Integrationsprojekt in Baden-Württemberg Ausbildung und Arbeit für Flüchtlinge in der Textilpflege

Wie können Flüchtlinge integriert und wie kann gleichzeitig der Bedarf an Arbeitskräften in Regionen mit ­Vollbeschäftigung gedeckt werden? Ein Integrationsprojekt im Raum Freiburg hatte genau das als Ziel. Beteiligt waren vier Textilpflege­unternehmen, die im Laufe des Projekts viel dazugelernt haben.

Integration kann durch Bildung und Arbeit funktionieren. - © Tatjana Balzer - stock.adobe.com

In vielen Regionen Deutschlands ist die Arbeitsmarktsituation angespannt. Noch nie gab es so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie zurzeit – auch deshalb herrscht beispielsweise im Raum Freiburg weitgehend Vollbeschäftigung. Viele Unternehmen, auch aus der Textilpflegebranche, stellt diese Situation bei der Gewinnung von Arbeitskräften vor große Herausforderungen. Andererseits gibt es viele Flüchtlinge und Asylbewerber, die noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind.

Ein speziell auf die Branche der professionellen Textilpflege zugeschnittenes Projekt für Flüchtlinge hat deshalb der Projektverbund Baden gemeinsam mit vier Textilpflegebetrieben aus Freiburg und Umgebung gestartet. Ziel: die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt.

Wer hinter dem Projektverbund Baden steckt

Die Bundesregierung fördert die Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Europäischen Sozialfonds. Diese Fördermittel können sogenannte soziale Träger beantragen, die dazu geeignete Maßnahmen wie Beratung und Unterstützung von geflüchteten Menschen, Qualifizierungen für Geflüchtete und Schulungen, beispielsweise für Multiplikatoren, durchführen. Im Projektverbund Baden haben sich der Caritsverband Freiburg, das Deutsche Rote Kreuz Freiburg, das Diakonische Werk der Landkreise Karlsruhe und Lörrach, der Caritasverband Rastatt und für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald die Stadt Freiburg sowie die Volkshochschule Freiburg zusammengeschlossen. Ziel des Projektverbunds ist es, durch verschiedene Angebote und Maßnahmen die Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung bringen.
www.projektverbund-baden.de

Branche mit „Anlernarbeitsplätzen“

Besonders interessant für das erwähnte Förderprogramm ist die Textilpflegebranche, da es hier sogenannte „Anlernarbeitsplätze“ gibt, die auch von Menschen mit zunächst geringen Deutschkenntnissen besetzt werden können.

Annika Steinhauser vom Caritasverband Breisgau-Hochschwarzwald, und Christian Himmelsbach, Obermeister der Textilreinigerlandesinnung in Baden-Württemberg, koordinierten das Projekt, das sich an Flüchtlinge aus der Stadt Freiburg und dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald richtete – also der Umgebung von Freiburg. Das Projekt sollte Flüchtlingen, die Interesse an einer dauerhaften Beschäftigung in der professionellen Textilpflege haben, eine berufliche Orientierung in diesem Arbeitsfeld ermöglichen.

Der Kurs bestand aus drei Elementen: Sprachkurs, Fachunterricht und Fachpraxis. Zunächst sollte eine Woche Sprachunterricht stattfinden, anschließend drei Wochen Unterricht und parallel dazu drei Tage, jeweils vier bis fünf Stunden Arbeit in den Betrieben. Die dritte Phase war zwei Wochen Erprobung von Vollzeitarbeit im jeweiligen Betrieb.

Ziele und Voraussetzungen des Projekts

Zielgruppe: Geflüchtete Menschen, die noch keinen verfestigten Aufenthalt, aber zumindest nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben.

Ziel der Maßnahme: nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt; Arbeitsvertrag in der professionellen Textilpflege.

Persönliche Voraussetzungen: Körperliche Fitness, Hitzeverträglichkeit, Grundkenntnisse der deutschen Sprache (mindestens Niveau A1, das heißt, der Teilnehmer kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und einfache Sätze verstehen und verwenden; er kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen), Interesse an einem Arbeitsplatz in der professionellen Textilpflege.

Von den Teilnehmern zu erlernende Tätigkeiten:  

  • Sortieren von Wäsche und Bekleidung,
  • Vorbereiten zum Waschen und Reinigen,
  • Aufhängen von Bekleidung,
  • Aufschlagen von Wäsche,
  • Beladen von Reinigungsmaschinen, Waschmaschinen und Trocknern,
  • Dämpfen und Finishen von Textilien,
  • Einpacken und Eintüten von Textilien.

Vom ersten Treffen zum Probearbeiten

Ein Teilnehmer des Integrationsprojekts bei der Arbeit im Textilpflegebetrieb. - © Himmelsbach

Zu einem ersten Informationstreffen kamen zwölf Teilnehmer des Projektverbunds Baden, die sich für einen der maximal acht Kursplätze interessierten. Um das berufliche Umfeld kennenzulernen, wurde eine Führung durch die Wäscherei Wolfsperger Textilpflege, Emmendingen durchgeführt, zu der zehn Personen kamen. An der Maßnahme selbst nahmen dann sechs Personen teil: Drei Personen bei Wolfsperger Textilpflege in Emmendingen und jeweils eine Person bei Gall Wäscheservice, Ruck Textile Dienstleistungen sowie Himmelsbach Reinigung Färberei in Freiburg.

Von den sechs Teilnehmern hatten drei nicht das als Voraussetzung genannte Sprachniveau A1. Das erschwerte die Unterweisungen in den Betrieben, stellte allerdings aus Sicht der Wäschereien nicht das Hauptproblem dar.

Zusätzlich gab es individuelle Hindernisse, die eine Beschäftigung erschwerten. So war die Anfahrt zur Frühschicht aus dem ländlichen Umland schwierig und für den betreffenden Teilnehmer auf längere Sicht unattraktiv. Eine andere Teilnehmerin hatte bereits einen Nebenjob, der mit den notwendigen Einsatzzeiten in der Wäscherei nicht vereinbar war. Eine Frau hatte Knieprobleme, also nicht die in der Ausschreibung aufgeführten körperlichen Voraussetzungen. Ein an sich fleißiger Mann wies überraschenderweise eine gravierende Sehbehinderung auf und konnte dadurch einige ihm übertragenen Aufgaben nicht durchführen. Dazu kam, dass ein Teilnehmer aufgrund einer akuten Erkrankung seiner Frau zu viele Fehlzeiten hatte, da er sich nebenher noch um die Kinder kümmern musste. So blieb noch ein Teilnehmer übrig, der nach seinem Sprachkurs im Sommer eventuell eine Probebeschäftigung antritt.

Auch mit der Maßnahme auf Seiten des Trägers mussten Kompromisse gefunden werden. Der Sprachlehrer erklärte sich zwar bereit, gleichzeitig auch die fachliche Seite, insbesondere Unterweisung in Gefährdungen etc., durchzuführen. Allerdings erkrankte er schwer, sodass weniger als die Hälfte des ursprünglichen Angebots durchgeführt werden konnte.

Fazit: Die Idee eines solchen Projekts halten die Beteiligten grundsätzlich für gut. Allerdings müsste bei der Vorbereitung und der konkreten Auswahl der Teilnehmer viel mehr „optimiert“ werden. Der Ausfall großer Teile des Unterrichts war ein weiterer, unglücklicher Faktor, der den Erfolg der Maßnahme beeinträchtigt hat, so die beteiligten Textilpflegeunternehmen.

Interview zum Integrationsprojekt mit Christian Himmelsbach

Christian Himmelsbach hat beim Projekt viel gelernt. Foto: Archiv R+WTextilservice - © Archiv R+WTextilservice
R+WTextilservice: Herr Himmelsbach, Sie haben die Maßnahme zur Integration von Flüchtlingen für die Branche begleitet. Was waren die Gründe, diese Maßnahme zu starten?
Christian Himmelsbach: Unsere Branche klagt über Arbeitskräftemangel, nicht nur die stets aufgeführten Fachkräfte fehlen, sondern auch „normale“ Mitarbeiter. Das war das eine. Zum anderen wollten wir dazu beitragen, dass Integration konkret umgesetzt wird. Und Integration gelingt am besten über Arbeit.

Wie ist die Maßnahme gelaufen?
Himmelsbach: Die Maßnahme war ein Pilotprojekt. Keiner hatte Erfahrung und Vorlagen, wie man das Ganze gut organisiert und durchführt. Alle Kollegen und Partnerbetriebe – und das finde ich sehr positiv – erklärten sich sofort bereit und waren engagiert bei der Sache. Der Verlauf der Maßnahme zeigte die Vielschichtigkeit der Probleme und die individuellen Lebenswelten der Flüchtlinge. Alle haben etwas gelernt. Auch wenn das Ziel – die Gewinnung von Arbeitskräften – nicht erreicht wurde, wissen wir jetzt viel mehr und besser, wie man zukünftig vorgehen muss bzw. welche Dinge man verändern und anders organisieren sollte. Die Maßnahme war also in gutem Sinne ein Versuch. So habe ich auch von den Kollegen keine negative Kritik erfahren, sondern positive Rückmeldungen erhalten. Eben in dem alten, aber immer noch wichtigen Sinne des „Lernens aus Erfahrung“.

Wie fällt nach Beendigung der Maßnahme die Bilanz aus?
Himmelsbach: Wie schon gesagt: Das Ziel, Arbeitskräfte aus diesem Bereich für die Professionelle Textilpflege zu finden, haben wir nicht erreicht. Aber wir wissen, was wir anders machen müssen und welche Änderungen notwendig wären. Toll war auf jeden Fall die sofortige Bereitschaft aller Kollegen, ohne Vorbedingungen und langem Überlegen, sich auf diesen Versuch positiv einzulassen und Zeit zu investieren.

Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?
Himmelsbach: Das Wichtigste ist die Auswahl und die Findung der Projektteilnehmer. Wohnort, Anfahrt, Lebenswelt, Alltagsorganisation, das alles müssen wir viel besser im Blick haben. Das verlangte Minimum an Sprache müssen wir einfach klarer als Voraussetzung einfordern. Und die Perspektive eines zukünftigen Arbeitsplatzes – also die Darstellung dessen, was wir bieten und was wir erwarten, die Chancen des Projekts für die Teilnehmer – müssen wir noch besser vermitteln.

Erlauben Sie mir noch noch zwei Anmerkungen zum Schluss: Die Begleitung des Projektes durch Frau Steinhauser war sehr gut, aber auch dringend notwendig. Vieles, was für uns selbstverständlich ist, müssen die Teilnehmer erst lernen, erfragen, herausfinden. Da ist Betreuung und Begleitung bei solch einem Projekt besonders wichtig. Zudem dürfen wir nicht vergessen: Die Lebenssituation dieses Personenkreises ist schwierig: Aus allen heimischen und gewohnten Bezügen gerissen, egal aus welchen Gründen nun hier in Deutschland und als „Geduldete“ immer mit der Angst, doch abgeschoben zu werden. Das muss man immer im Hinterkopf haben, unabhängig davon, wie man in der Flüchtlingsfrage positioniert ist.