"Das ist genau mein Ding" wusste Cornelia Ehrhardt nach ihrem ersten Besuch bei der ANNA, wie die Berufsbildende Schule in Hannover liebevoll genannt wird. Seit 2017 unterrichtet sie hier auch die angehenden Textilreinigerinnen und -reiniger. Sie ermutigt Schüler und Betriebe zu einer Berufsausbildung, die immer ein Gewinn für beide Seiten sei.

Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler verwenden gern die Kurzform für den Namen der Anna-Siemsen-Schule in Hannover, eine der wenigen verbliebenen Berufsschulen für eine klassische duale Ausbildung zum/zur Textilreiniger/in.
Die ANNA kann auf lange Zeit pädagogischer Arbeit zurückblicken. Bereits im Jahre 1932 nahm die "Städtische Mädchenberufsschule" ihren Betrieb im heutigen Gebäude auf. Im Jahr 1964 wurde sie nach Frau Professor Dr. Anna Siemsen benannt, die sich in den Jahren 1918 bis 1933 für eine Vereinheitlichung des berufsbildenden Schulwesens und um die Verbesserung der Chancengleichheit durch Ausbildung bemühte.
In Anlehnung an die Namensgeberin ist auch die Marke "WerteAnnA" entstanden, unter der Schülerinnen und Schüler ihre Produkte verkaufen, die sie im Rahmen ihrer Ausbildung herstellen, Upcycling-Mode beispielsweise.
Upcycling ist das Stichwort für Nachhaltigkeit. "Die professionelle Textilpflege ist eine der nachhaltigsten Tätigkeiten", sagt dazu Textireinigermeisterin Cornelia Ehrhardt.
Cornelia Ehrhard: Werdegang vor der Zeit als Lehrkraft
Sie ist im Wäschereigeschäft groß geworden und kennt sich in der textilen Welt bestens aus. Vor ihrer Tätigkeit als Lehrkraft arbeitete sie im internationalen Einkauf eines Unternehmens in der Textilwirtschaft. Ein interessanter Job, ihr fehlte jedoch die menschliche Komponente, wie sie es ausdrückt. Cornelia Ehrhardt wünschte sich eine Veränderung, eine sinnstiftende Tätigkeit im Bereich Bildung. Sie habe schon immer gerne ihr Wissen weitergegeben.
Als sie von der vakanten Stelle an der Anna-Siemsen-Schule erfuhr, war das die Option, sich beruflich neu aufzustellen. Cornelia Ehrhardt brachte ideale Voraussetzungen mit, um angehende Modeassistent/innen sowie Maßschneider/innen und später auch Textilreiniger/innen zu unterrichten.
Ihre Ur-Großmutter hatte im Zuge der ersten touristischen Belebungen in Braunlage vor mehr als 100 Jahren eine Heißmangel gegründet. "Daraus wurde eine Wäscherei mit allem Drum und Dran, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Ich bin mit der Textilpflege groß geworden, mein Herz schlug allerdings mehr für die textile Verarbeitung", verrät Cornelia Ehrhardt.
So ist ihre erste Berufswahl eine klassische duale Ausbildung zur Damenschneiderin, die sie in Braunschweig absolviert. Zielstrebig und hochmotiviert legt sie anschließend die Meisterprüfung ab und bildet sich zur Schnitt-Direktrice weiter. Als junge Frau wagt sie den Blick über den Tellerrand: den Sprung nach Nordafrika. In Marokko und Tunesien leitet sie die Fertigung in Textilunternehmen; in Tunesien werden ihre beiden Kinder geboren.
Im Jahr 2001 kehrt sie mit ihrer Familie nach Deutschland zurück, um gemeinsam mit ihrem Mann den elterlichen Wäschereibetrieb zu übernehmen. Ein Jahr später legt die zielstrebige Unternehmerin erneut eine Meisterprüfung ab, diesmal im Textilreinigerhandwerk.
Von der Unternehmerin zur Lehrkraft
Eine unternehmerische Karriere scheint vorgezeichnet. Der Tourismus in ihrer Heimatregion entwickelt sich jedoch zurück und befindet sich im Tief, als sie und ihr Mann sich dazu entscheiden, den Familienbetrieb zu schließen. Nach über 100-jähriger Geschichte der Wäscherei Ehrhardt beenden sie die Dienstleistung im Februar 2007.
"Die Wettbewerbsbedingungen waren nicht optimal und ein Überleben als kleiner Handwerksbetrieb im Oberharz war nicht mehr möglich", kommentiert Cornelia Ehrhardt, die inzwischen mit der beruflichen Wendung glücklich und zufrieden ist. Als Lehrerin kann sie ihre Leidenschaft und Kompetenzen bündeln.
"Für mich schließt sich hier ein Kreis", sagt sie. "Im größeren Stundenanteil meiner Lehrtätigkeit darf ich jungen Menschen das textile Gestalten beibringen. Das heißt, die Anfertigung von Schnitten, das Zuschneiden von Stoffen und die Fertigung von Bekleidung aller Art. Auch in diesem Unterricht geht es allerdings immer auch um das Pflegen und Bügeln von Textilien."
