Im Gespräch mit Martin Kannegiesser Die Mitarbeiter im Mittelpunkt

Vor 65 Jahren gründete Herbert Kannegiesser ein Familienunternehmen. Heute präsentiert sich die Firma Kannegiesser als "Technikpartner der Wäscherei". Aber nicht nur hochwertige, innovative Technik zählt in Vlotho. Martin Kannegiesser, Sohn des Gründers, investiert vor allem auch in seine Mitarbeiter. Elena Schönhaar, leitende Redakteurin von RWTextilservice, hat mit ihm anlässlich des Jubiläums gesprochen.

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    Martin Kannegiesser im Gespräch mit Elena Schönhaar.
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    Martin Kannegiesser verriet im Gespräch mit Elena Schönhaar, leitende Redakteurin von RWTextilservice, welche Herausforderungen er für die Textilpflegebranche sieht.
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    Kannegiesser: Standort Vlotho
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    Vom Standort Vlotho aus werden heute Vertrieb und Unternehmenskoordination weltweit gesteuert.
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    Das Unternehmen wurde 1948 von Herbert Kannegiesser gegründet und wuchs stetig.
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    Das Unternehmen wurde 1948 von Herbert Kannegiesser gegründet und wuchs stetig. Die Mitarbeiter waren dabei schon immer wichtig.

Es ist Mittagszeit im ostwestfälischen Vlotho; ein verregneter Novembertag. Auf dem Weg zur Kantine begrüßt Martin Kannegießer jeden einzelnen Mitarbeiter, der ihm begegnet, schenkt jedem ein Lächeln und bekommt eines zurück. Der Geschäftsführer kennt seine Mannschaft, schätzt sie, fördert sie.

Die Fertigungstiefe bei Kannegiesser liegt bei mehr als 60 Prozent. Was das Unternehmen selbst machen kann, macht es auch selbst. Denn die Maschinen für die professionelle Textilpflege sind komplex und werden in eher geringer Stückzahl produziert. Diese Komplexität erfordert viel Know-how, technisches Wissen. Und das macht die Mitarbeiter so wertvoll.

Ganz bewusst wird in Deutschland produziert – und das seit der Gründung im Jahr 1948. Auch wenn das 65-jährige Bestehen heute nicht so sehr als offizielles Jubiläumsdatum zählt, hat RWTextilservice dies als Anlass genommen, gemeinsam mit Martin Kannegiesser auf die Erfolgsgeschichte des weltweit tätigen Familienunternehmens zurückzublicken.

RWTextilservice: Herr Kannegiesser, haben Sie das 65-jährige Bestehen Ihres Unternehmens in diesem Jahr gefeiert?

Martin Kannegiesser: Ursprünglich hatten wir eine Feier mit unserer Belegschaft und uns nahestehenden Partnern im Oktober geplant. Anlass war auch, dass meine Mutter gleichzeitig den 95. Geburtstag gefeiert hätte. Leider ist durch ihren Tod am 2. September 2013 dieser Anlass entfallen.

Das ist ein großer Verlust, auch für die gesamte Wäschereibranche. Welche Rolle hat Irma Kannegiesser für das Unternehmen gespielt?

Die besondere Bedeutung meiner Mutter für das Unternehmen lag in ihrer Persönlichkeit. Sie hatte eine einmalige Begabung, durch ihre Art die Menschen zusammenzuführen. Wo immer Reibungen oder Konflikte entstanden, hat sie es verstanden, alles wieder ins Lot zu bringen. Sie hat den Dingen Farbe gegeben. Das ist mir auch in den vergangenen Wochen wieder besonders aufgefallen durch diese Woge von Anteilnahme und kleinen Geschichten und Bemerkungen. Sie war mit so vielen Menschen verbunden.

Die andere wichtige Funktion meiner Mutter hat mit dem Generationswechsel zu tun. Sie hat mir den Weg dazu geebnet. Schon von meiner Kindheit und Jugend an hat sie mich einbezogen, mich mit Menschen aus der Branche zusammengebracht, mir emotional Brücken nach innen und außen gebaut. Sie hat es gefördert und begleitet, dass Bekanntschaften, Freundschaften, Netzwerke in vielen Ländern entstanden sind. Ohne ihr Einwirken hätte ich wahrscheinlich etwas anderes gemacht, als in dieses damals noch recht kleine Unternehmen einzusteigen.

