Entwicklungen im Textilsektor Bakteriozid mit Breitbandwirkung

Antimikrobielle Zusatzfunktionen für Textilien haben derzeit Hochkonjunktur – wenigstens theoretisch. Denn die jüngste Präsentation des schwedischen Spezialisten für Hygiene, Polygiene, hat jetzt in Dänemark gezeigt, dass die Umsetzung in der Praxis nur zögerlich vorangeht.

Textilien mit antimikrobieller Wirkung werden derzeit vor allem bei Sportbekleidung eingesetzt. Foto: Polygiene - © Polygiene

Bakteriozid mit Breitbandwirkung

Die Funktionalität von Textilien ist ein Thema, das ganz Europa interessiert. Auch die im dänischen Herning ansässige Design- und Businessschule für Mode und Lifestyle, TEKO, setzt sich immer wieder mit den jüngsten Entwicklungen im und für den Textilsektor auseinander. Bei den so genannten Themen-Treffen (temamøder) präsentieren Unternehmen aus der chemischen Industrie, der Textil- und Bekleidungsindustrie Fortschritte für die Branche. Der jüngste Vortrag, der am 27. Mai von der schwedischen Polygiene gehalten wurde, stand unter dem Motto der antimikrobiellen Ausrüstung von Textilien.

Polygiene ist ein Unternehmen, das sich ganz der Hygiene verschrieben hat. Mit seiner auf Silberionen basierenden Ausrüstung hat der Betrieb seit 1999 zahlreiche Produktentwicklungen in verschiedenen Branchen begleitet, die im Zeichen einer sauberen und sicheren Umwelt stehen. Neben keramischen Artikeln und Produkten der Plastikindustrie werden seit wenigen Jahren auch Textilien mit der auf dem Edelmetall basierenden Imprägnierung veredelt. Dabei gehen die Stoffe zum einen in die Sportswear-Industrie, wo sie von Marken wie Häglöfs, Schöffler, Buff oder Lowe Alpin zu Shirts, Hosen oder Jacken verarbeitet werden. Zum anderen setzen aber auch das schwedische Militär und Rettungsdienste Textilien mit der Polygiene-Ausrüstung für Uniformen, Hemden oder Strumpfwaren ein.

Dabei sprechen nach Angaben des Vortragenden und Geschäftsführer von Polygiene, Christoph von Uthmann, sehr verschiedene Gründe für die Entscheidung der Kunden. Einer der wichtigsten ist zweifellos die geruchshemmende Wirkung der antimikrobiellen Ausrüstung. Die auf Silberchlorid basierende Ausrüstung tötet die an der Entstehung von Schweißgeruch beteiligten Bakterien ab. Sobald die Mikroorganismen mit dem Textil in Kontakt kommen, wird der Stoffwechsel zwischen Mikroorganismen und den Proteinen und Fettsäuren des menschlichen Schweißes unterbrochen, die Bakterien zerstört und die Geruchsbildung verhindert. Das hat aber auch noch andere Vorteile, die vor allem das schwedische Militär bei seinen Auslandseinsätzen in heißen, wasser- und ressourcenarmen Regionen der Erde schätzen gelernt haben: die Tragedauer der Kleidung kann erhöht werden, während die Waschtemperaturen von antimikrobiell ausgerüsteten Textilien zugleich gesenkt werden können. Von diesem Vorteil profitieren auch Sportler. Denn auch sie können ihre Sportkleidung trotz großer körperlicher Aktivität über eine längere Zeit tragen. Und dadurch kann bei Bedarf die für den Urlaub notwendige Garderobe verringert werden, ein Nutzen, der etwa für Skifahrer oder Wanderer interessant ist.

Ein weiterer positiver Effekt, den Polygiene bei seiner Ausrüstung auslobt, ist eine längere Lebensdauer der Stoffe. Denn durch die Unterbrechung des Bakterienwachstums wird auch gleichzeitig ein vorzeitiger Abbau aller Fasermaterialien verhindert. Weiterhin führt der spezielle Finish zu einer verminderten statischen Aufladung der fertigen Bekleidung. Und das wirkt sich, so von Uthmann, positiv auf den Verbrauch von Weichspülern aus.

Einen ganz wesentlichen Nutzen hat die Ausrüstung aus dem Hause Polygiene allerdings für den Gesundheitssektor. Denn die Chemikalie, die sowohl direkt in die Spinnmasse zugegeben als auch nachträglich auf das Textil appliziert werden kann, wirkt nachgewiesenermaßen nicht nur gegen eine Vielzahl von Bakterien, Pilze und Milben, sondern auch gegen Viren. Darunter befindet sich auch der in Krankenhäusern gefürchtete MRSA-Virus (Methicillin-resistenter Staphylokokkus aureus), der aufgrund seiner Widerstandsfähigkeit gegenüber-Methicillin basiertem Antibiotika in ganz Europa zu einem großen Problem geworden ist. Die hohe Wirksamkeit von reinem Polygiene gegen diese Krankheitserreger ist einmalig. Um die Verbreitung von MRSA bereits im Krankenhaus einzudämmen, empfiehlt das Unternehmen seine Chemikalie daher für diejenigen Textilien, die im Gesundheitswesen vorkommen und eingesetzt werden: Berufsbekleidung, Vorhangstoffe und Bett-, Küchen- und Frottierwäsche, Wischmopps. Aber da sich MRSA auch außerhalb von Krankenhäusern verbreitet, sei eine Ansteckungsgefahr an stark frequentierten Orten wie Fitnesscentern ebenfalls gegeben. Konsequenterweise müssten also auch in diesem Bereich alle Textilien entsprechend ausgerüstet sein, so die Empfehlung der Schweden.

Doch die Akzeptanz der Bevölkerung lässt auf sich warten. Weder in Skandinavien noch in Deutschland hat sich der antimikrobielle Schutz von Textilien bislang in großem Stil durchgesetzt. Zwar findet die geruchshemmende Ausrüstung bei Sportbekleidung und Schuhen immer mehr Anhänger, aber Objekttextilien und Berufsbekleidung werden nach wie vor ohne den Zusatzfinish hergestellt. Das liegt zum einen an der grundsätzlichen Unsicherheit der Verbraucher gegenüber einer Wirkung, die man weder sehen noch riechen kann. Zum anderen spielt bei der zögerlichen Akzeptanz möglicherweise auch die Waschbeständigkeit von Polygiene eine Rolle.

Prüfungen haben zwar eine Permanenz der Ausrüstung von bis zu 100 Haushaltswäschen nach ISO 6030 ergeben, aber für die industrielle Pflege liegen keine Ergebnisse vor. Die aber sind Grundlage für einen gewerblichen Einsatz des Mittels. Da nutzt es einer industriellen Wäscherei wenig, wenn Polygiene auch als Spray für die nachträgliche Imprägnierung erhältlich ist. Doch trotz der noch ausstehenden Tests scheint das Bakteriozid aus Schweden, aufgrund der Wirksamkeit gegen Viren vom Typ MRSA, eine
viel versprechende Lösung für das gesamte Gesundheitswesen
zu sein.Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach