder auch Afrika bringen sollen, die Kosten. Wir sprachen ja schon über die Logistik. Ein Überseecontainer kostet normalerweise 1.800 Dollar – in der Pandemie haben unsere Lieferanten zeitweise schon 16.000 Dollar bezahlt, was sich natürlich auch auf die Kosten der Textilien ausgewirkt hat.

Somit hängen gerade auch Hotelwäschereien in einem wahrlich verstrickten Netzwerk?

So ist es. Fakt ist und bleibt: Mit wenigen Ausnahmen kann keine Herberge ohne Wäscherei leben. Das zentrale Kundenversprechen eines Hotels heißt "erholsamer Schlaf". Frische und hygienisch einwandfreie Wäsche ist ein enorm wichtiger Bestandteil davon. Vor allem in der Pandemie. Somit ist es in diesen Zeiten von noch größerer Bedeutung als je zuvor, eine partnerschaftlich denkende und zuverlässige Wäscherei an seiner Seite zu wissen.

Eine gute Fee erfüllt Ihnen zum Servitexjubiläum einen Wunsch. Was wäre dies?

Meine Standardantwort wäre bis vor einigen Tagen gewesen: "Ausreichend gut qualifizierte Mitarbeiter in allen 14 Betrieben." Seit dem 22. Februar 2022 würde ich antworten, "dass wir und unsere nachfolgenden Generationen nochmal 77 Jahre in Frieden in Europa erleben dürfen". Ein kostbares Geschenk, das viele Jüngere kaum noch wertschätzen können, weil sie glücklicherweise nichts anderes jemals kennengelernt haben.