Öffentliche Ausschreibungen Tücken eines attraktiven Marktes

Öffentliche Auftraggeber vergeben in Deutschland Aufträge mit einem Volumen von geschätzt 300 Milliarden Euro. Sie müssen von Rechts wegen für gleiche Chancen der Bieter sorgen. Auch für Wäschereien ist der öffentliche Sektor eine interessante Zielgruppe, zählen dazu doch Kliniken, Alten- und Pflegeeinrichtungen, kommunale Dienstleister oder Labordienste an Hochschulen.

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    © Neumann
    Eva Neumann berät Wäschereien, wie sie sich professionell auf Ausschreibungen bewerben.
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    © Urzinger
    Urzinger Textilmanagement generiert einen Teil des Umsatzes aus Ausschreibungsaufträgen.

Tücken eines attraktiven Marktes

Öffentliche Einrichtungen schreiben immer häufiger aus, auch Wäschereileistungen. „Überwiegend wird dies aber als Pflicht gesehen“, sagt Dagmar Urzinger, Mitglied der Geschäftsführung der Landshuter Firma Urzinger Textilmanagement. „Nur wenige nutzen das Instrument der öffentlichen Ausschreibung bewusst und erfolgreich, um einen guten Dienstleistungspartner für ihre Wäschereidienstleistungen zu finden“, bedauert die Geschäftsführerin des traditionsreichen Familienunternehmens, das einen Teil seiner Umsätze über Ausschreibungen gewinnt und hält. Der Grund dafür ist einfach: Gerade kleine Auftraggeber tun sich mit dem sehr komplexen Vergaberechtssystem oft schwer, da sie selten ausschreiben. Und gerade bei Dienstleistungen fehlt ihnen die Sachkunde, um ihre Anforderungen zu konkretisieren.

Die starke Reglementierung öffentlicher Ausschreibungen durch VOL, GWB, VgV soll transparente Verfahren und eine Gleichbehandlung aller Bieter gewährleisten. Die Vorschrift, soweit möglich Aufträge in Fach- und Teillosen auszuschreiben, soll kleineren Betrieben Gebote erleichtern. Aber auch mittelständischen Unternehmen erschweren die komplexe Rechtsmaterie und die Art der Durchführung die Teilnahme an Vergabeverfahren.

Grundvoraussetzung ist es, die Formalien zu kennen und einzuhalten, und hier beginnen die Probleme bereits, weiß Eva Neumann, Ausschreibungsberaterin und Fachfrau in Sachen Servicedienstleistungen. Die Geschäftsführerin der Neumann & Neumann Projekt- und Beratungs GmbH mit Sitz im oberbayerischen Steingaden weiß, wie häufig die Angebotsunterlagen unvollständig sind. Da fehlen die Unterschrift oder die geforderte Unbedenklichkeitserklärung – und damit muss der Ausschreiber das Angebot ausschließen!

Oft wird erst auf die letzte Minute abgegeben. Um dies zu vermeiden, müssen Bieter den Aufwand für eine solide Angebotskalkulation realistisch schätzen und der ist nicht gering. Manche Teilnahme scheitert auch an geforderten Zertifikaten. Diese Gefahr besteht freilich nicht für die Firma Urzinger Textilmanagement, die am Standort Landshut mit
240 Mitarbeitern täglich 60 t Textilien nach den Richtlinien für Lebensmittelhygiene (HACCP) und Tragekomfort gemäß DIN EN 31092 bzw. ISO 11092 qualitativ hochwertig und hygienisch aufbereitet. Der Betrieb ist Träger des Gütezeichens für sachgemäße Wäschepflege und des Hygienezeugnisses und seit 1997 nach der internationalen Qualitätsnorm DIN EN ISO 9001:2000, seit 2006 zudem nach der Umweltnorm
DIN EN ISO 14001 zertifiziert.