Erfolgversprechend für das Gelingen der Ausbildung ist in jedem Fall ein intensiver Austausch zwischen
Textilreinigermeisterin und Lehrerin Cornelia Ehrhardt
Schüler, Betrieben und Schule.
Ehrhardt setzt auf anschaulichen Unterricht statt auf reine Theorie
Was Profis im Textilservice wissen müssen, vermittelt sie den angehenden Textilreinigerinnen und Textilreinigern jeden Dienstag im Berufsschulunterricht, gemeinsam mit Ursula Dreyer, der Leiterin der Abteilung Textiltechnik und Bekleidung, und ihrer Kollegin Maren Rabeler. Ihre Schüler schätzen die Art ihres Unterrichts, aus der Praxis für die Praxis.
"Ich freue mich, wenn ich aus trockener Theorie einen anschaulichen Unterricht gestalten kann. Wenn ich sehe, dass die Augen der Schülerinnen und Schüler leuchten, weiß ich: Jetzt haben sie es verstanden! Es begeistert mich, diese Entwicklung mitzuerleben. Ich könnte unzählige Beispiele von jungen Menschen nennen, die an der ANNA ihren Berufsweg gefunden haben und jetzt in der Welt unterwegs sind. Das schönste Geschenk für mich ist es, wenn sie spontan vorbeikommen, um Hallo zu sagen und von ihren Erfahrungen zu berichten. Dann geht mein Herz auf!"
Nähe zur Basis pflegen
Cornelia Ehrhardt pflegt auch die Kontakte zu den Ausbildungsbetrieben, um auf dem Laufenden zu bleiben. "Die Unternehmen im Textilservice haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt. Sie sind zum Teil extrem gewachsen; aus kleinen Familienbetrieben, die sich spezialisiert haben, sind zukunftsweisende Dienstleistungsunternehmen geworden. Andere haben ihre Nische gefunden und sind damit bundesweit gut im Geschäft." Überall würden qualifizierte Fachkräfte gebraucht, was für eine Ausbildung spreche.
Bei allem Optimismus ist es Cornelia Ehrhardt bewusst, dass die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in Wäschereien und Reinigungen gering ist. Und dass viele, die sich dafür entscheiden, intensive Begleitung und Förderung benötigen. "Wir müssen oft auch sprachliche Barrieren meistern. Dabei helfen uns die Betriebe, die individuell ausgerichtete Sprachkurse anbieten."
Letztendlich sei der persönliche Ehrgeiz der Auszubildenden für den Erfolg entscheidend, die keine bestimmten Voraussetzungen mitbringen müssten, jedoch zumindest ausreichend Interesse.
"Ideal sind Menschen, die offen für Neues sind und begeistert lernen. Wer bereit ist, sich auf die ‚Ausbildungsreise‘ zwischen Schule und Betrieb zu begeben, die in der Regel drei Jahre dauert, wird von uns bestmöglich begleitet. Unser gemeinsames Ziel ist eine erfolgreich bestandene Gesellenprüfung. Diese Aussicht beflügelt auch unsere Schülerinnen und Schüler und trägt sie durch kleine Tiefs."
Die Unternehmen im Textilservice haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt. Aus kleinen Familienbetrieben sind zukunftsweisende Dienstleistungsunternehmen geworden.
Textilreinigermeisterin und Lehrerin Cornelia Ehrhardt
Appell an Textilservicebetriebe
Ohne die Unterstützung engagierter Ausbildungsbetriebe seien die schulischen Ziele nicht zu erreichen und auch die Akquise geeigneten Nachwuchses nicht möglich. Cornelia Ehrhardt unterstützt Abteilungsleiterin Ursula Dreyer bei ihrem Appell an die Betriebe im Textilservice, sich in eigenen Reihen umzusehen. Es gebe bereits etliche Beispiele von Unternehmen, die geeignete Mitarbeitende für eine Berufsausbildung gewinnen konnten, um Fachkräfte für die Zukunft zu gewinnen, ihr Team zu stärken und ihren Qualitätsstandard zu sichern.
Erfolgsentscheidend für das Gelingen der Ausbildung sei in jedem Fall ein intensiver Austausch zwischen Schülern, Betrieben und Schule. "Es hilft sehr, wenn Auszubildende am Arbeitsplatz von ihren Schulthemen berichten dürfen und in Theorie und Praxis aktiv gefördert werden", betont Cornelia Ehrhardt, die sich gut an ihren Neuanfang als Fachlehrerin im Bereich Textilreinigung erinnert.
"Jemand sagte mir damals: Ach, das ist die Abteilung, die so viel unterwegs ist!" Das habe sich bestätigt und als sinnvoll erwiesen. "Wir sind tatsächlich oft mit unseren Auszubildenden unterwegs, damit sie sehen und erleben, wie vielfältig unsere Branche ist. Wir besuchen Spezialbetriebe, werden regelmäßig zu Fachtagungen oder Messen eingeladen und erhalten Besuche von Spezialisten. Dadurch kommen unsere Schülerinnen und Schüler in den fachlichen Austausch und erfahren die Wertschätzung, die sie brauchen, um in ihrem Beruf anzukommen."