Keine Wäscher und keine Reiniger hatten sich zum Zukunftsforum „Waschen, Reinigen und Pflegen von Textilien“ in Münchberg angemeldet. Doch der ganztägige Workshop der Weber & Leucht GmbH behandelte viele relevante Themen für die gesamte Branche, besonders Trends und Neuentwicklungen.
Der Blick in die Tiefen der Gewebe
Im kleinen Kreis von nur 17 Teilnehmern fand am 24. April im Waschlabor Münchberg der Weber & Leucht GmbH das zweite Zukunftsforum statt, dessen Teilnehmer aus den Bereichen Gewebe- und Textilherstellung, Qualitätsprüfung, Chemie- und Geräteherstellung sowie Consulting stammten. Geschäftsführer und Veranstalter Thomas Leucht stimmte die Teilnehmer mit einem umfangreichen Überblick der Neuerungen, Entwicklungen und Trends aus der gesamten Branche auf den Work-shop ein.
Er erklärte den aus verschiedenen Bereichen stammenden Teilnehmern, dass das Waschen derzeit allgemein einen Wandel durchschreite, was als Chance betrachtet werden könne, da die vielseitigen Funktionen der Textilien einer veränderten Wäschepflege bedürften. In Bezug auf Funktionstextilien wie Outdoorbekleidung, PSA und Wellnesstextilien nannte er einige kritische Funktionen, die auch nach dem Waschprozess gewährleistet sein müssten. Dazu zählen bei den Wellnesstextilien beispielsweise die durchblutungsfördernden Inhaltsstoffe, im Bereich der PSA die Stromisolierung oder bei Tischdecken die schmutzabweisende Funktion. Eine angeregte Diskussion löste diese Kennzeichnung aus, da Bernd Wagner, vereidigter Sachverständiger für Möbelstoffe, nach der Definition von „schmutzabweisend“ fragte. Seiner Meinung nach verstehe der Endverbraucher darunter, dass das Textil keinen Schmutz annehme. Ebenso streitig sei die Bedeutung von „pflegeleicht“, wozu es ebenso wenig eine eindeutige Definition gebe, daher riet Leucht den anwesenden Unternehmensvertretern: „Wenn das Marketing auf solche Ausdrücke Wert legt, sollten Sie sich entsprechend absichern.“ Funktionstextilhersteller W. L. Gore & Associates z.B. mache dies über entsprechende Zertifikate.
Für Unverständnis sorgte das Thema des Flammschutzes bei Schlafbekleidung für Kinder (Babys ausgenommen), da hierbei der Flammschutzhersteller „den schwarzen Peter“ bekommt, so Leucht. Die Norm EN 14878 regelt die Eignung flammgeschützter Schlafbekleidung für Kinder. Das sei zwar für viele Textilien im Neuzustand problemlos zu bewerkstelligen und auch nachzuprüfen, doch „die Norm hat die Behandlung der Textilien im Privathaushalt unzureichend geregelt“, so Leucht. Spezielle Regelungen der Norm wurden für Großbritannien vorgesehen und auch aus staatlicher Sicht sei die Norm bezüglich der Verträglichkeit der Flammschutzmittel problematisch. Ein weiteres Thema waren die falsch durchgeführten Imprägnierverfahren, die eine ganze Bandbreite an Schadensbildern hervorrufen können. So seien Farbveränderungen und eine Verschlechterung der Farbechtheit möglich, doch auch Verluste der Atmungsaktivität, das Ablösen der Membrane und Nahtabdichtbänder, ein hoher Warenschrumpf und die Beschädigung von Applikationen und Reflexstreifen seien ebenso denkbar. Als einen der Haupttrends stellte Leucht die Mikrofaser vor, die die höchste Wachstumsrate aller Fasern der vierten Generation habe und „in fast allen Anwendungsbereichen zu finden ist“, so Leucht. Er stellte auch heraus, dass die Mikrofaser hinsichtlich des Faserquerschnitts nicht einheitlich klassifiziert sei. Als Vorteile dieser Faser stellte er u.a. die rasche Trocknung, die Unanfälligkeit gegen Knitterbildung sowie die mögliche Wäsche bei hohen Temperaturen heraus. In seinem Überblick ging der Workshopleiter auch auf das aktuelle Niedrigtemperaturszenario ein, das für einige der Seminarteilnehmer neu war. Dabei ging es um den Trend, allgemein niedrigere Waschtemperaturen zu wählen, um Energiekosten einzusparen. „Statt mit 60 °C wird mit 40 °C gewaschen, statt 30 Grad nur noch mit 20 °C“, erklärte der Referent. Neben der Einsparung der Energiekosten dürfe man jedoch die Risiken nicht missachten. So seien entstehende Keime bei Niedrigtemperaturen oftmals nur unzureichend zu reduzieren, „was man beispielsweise an einem unangenehmen Geruch bemerkt“, klärte Leucht auf. Somit seien häufig Desinfektionsmittel notwendig, spezielle Reiniger für die Waschmaschine, „oder doch mal wieder das Waschen bei hoher Temperatur“, sieht er im Niedrigtemperaturszenario einige Schwierigkeiten.
Bezüglich der Neuerungen bei den Wasch- und Pflegemitteln nannte er einige Beispiele wie Farbschutzmittel, Geruchsblocker sowie antiallergene Produktsortimente.
Leucht präsentierte im Folgenden eine Übersicht der Textilfasern, wobei zwischen Naturfasern und Chemiefasern zu unterscheiden sei. Naturfasern wiederum seien in pflanzliche (z. B. Jute, Kapok, Ramie und Leinen) und tierische Fasern (z.B. Seide, Kaschmir-, Mohair- oder Alpakawolle) zu gliedern. Im Bereich der Chemiefasern gilt es nach Leucht die natürlichen Polymere (z.B. Viskose, Cupro und Acetat) und die synthetischen Polymere (z.B. Polyester, Acrylfasern und Polyurethan) zu trennen.
Der technologische Überblick der angewandten, professionellen Reinigung zeigte die derzeitigen fünf Verfahren: Per, KWL, CO2, Ultraschall sowie Wasser und konnte damit auf den Vortrag von Holger Dannenberg von Elektrolux überleiten, der das Nassreinigungsverfahren „Lagoon“ vorstellte, das einzige von Woolmark zertifizierte Verfahren. In dem Verfahren sieht Dannenberg, Segment Manager des Geschäftsbereichs Wäschereisysteme, die Möglichkeit, auf die Ansprüche des geänderten Marktes reagieren zu können. Für die Nassreinigung sei in der Pflegekennzeichnung auch ein neues Symbol eingeführt worden, das eingekreiste „W“.
Über das Verfahren könne man alle Textilien reinigen, besonders geeignet sei es für Textilien, die nicht chemisch gereinigt werden könnten wie beispielsweise PVC-gefütterte, mit Lederkragen versehene Jacken oder Bekleidung mit Beflockung. Bei der Reinigung von Leder und Häuten sei ferner kein Nachfärben erforderlich.
Kennzeichnend für das Nassreinigungsverfahren sei die langsame Rotation der Waschtrommel, die „etwa vier Mal schwächer ist als eine herkömmliche Trommel“, so Dannenberg. Stillstandzeiten und Bewegungszeiten werden den Textilien angepasst. Eine Maximaltemperatur von 35 °C verhindere das Verfilzen oder Ausbluten der Textilien bei einer Dauer von rund 30 Minuten.
Die Motorbeschleunigung sei sehr gering, damit die Textilien in der Trommel nicht so weit angehoben werden und zurückfallen, sondern aus einer niedrigen Höhe entlang der Trommelwand „ins Wasser zurückrollen können“, erklärte Dannenberg. Zu beachten sei für den Anwender, dass eine Vorbehandlung notwendig sei wie Vordetachur zur Entfernung problematischer Flecken (Öle oder Fette) oder das Vorbürsten, um die Beseitigung der Allgemeinverschmutzung bei der Reinigung zu erleichtern. Auch müssen die Textilien nach Fasern, Artikelart und Farben sortiert werden, so Dannenberg.
Das Ladeverhältnis sollte die Hälfte der Nennkapazität nicht überschreiten, wodurch geringe mechanische Beanspruchung gewährleistet werden könne. Eingesetzte Waschmittel seien bei einem
ph-Wert von 5,5 haut- und wollneutral, zudem seien sie zu 100 Prozent biologisch abbaubar.
„Bei dem System erfolgt die Trocknung durch einen Trockner mit dementsprechender Restfeuchtesteuerung“, so der Referent, der auch erläuterte, dass beim Finishen mit sehr wenig Dampf, aber sehr viel Luft gearbeitet werde. „Reiniger müssen sich hier umstellen, weil sie mit einem gegensätzlichen Verhältnis von Luft und Dampf arbeiten“, so Dannenberg. Das Nassreinigungsverfahren existiere bereits seit Mitte der 90er Jahre, doch sei erst im letzten Jahr ein großes Umdenken geschehen, das noch anhalte. Der Experte geht davon aus, dass sich in den nächsten fünf Jahren ein weiterer Wandel einstellen wird, „in den USA – die in dem Bereich oft als Vorbild agieren – ist teilweise die Reinigung mit Per bereits verboten“, geht er von einer Wende auch in der deutschen Reinigungsbranche aus. Der Vorteil der Nassreinigung sei für den Kunden die deutliche Frische und der gute Griff der Textilien.
Thomas Leucht merkte an, dass die Branche gegenüber diesem Verfahren oft noch ein „reserviertes Verhalten“ zeige, da sich der Aufwand beim Finishen ändere. Auch wenn den Endverbrauchern immer mehr Möglichkeiten gegeben würden, ihre Wäsche selbst zu pflegen, so „ist das ein Handwerk und auch wenn die Technik vieles ermöglicht, wird immer ein Unterschied bleiben zwischen Laien- und Profileistung“, ist sich Leucht sicher.
Nach den theoretischen Ein- und Ausführungen der beiden Experten hatte Stephanie Weber vom Waschlabor einen Rundgang durch das Labor organisiert, bei dem die Workshopteilnehmer die Arbeit des Labors kennenlernen konnten und die Möglichkeit hatten, das theoretisch vorgestellte Nassreinigungsverfahren auch in seiner praktischen Anwendung kennenzulernen. Den Teilnehmern wurde die Gelegenheit gegeben, eine Anwendung des Systems komplett zu verfolgen.
Die Maschine verfügt zusätzlich über elf verschiedene Nassreinigungsprogramme, wovon das für „Wollmantel“ gezeigt wurde. Ferner sei es möglich, die Textilien in der Maschine einer Badimprägnierung zu unterziehen. Imprägniermittel würden wieder ausgespült werden, sodass der Anwender bedenkenlos in einer Maschine waschen und imprägnieren könne. Von der Frische der Wäsche konnten sich die Teilnehmer des Workshops ebenfalls überzeugen, da die gereinigten Mäntel zur Überzeugung von Nase zu Nase wanderten. Auf dem Programm stand neben Anschmutz-, Reinigungs- und Trocknertest auch der Blick in das Innere der Fasern. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, beschädigte Fasern durch das Mikroskop zu betachten, um den Unterschied zu erkennen zwischen intakter Faser und einer mechanisch beschädigten Faser. „Meistens sind die Schäden auf Anwenderfehler zurückzuführen“, erklärte Stephanie Weber, „entweder wird auf Spülgänge verzichtet oder zu viel Chemie verwendet.“ Die Auswirkungen aggressiver oder fehlerhafter Behandlung konnten die Teilnehmer auch anhand ausgewählter Textilproben ertasten. Hierbei wurde der Originalzustand dem Zustand nach der fehlerhaften Pflege gegenübergehalten und die Qualitätsunterschiede wurden optisch und haptisch deutlich. Auch Weber erkennt am Nassreinigungsverfahren Vorteile, „da werden zum einen nur spezielle Mittel verwendet und auf die Programme kann man nicht eingreifen – eine falsche Dosierung ist also von vorneherein ausgeschlossen“. Von der Leistung der Finisher im Rahmen des Nassreinigungssystems ließen sich einige Seminarteilnehmer erst durch das Finishen des eigenen Jacketts überzeugen. Den Besuch im Prüf- und Waschlabor nutzten einige auch, sich über einzelne Tätigkeiten des Labors zu informieren oder mit Thomas Leucht über im eigenen Unternehmen aufgetretene Problemfälle zu diskutieren.