Dagmar Urzinger hält die Forderung nach Zertifizierungen durchaus für richtig, auch wenn sich manche Auftraggeber Zertifikate vorrangig deshalb vorlegen lassen, weil sich die Kriterien und Maßstäbe für die fast immer gewünschte Leistungsqualität nur mit vertieftem Fachwissen formulieren lassen. „Und wenn der Auftraggeber selbst zertifiziert ist, wählt er kaum nicht zertifizierte Lieferanten.“ In Spezialbereiche wie textilen Medizinprodukten schließlich sind bestimmte Zertifizierungen schlicht gesetzlich vorgeschrieben.

Häufig vorzulegen sind auch Referenzen einschließlich namentlich bekannter Ansprechpartner, mit denen eine ausschreibende Stelle bei Bedarf persönlich über einen Bieter und seine Leistungsfähigkeit spricht. Auch dies findet Dagmar Urzinger sinnvoll. „Schwierig wird es allerdings mit der objektiven Bewertung und der Vergleichbarkeit der Aussagen.“ Diese lassen sich nicht in ein Schema pressen und sind daher für Dritte häufig nicht nachvollziehbar.

Auf die Frage, wie sich Kunden als positive Referenzen gewinnen lassen, hat Urzinger eine „ganz einfache Antwort“, die in der Praxis sicher nicht ganz so einfach umzusetzen ist: „Besser sein, als man versprochen hat. Besser sein, als es erwartet wird. Besser sein, als der Kunde es von anderen Lieferanten gewohnt ist. Dann kommt das mit den gewünschten Auskünften ganz alleine.“

Urzinger setzt seit jeher auf Innovationen und Ideen und hat Dezember 2006 die größte Waschstraße Europas in Betrieb genommen. Eine vom Gesetz vorgegebene Möglichkeit, sich beim potenziellen öffentlichen Auftraggeber positiv vom Wettbewerb abzuheben, sind innovative Vorschläge im Rahmen von Nebenangeboten. Nach Erfahrung von Urzinger Textilmanagement sind diese bei etwa einem Drittel der Ausschreibung zugelassen. Der Spielraum für den Bieter sei allerdings eng: Nebenangebote müssen qualitativ immer mit dem Hauptangebot vergleichbar sein, so will es das Gesetz, und der Auftraggeber erhofft sich in der Regel eine Kostensenkung. „Eine deutliche Qualitätsverbesserung mit etwas höheren Kosten wird fast nie akzeptiert.“

Dagmar Urzinger rät Bieterkollegen, schon bei der ersten Lektüre der Ausschreibung nach Unklarheiten zu fahnden – Rückfragen an den Ausschreiber sind möglich und angeraten – und sich außerdem ehrlich zu fragen, ob die ausgeschriebene Leistung wirklich zum eigenen Angebot und zur eigenen Kompetenz passt. Und dann müssen die Angebote natürlich formal richtig und vollständig sein. Ein unanfechtbares Angebot sei im Übrigen auch Voraussetzung dafür, eine eventuell fehlerhafte Vergabe anzufechten.

Von den Ausschreibern wünscht sich Geschäftsführerin Dagmar Urzinger, dass sie eine differenzierte Bewertung vorsehen. Wer jenseits des Preises klare Bewertungskriterien und ein Leistungsverzeichnis vorlegt, das auch qualitativ dem Bedarf entspricht, kann ein wirklich geeignetes Unternehmen auswählen, mit dem langfristig eine gute Geschäftsbeziehung möglich ist. Ausschreibungsberaterin Eva Neumann rät Wäschereien, sich zu trauen. Die Chancen auf Auftragsgewinnung stehen nicht schlecht. „Bei Ausschreibungen für die Gebäudereinigung gibt es im Schnitt
30 bis 50 Bewerber, bei Wäschereidienstleistungen beteiligen sich nur drei bis fünf Unternehmen.“ Dr. Beatrix Körner

Infos: www.urzinger.de und www.neumann-neumann.com.