Mindestlohn Stürmische Zeiten

Die Post hat ihn. Und auch die Textilpflegebranche diskutiert ihn heiß: den Mindestlohn. Unternehmern und Mitarbeitern der Branche könnten stürmische Zeiten bevorstehen. Intex will gleiche Bedingungen im Lohnkostensektor – der DTV befürchtet verstärkten Konkurrenzdruck.

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    1Klaus Jahn, Intex-Geschäftsführer.
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    2DTV-Geschäftsführer Volker Schmid.
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    3DTV-Justitiar und Rechtsanwalt Winfried Maier.Foto: DTV

Stürmische Zeiten

Für die Post zumindest hat der Lohnkampf ein Ende, denn die Große Koalition hat doch noch den Weg für einen Mindestlohn für Briefzusteller zum 1. Januar 2008 frei gemacht. Zuvor hatten der Arbeitgeberverband Postdienste und die Tarifpartner ver.di, DPVKom und CGPT den Geltungsbereich des Tarifvertrags für die Branche Briefdienstleistungen präzisiert. Danach sollen alle Briefträger, die überwiegend Briefe zustellen, einen Mindeststundenlohn von neun Euro im Osten und 9,80 Euro im Westen erhalten.

Beim Mindestlohn gehen die Meinungen auseinander. Beim jüngsten Fatex-Seminar in Baden-Baden gab es das Vortragsthema „Strategien gegen den Mindestlohn in der Textilreinigungsbranche“ und die Teilnehmer hörten die klare Aussage, es gehe „um verdammt viel Geld“. Dr. Volker Schmid, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Textilreinigungs-Verbands (DTV), warnte, mit einem Mindestlohn käme auf die Betriebe eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zu. Mit einem Mindestlohn, befürchtet der DTV, werde sich der Konkurrenzdruck für deutsche Unternehmen durch Billiganbieter aus dem Ausland verstärken.

Was steckt hinter dem Schreckgespenst namens Mindestlohn? Was spricht dafür, was dagegen? „Der Mindestlohn zielt eindeutig auf eine Begrenzung des Niedriglohnsektors. Er nimmt die Unternehmen in die Verantwortung, existenzsichernde Löhne zu zahlen“, stellen Experten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fest. Dass die Mitarbeiter am Ende des Monats genug Geld in der Tasche haben, daran ist auch in der Textilpflegebranche letztlich allen gelegen. Aber seit Herbst 2007 stehen die Zeichen trotzdem auf Sturm. Was war geschehen?

Der Industrieverband Textilservice (Intex) und der Tarifpartner, die IG Metall, hatten sich zunächst auf einen „Tarifvertrag zur Regelung von Mindestentgelt in der textilen Dienstleistungsbranche“ geeinigt. Die IG Metall stellte dann unverzüglich den Antrag auf Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit (AVE) des Tarifvertrages. Adressat war das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Vor allem das so genannte öffentliche Interesse an der AVE lag im Zentrum der Begründung. Intex trat diesem Antrag Mitte November bei. Das Ziel: Der Tarifvertrag soll also für allgemeinverbindlich erklärt wie auch in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen werden. Die Folge: Der Tarifvertrag würde gegebenenfalls rückwirkend ab dem 1. Januar 2008 für die gesamte Branche gelten, also für alle textilen Dienstleister mit mehr als 20 Beschäftigten, die im Objektgeschäft (B2B) beschäftigt sind.

Für die Sparte der Reiniger und den Textilservice mit weniger als 20 Beschäftigten solle sich nichts ändern. Erst recht nicht für die Wäschereien im Privatkundengeschäft, heißt es bei Intex.

Hintergrund für Intex ist die Absicht der Tarifvertragsparteien, „für vergleichbare Unternehmen annähernd gleiche Bedingungen im Lohnkostensektor herbeizuführen“. 9,02 Euro würde der Stundenlohn dann in den alten Bundesländern betragen, 7,83 Euro hingegen im Osten. Bereits jetzt bietet der DTV seinen Mitgliedern den so genannten TATEX-Tarif an: 7,65 Euro pro Stunde.

Kurz vor Weihnachten nahm der DTV schriftlich Stellung zu dem Antrag der IG Metall auf Erlass der AVE. Unterzeichner ist Hauptgeschäftsführer Schmid. Mit dem Antrag versuche „die sehr klein gewordene Gruppe von 16 deutschen Intex-Mitgliedern die Verdrängungsstrategie der vergangenen Jahre mit geänderten Mitteln durchzusetzen“. Schmid kommt zu dem Ergebnis, der rechtswidrige Antrag ziele darauf, dass diese 16 Unternehmen mehr als 600, die Branche prägenden Betriebe, aus dem Markt drängen.

Um überhaupt für allgemeinverbindlich erklärt werden zu können, müsste der Tarifvertrag aber unter anderem die so genannte 50-Prozent-Klausel erfüllen. Intex müsste also mindestens 50 Prozent der Mitarbeiter beschäftigen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen.

Laut Intex seien es sogar 58,5 Prozent, auf die das zutreffe. Dem widerspricht der DTV energisch: „Die den Antrag unterstützenden Intex-Mitglieder beschäftigen deutlich unter 50 Prozent der Arbeitnehmer im Geltungsbereich“, heißt es in der Stellungnahme. Der DTV werde nachweisen, dass im Geltungsbereich des Mindestlohntarifs 637 Unternehmen in Organisationen der Textilreinigungsbranche außerhalb der Intex eingebunden seien. Der DTV beziffert die Zahl der Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Mindestlohntarifvertrages mit rund 28.000. „Diese 637 Unternehmen beschäftigen 17.714 Mitarbeiter, also deutlich mehr als die Hälfte der 28.000“, argumentiert Hauptgeschäftsführer Schmid in seiner Stellungnahme.

Hinzu kämen Wäschereien, die nirgends organisiert seien. „Damit sind bei Intex-Betrieben ganz deutlich unter 50 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt.“ Mit der Konsequenz, dass daran bereits der AVE-Antrag scheitere. Der DTV stützt sich auf jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes und der Berufsgenossenschaft Textil und Bekleidung Augsburg.

Auch werde mit ungleichen Waffen gekämpft. „Der Konzentrationsprozess in der Branche hält an“, sagt selbst Klaus Jahn, Intex-Geschäftsführer. Der DTV spricht gar von einer „ungesunden, mittelstandsfeindlichen Konzentration der Textilservicebranche auf die Konzernbetriebe der Intex“. Diese hätten wesentliche Wettbewerbsvorteile: die Finanzkraft, Kunden mit kostenintensiver Mietberufskleidung auszustatten; die Finanzkraft, um Personalkosten zu sparen mit Rationalisierungsmaßnahmen; direkten Zugang zu den Kapitalmärkten sowie die Fähigkeit, große, überregional tätige Kunden zu bedienen. „Durch den Antrag“, schreibt Schmid, „laufen die Mittelständler Gefahr, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.“ Schließlich hätten sie deutlich höhere Lohnkostenanteile als die auf Mietberufskleidung spezialisierten und durchrationalisierten Intex-Mitglieder. Der DTV-Justitiar und Rechtsanwalt Winfried Maier sagt: „In den industriell aufgestellten Betrieben beträgt der Lohnkostenanteil nur 40 Prozent, bei den Mittelständlern hingegen 50 Prozent. Einige von ihnen sagen ganz klar, dass sie bei einem Stundenlohn von über neun Euro den Betrieb einstellen müssten.“

Laut Intex hinke diese Argumentation jedoch. Der Anteil der Personalkosten sei nicht vorrangig von der Größe des Unternehmens abhängig – und daher in größeren Betrieben nicht wesentlich geringer als in kleinen. Der Unterschied bestehe vielmehr „innerhalb der Segmente“. „Generell ist der Personalkostenanteil in jenen Segmenten deutlich höher, in denen hygiene- oder gesundheitsrelevante Vorschriften einzuhalten sind“, so Intex. Das gelte für Betriebe, die im Gesundheitswesen oder im Lebensmittelbereich tätig seien. Diese hätten erhöhte Aufwendungen. Die Argumente sind zunächst ausgetauscht. Nun muss der Ausschuss beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales entscheiden, wie es in der Textilpflegebranche weitergeht. Es werde zu einer Verhandlung kommen. Mitte oder Ende Februar könne es allerdings bis dahin werden, sagt DTV-Justitiar Maier. „Aber alle Beteiligten haben das Ziel, die Diskussion um den Mindestlohn abzuschließen.“

Ein Windschatteneffekt durch den Postlohnkampf entsteht seiner Ansicht nach übrigens nicht. Daniel Grosse