Nach all der Praxis konnten sich die Seminarteilnehmer beim letzten Vortrag des Tages auf den Bereich der Medical Fabrics auf ein weiteres, für viele Teilnehmer neues, Branchenfeld einstimmen lassen. Frank Kolb von W. L. Gore & Associates ging dabei auf Probleme und Herausforderungen bei der Aufbereitung vom OP-Mänteln und Abdeckungssystemen ein. Er thematisierte auch die Schwierigkeiten, die durch Energie- und Umweltmanagement für die Wäsche dieser sensiblen Textilien entstehen. In der desinfizierenden Wäsche nach den Bestimmungen des Robert Koch-Instituts werden in der Vorwäsche Blut, Körpersekrete, Medikamente und Desinfektionsmittel beseitigt. Doch nutze man eine energie- und wassersparende Pressenwasservorspülung, so führe der zugeführte Sauerstoff in Verbindung mit dem Blut im Textil zu einer Gerinnung des Blutes und nicht zum gewünschten Reinigungsergebnis. Kolb erläuterte die einzelnen Arbeitschritte bei der Pflege der Krankenhaustextilien und deutete an, dass in Zukunft insgesamt eine breitere Kooperation nötig sein werde. „Der Zyklus beginnt schon bei den Garnen“, so Kolb, „für die Entwicklung neuer Waschverfahren ist eine Kooperation mit Detergenzienhersteller nötig.“ Auch die Maschinenentwicklung könne durch Reparaturtechnologien oder alternativen Sterilisationsmethoden einen Beitrag zur besseren Bewerkstelligung der Aufbereitung und Pflege der Wäsche beitragen. Aus Sicht seines Unternehmens führte Kolb an: „Wir müssen Waschexperten werden, um marktgerecht produzieren zu können.“
Nachdem die Teilnehmer am Abend in die Themen der verschiedenen Branchen eingeführt wurden, erkundigte sich Leucht als Workshopleiter nach den Reaktionen der Teilnehmer. Durchweg begrüßten sie die geringe Teilnehmerzahl mit dem Hauptargument, dass nur dadurch lebhafte und informative Diskussionen ermöglicht wurden und gemeinsam die Räumlichkeiten des Labors erkundet werden konnten. Auch die Perspektiven verschiedener Seiten der Branche kamen bei den Teilnehmern an, die so erfahren konnten, „wie komplex das Textil als Produkt ist“, wie Dr. Maria Haase-Möllmann von Rudolf Chemie zusammenfassend erklärte.
Einziger Wermutstropfen für den Veranstalter Leucht war, dass weder Wäscher noch Textilreiniger die Einladung zum Workshop wahrgenommen haben, hofft aber darauf, zukünftig auch aus diesen Bereichen Teilnehmer in Münchberg begrüßen zu dürfen, da er auch weiterhin Workshops dieser Art plant. Das nächste Zukunftsforum unter dem gleichen Titel findet am 26. Juni statt, Teilnehmerplätze sind noch frei. Iris Stelter
Infos: www.weber-leucht.com