Sie hatte auch überhaupt keine Probleme damit, die Exportabteilung, die sie aufgebaut und etliche Jahre geführt hatte, an mich abzugeben, obwohl ich erst Mitte 20 war. Sie akzeptierte es, als ich zu ihr sagte: Die Exportabteilung ist nicht mehr zeitgemäß, wir lösen sie auf und organisieren das anders – nicht mehr Inland und Ausland, sondern nach Markt- und Kundensegmenten. Das Vertrauen meiner Mutter war unglaublich. Sie hat für die Mentalität, den Geist, für die grundsätzliche Aufstellung des Unternehmens enorm viel geleistet.

Sie hat Ihnen zu Recht vertraut, der Erfolg beweist es. Mittlerweile ist das Unternehmen weiter gewachsen. Wie bleibt man da "greifbar" für Kunden und Geschäftspartner?

Unsere Branche ist ja in der Regel weltweit mittelständisch geprägt. Wir haben zwar einzelne große Unternehmensgruppen, aber selbst diese sind oft von der Mentalität und dem Führungsstil her wie große Mittelständler. In solchen Unternehmen spielt das persönliche Element eine große Rolle, viel hängt von Personen ab. Und mittelständische Unternehmen müssen in der Regel langfristig ausgerichtet sein in ihrem Handeln. Natürlich müssen sie wirtschaftliche Gesichtspunkte beachten. Aber alles immer wesentlich stärker an langfristiger Stabilität ausgerichtet. Da wir nun eine Branche beliefern, die überwiegend aus Mittelständlern besteht, sollten wir auch selbst einer sein und so handeln. Dazu brauchen wir uns keine Mühe zu geben – wir sind überschaubar, ja klein, gemessen an den Maßstäben der Industrie. Wir sind familiär strukturiert. Uns als Unternehmen transparent zu halten und dicht an unseren Partnern dran zu sein, ergibt sich aus Mentalität, Struktur und Größe.

Wo sehen Sie weitere Kernkompetenzen von Kannegiesser?

In der Produktentwicklung bearbeiten wir seit vielen Jahren intensiv drei große Themen – und werden diese weiterhin bearbeiten. Das eine ist die weitere Rationalisierung und Automatisierung der Prozesse. Das zweite ist das ganze Feld der Logistik mit der Steuerung der Betriebsabläufe zur Verstetigung der Produktivität. Dazu müssen wir Daten und Informationsflüsse erfassen, sichtbar machen und für Steuerungsvorgänge nutzen. Das ist ein übergreifendes Thema, zum Teil auch verbunden mit Förder- und Sortiertechnik. Und der dritte Punkt ist die Einsparung von Ressourcen, also vor allem Wasser und Energie. Diese drei Themen finden sich bei uns in einzelnen Produkten wieder und im Gesamtprogramm. Wir bauen nicht nur einzelne Maschinen, sondern bieten Komplettsysteme. Deshalb unser Slogan: "Technikpartner der Wäscherei." Dabei auch ganz wichtig: Das Wissen rund um die Technik ist gebündelt in unseren sehr gut qualifizierten Mannschaften.

Wie stellen Sie die guten Qualifikationen sicher?

Wir investieren stark in Aus- und Weiterbildung. Denn das Entscheidende für ein Unternehmen sind die Mitarbeiter. Geeignete Gebäude gibt es woanders auch – qualifizierte Mitarbeiter sind schwieriger zu finden. Fachkräftemangel ist bei uns allerdings kein Thema. Seit vielen Jahren liegt die Ausbildungsquote bei uns konstant um die zehn Prozent. Der Nachwuchs kommt also aus den eigenen Reihen. Wir haben Ausbildungswerkstätten mit entsprechenden Fachkräften und geben zusätzlich zur Berufsschule noch selbst Unterricht.

Die Weiterbildung ist inzwischen genauso wichtig wie die Erstausbildung. Wir haben Weiterbildungsbeauftragte im Haus, die den Berufsweg jedes Mitarbeiters verfolgen und fördern. Mit einigen Unternehmen aus der Region haben wir uns zu einem Weiterbildungswerk zusammengeschlossen und bieten hier regelmäßig maßgeschneiderte Kurse an.

Eine weitere Besonderheit in unserem Unternehmen ist, dass es kaum Fluktuation gibt. Etliche Mitarbeiter sind in der dritten Generation hier; nicht selten erzählt ein Azubi: "Mein Opa hat auch schon hier gearbeitet." Dadurch wird auch das Wissen weitergegeben und bleibt dem Unternehmen erhalten. Diese Kontinuität bei den Mitarbeitern und den damit verbundenen Wissenstransfer versuchen wir auch zu erhalten. Denn da, wo es auf technisches Know-how und ständige Weiterentwicklung ankommt, kann man nicht nur auf die Personalkosten schauen und auf billige Produktionsstandorte.

Sie bekennen sich zum Produktionsstandort Deutschland. Warum?

Deutschland hat für technische Unternehmen einmal den Vorteil, dass es über eine gut ausgebildete Fachkräftebasis verfügt. Außerdem haben wir ein ausgesprochen dichtes Netzwerk an Technikfirmen. Es gibt kaum ein technisches Produkt oder eine technische Dienstleistung, für die man nicht etliche Anbieter in Deutschland findet. Das ist wichtig, denn nur durch dieses Zusammenwirken können gute Gesamtlösungen entstehen.

Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ist das Stichwort Nachhaltigkeit in aller Munde. Was tut Kannegiesser in dieser Richtung?

Dieser Begriff umfasst natürlich nicht nur den Bereich Ressourceneinsparung. Dazu gehört auch die gesamte personelle Entwicklung und Kultur eines Unternehmens. Und hier tun wir eine Menge. Neben des erwähnten Aus- und Weiterbildungsengagements ist für uns auch das Thema Teamarbeit immer wichtiger. Weil das Know-how gerade im technischen Bereich so umfangreich geworden ist, kann eine einzelne Person gar nicht alles wissen. Wir haben z.B. seit mehreren Jahren einen sogenannten Nachwuchspool.

Er entspringt einer gemeinsamen Initiative mit dem Betriebsrat. Wir bieten hier ständig interessante Projekte an, für die sich die Mitarbeiter bewerben können, um daran teilzunehmen. In diesen Projekten bekommen sie einen enormen Überblick über die Prozesse und Einblicke in neue Aufgabenbereiche. Die Leute können sich für das Projekt mit einem gewissen Prozentsatz ihrer Gesamtarbeitszeit betätigen. Die restliche Zeit verbleiben sie in ihrer Arbeitsgruppe. Diese verpflichtet sich wiederum aus Eigeninitiative, die in der Gruppe ausgefallene Arbeitszeit irgendwie abzudecken. Dadurch entsteht eine Verzahnung von Projektarbeit und Sicherung der täglichen Abläufe, die außerdem die Teamfähigkeit fördert. Die Mitarbeiter steuern sich selbst. Dadurch haben wir eine Kultur, die durchaus als nachhaltig anzusehen ist.

Nachhaltigkeit ist sicherlich auch eine Aufgabe für die Textilpflegebranche. Wo sehen Sie weitere Herausforderungen?

In den etablierten Märkten sind die Spielräume für Mengenwachstum und Preiswachstum begrenzt. Die laufend steigenden Kosten kann man dadurch praktisch nicht mehr kompensieren. Das heißt, man muss sich ganz darauf konzentrieren, die Produktivität zu erhöhen und die Betriebskosten im Griff zu behalten. Das ist natürlich immer wichtig – aber in solchen Situationen lebenswichtig. Das ist eine große Herausforderung für unsere Branche. Viele werden sie meistern, aber viele auch nicht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Unternehmens?

Dass es sich kontinuierlich immer wieder den neuen Notwendigkeiten anpassen kann, ob von seiner Personalausstattung her oder der Kapitalstruktur. Organisation und Qualifikation der Mitarbeiter sollen weiterhin immer wieder nach den veränderten Anforderungen gerichtet werden. Ich wünsche mir generell eine hohe Kontinuität und möglichst wenig Brüche.

Herr Kannegiesser, vielen Dank für das Gespräch.