33. Aachener Textiltagung am 29./30. November 2006 Ausblick bis ins Jahr 2020

Die 33. Aachener Textile Conference (ATC) Ende November 2006 im Aachener Eurogress stand unter dem Motto „Vom Material zur Funktion“. Dieses Thema ließ viel Platz, um neue und zukunftsweisende Entwicklungen in der Textil- und der Bekleidungsindustrie vorzustellen. Ein Kernthema waren Textilien für die alternde Gesellschaft.

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    Prof. Gunnar Heinsohn erklärte die Globalisierung des Alterns und ihre Folgen.Foto:SAK
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    Prof. Thomas Gries, Leiter des Instituts für Textiltechnik an der RWTH, eröffnete die 33. Aachener Textile Conference.Foto:ATC

Ausblick bis ins Jahr 2020

Alle Jahre wieder laden Ende November die Universitäten und Hochschulen in und um Aachen zur Textilkonferenz ein, um einen Überblick über Trends und Entwicklungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu geben. Dabei bemühen sich die Veranstalter stets um zeitgemäße Themenstellungen und richtungweisende Vorträge. So trug die 33. Aachener Textile Conference im Jahr 2006 die Überschrift „Vom Material zur Funktion“ und hatte Schwerpunkte gewählt, die die Textil- und Bekleidungsbranche und damit auch die Pflegebetriebe interessieren. Mit den Kernthemen „Textilien für eine alternde Gesellschaft“, „Nanotechnologie für Textilien“, „Technische Herausforderungen in der Bekleidungsindustrie“ und „Integrierte Produktionstechniken“ konnten die mehr als 400 Teilnehmer aus einer Vielzahl von Vorträgen auswählen. Interessant für industrielle Wäschereien war zweifelsfrei der erste Themenbereich, der sich textilen Produkten für eine älter werdende Gesellschaft widmete. Eingeleitet wurde er von Professor Gunnar Heinsohn vom Raphael-Lemkin-Institut für Xenophobie- und Genozidforschung an der Universität Bremen, der die Ursachen für einen Generationenwandel in den Gesellschaften aller Kontinente erläuterte und einen Ausblick auf das Jahr 2020 gab. Bis dahin werden in weiten Teilen Europas die Bedürfnisse der jungen Alten die Mode nachhaltig beeinflussen. Dann werden möglicherweise immer mehr Biofunktionstextilien, die Medikamente oder Kosmetika beinhalten und an den Träger abgeben, den Markt bestimmen. Antimikrobielle Substanzen, Aloe vera, Ginko, Vitamin E und Vitamin C gehören dann vielleicht schon zur Standardausrüstung von Oberbekleidung, Strümpfen, Nacht- und Unterwäsche.

Die Zukunft könnte auch solchen Textilien gehören, in die Substanzen eingearbeitet sind, die der therapeutischen Behandlung von chronischen Hautkrankheiten oder kurzzeitigen Erkrankungen wie Husten dienen. Noch lässt sich in diesem Bereich eher von fixen Ideen als von fertigen Produktlösungen sprechen. Nichtsdestotrotz haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass die Entwicklung funktioneller Stoffe mitunter sehr schnell gehen kann. Die Produktpalette für den betagten Menschen – und damit auch das mögliche Wäscheangebot eines Profis in Sachen Pflege – reicht aber viel weiter. So etwa bieten besondere in Australien entwickelte Arm- und Beinschützer der dünnen, pergamentartigen Altershaut zusätzliche Sicherheit gegen durch Stoß verursachte äußere Verletzungen. Gegen Inkontinenz wiederum sollen immer neue und weiterentwickelte Produkte – in der Regel aus der Schmiede von Einwegherstellern – helfen. Temperaturschwankungen sollen mit Hilfe spezieller Nonwoven, die mit „Phase Change Materials“ (PCM) versehen sind, ältere Menschen nicht mehr frösteln lassen. Denn PCMs sind in der Lage, Wärmeenergie aufzunehmen und bei einer Änderung der Umgebungstemperatur wieder abzugeben. Geht es nach dem Willen der Hersteller, werden Textilien mit thermischem Ausgleichsfaktor künftig nicht nur Jacken und Outdoorbekleidung, sondern auch Bettwaren sein. Um neue Effekte ging es auch in der Sektion, die sich der Ausrüstung von Textilien mit Nanopartikeln beschäftigte. Allen voran war es die Herstellung selbstreinigender Oberflächen, mit denen sich mehrere Vorträge auseinandersetzten. Ob bereits in die Faser eingearbeitet, mittels Plasmatechnologie oder klassischer Ausrüstung auf einen Stoff appliziert, haben sie alle das Ziel, das Anschmutzungsverhalten von Textilien für Arbeitskleidung bis Sitzbezüge zu verringern und die Auswaschbarkeit von Verfleckungen zu verbessern. Andere Ausrüstungen und Beschichtungen auf Nanobasis dienen dem UV-Schutz, dem fotokatalytischen Abbau organischer Verunreinigungen oder der Erhöhung der Faserfestigkeit für ballistische Anwendungen, wie sie durch die Einlagerung von karbonischen Nanotubes in die Dyneema-Faser (DSM) erreicht wird. Doch in Aachen wurde nicht nur reine Textilchemie behandelt. Die Organisatoren hatten auch eine Reihe namhafter Konfektionäre aufs Podium gebeten, die über die Zukunftschancen ihrer Branche referierten. Escada, Gardeur, Boss und Lebeck gaben Einblicke über Strategien, die heute und morgen über das Wohl und Wehe der Modemacher in einem immer internationaleren Wettbewerb entscheiden. Neben einem herausragenden Design, innovativen Materialien und einer hohen Kreativität bei der Produkt- und Prozessentwicklung sind es flexible Prozesse und eine besondere Produkt- und Servicequalität, die der Industrie ein Überleben ermöglichen.

Eine integrierte Produktionsplanung und ein schneller, globaler Datentransfer, interdisziplinäre Netzwerke sowie eine hohe Produktionsflexibilität bei den Zulieferern sind die Grundlage, die die Konfektionäre brauchen, um auf die sich immer schneller ändernde Bekleidungsgewohnheiten reagieren zu können. Zu den Hoffnungsträgern der Modeindustrie zählen RFID und Co., deren Möglichkeiten von der Wäschereibranche bereits frühzeitig erkannt wurden. Daher ist es schade, dass die Veranstaltung Vorträge von Spezialisten aus der gewerblichen Wäscherei missen ließ. Der ansonsten sehr professionellen und informativen Konferenz hätte das nicht geschadet. Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach