Preissteigerung in der Textilpflegebranche Durchs Tal der Tränen

Steigende Kosten sind in vielen Betrieben der Textilpflegebranche ein aktuelles Thema, das durch den wachsenden Wettbewerbsdruck zusätzliche Brisanz erhält. Angesichts der drohenden Wirtschaftskrise stellt sich zudem die Frage: Wie wird die Entwicklung weitergehen? RWTextilservice beschreibt die aktuelle Preissituation wichtiger Produktionsgüter für die Branche.

Gestiegene Stromkosten belasten die Textilpflegebranche in mehrfacher Hinsicht.Foto: E.ON - © E.ON

Durchs Tal der Tränen

Eigentlich ist es ganz einfach: Jemand fragt ein Gut stärker nach, möchte es um jeden Preis haben. Weil dieses Gut durch erhöhte Nachfrage dann immer knapper und seltener, gleichzeitig wertvoller und begehrenswerter wird, steigt sein Preis. Gleiches kann passieren, wenn es immer aufwändiger wird, dieses Gut zu gewinnen, es bereit- oder herzustellen. So kann es auch mit Rohstoffen, Energie und letztlich Stahl sowie Waschmittelinhaltsstoffen geschehen. Wenn aus einem verteuerten Gut schließlich Maschinen gebaut oder Reinigungsmittel hergestellt werden, müssten diese eigentlich zwangsläufig ebenso teurer werden. Es sei denn, die Hersteller geben die gestiegenen Rohstoff- oder Energiepreise nicht an ihre Kunden weiter. An diesem Punkt der Gedankenskizze kommen die Inhaber und Betreiber von Reinigungen und Wäschereien ins Spiel, die wiederum kalkulieren müssen, wie sie ihre Preispolitik gestalten, um die Kunden zufrieden zu stellen.

Den Anlass für diese kurze Analyse kann jeder fast täglich in den Nachrichten mitverfolgen: chaotische Finanzmärkte und turbulente Preisentwicklungen mit Folgen für Industrie, Handel, Dienstleistung und Verbraucher. Sogar das Schlagwort Rezession wird genannt. Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, der anerkannte Wirtschaftsforschungsinstitute aus Deutschland und Österreich angehören, hat die Entwicklungen zusammengefasst: Danach befindet sich die Weltwirtschaft seit Herbst 2008 im Abschwung. Schuld daran seien verschiedene Faktoren: der weltweite rohstoffpreisbedingte Inflationsschub, Korrekturen an den Immobilienmärkten in immer mehr Ländern sowie die weltweite Finanzmarktkrise. Schließlich seien die Weltmarktpreise für Energieträger und Rohstoffe massiv angestiegen. Die Experten erwarten für die kommenden Monate einen Produktionsrückgang. Immerhin hätten sich die „Erwartungen der Unternehmen in nahezu allen Sektoren der Wirtschaft in einem Maße verschlechtert, wie das in der Vergangenheit nur in Rezessionen zu beobachten war“. Trotzdem bleibt die Hoffnung. Denn die Institute melden gleichzeitig, dass die Weltwirtschaft durch eine weiterhin kräftige Nachfrage aus den Schwellenländern – zum Beispiel China und Indien – gestützt werde. Der Nachfragezuwachs bleibe beachtlich, obwohl der Produktionsanstieg auch dort zurückgehe.

Zunächst interessiert der Maschinenmarkt – denn die skizzierte Gesamtentwicklung wirkt sich auch auf sämtliche Betriebe der Wäscherei- und Textilpflegebranche aus. Schließlich stellen die einen als Produzenten Maschinen und Anlagen her, die die anderen beim Dienst am Kunden dann nutzen. Dabei interessiert die Abnehmer der Preis, den sie künftig für Maschinentechnik zahlen müssen. Dass Maschinen nicht teurer werden, und wenn, dann im Verhältnis zu Rohstoffen nur geringfügig, ist aus dem Hause des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) zu hören. Keine wirklich guten Aussichten für die Branche. Schließlich werden die Rohstoffpreise mittel- und langfristig weiter anziehen und dadurch sinkt die Marge für die Hersteller. Gleichzeitig müssen die Endnutzer unterm Strich dennoch mit steigenden Preisen rechnen. Da die Geräte in Wäschereien und Reinigungen hauptsächlich aus Stahl gefertigt werden, lohnt sich ein Blick auf die aktuelle und zukünftige Marktentwicklung.

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl prognostiziert der deutschen Stahlindustrie für das Jahr 2008 wieder ein Produktionsvolumen von etwa 48,5 Millionen Tonnen Stahl. Ein weiteres Wachstum werde aber nicht erwartet. Gleichzeitig sehen führende Beratungsgesellschaften die Stahlpreise aktuell weltweit im freien Fall. Käufer hielten sich zurück, weil sie weiter fallende Preise erwarteten. Stahlhersteller hätten wegen des Nachfragerückgangs bereits angekündigt, ihre Produktion zu drosseln. In China seien die Stahlwerte inzwischen ebenfalls gewaltig gefallen. Auch dort sei nach dem Einbruch der Weltkonjunktur die Nachfrage schwach, das Vertrauen in den Markt negativ und die Stahllager seien überfüllt. Trotzdem ist Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, optimistisch. Positiv wertet er den „Ausbau der Infrastruktur und die anhaltend hohe Nachfrage nach Energie und Mobilität, vor allem in den Schwellenländern, die allesamt gewaltige Mengen an Stahl benötigen“. Angesichts des weltweit steigenden Rohstoffbedarfs sei nicht davon auszugehen, dass sich die Lage auf den Rohstoffmärkten kurzfristig entspannen werde. Zur Verdeutlichung: Der Preis für Eisenerz hat sich 2008 gegenüber 2007, je nach Erzsorte um bis zu 87 Prozent erhöht, der Kokskohlepreis sogar mehr als verdreifacht. Der Schrottpreis ist seit 2007 in der Spitze um etwa 85 Prozent gestiegen. Darüber hinaus sind seit Anfang 2008 bei weiteren wichtigen Einsatzstoffen wie Zinn und Chrom ebenfalls erhebliche Preissprünge zu verzeichnen. Allerdings, so die Experten der Wirtschaftsvereinigung Stahl, wirkten sich die Stahlpreissteigerungen auf das Endprodukt nur begrenzt aus. Zumindest belaste diese Entwicklung nicht die allgemeine Industriekonjunktur.

Trotzdem wird die Textilpflegebranche weiterhin von den Turbulenzen an den erwähnten Rohstoffmärkten betroffen sein. Muss man deshalb umdenken? Ist die Zeit gar reif für neue Materialien? Dazu und zu den steigenden Edelstahlpreisen befragt, sagte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser in einem Interview, die Suche nach neuen Werkstoffen gehe natürlich immer weiter. Bei seinem Unternehmen sehe er aber auf absehbare Zeit noch keine Alternative zum Edelstahl. Sein Argument: Es sei etwas anderes, wenn ein Automobilhersteller ein Forschungsprojekt für neue Materialien auflegt oder wenn dies ein Wäschereimaschinen-Hersteller unternehme. „Wir werden noch lange vom Edelstahl abhängig sein“, so Kannegiesser. Ebenso sind die Reinigungen und Wäschereien von chemischen Produkten abhängig. Erst Waschmittel und andere Chemikalien, fachgerecht verwendet, bringen bei der Pflege der Textilien den gewünschten Erfolg. Ohne diese Produkte geht es selten. Kränkelt also die Chemiebranche, müsste das auch die Textilpflegebranche spüren. Zumindest klagt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) inzwischen ebenfalls über die kräftig gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten. Noch seien die Auftragsbücher vieler Abnehmerbranchen allerdings gut gefüllt. Die Chemieunternehmen produzierten weiterhin auf hohem Niveau. Das Wachstum werde sich aber weiter abschwächen. Schon jetzt müsste die Textilpflegebranche die Folgen der Entwicklungen auf dem Chemiemarkt spüren: Laut VCI waren die chemischen Erzeugnisse im 2. Quartal 2008 im Durchschnitt immerhin 1,6 Prozent teurer als in den ersten drei Monaten. Im Jahresvergleich sei das Preisniveau um 4,5 Prozent gestiegen. Hauptgrund für diese Entwicklung: immer höhere Energie- und Rohstoffkosten.

Aktuell teilen Hersteller und Lieferanten ihren Kunden in der Textilpflegebranche diese schwierige Situation mit. In Kundenbriefen sprechen sie zum Beispiel von einer „prekären Situation an den Rohstoffmärkten“. Diese Herausforderung könne nur gemeinsam mit den Kunden gelöst werden. Denn die Preise für zentrale Waschmittelinhaltsstoffe hätten sich in den vergangenen Monaten geradezu „dramatisch verändert“: Im 1. Halbjahr 2008 im deutlich zweistelligen Prozentbereich, so stieg zum Beispiel der Preis für Natron- und Kalilauge um mehr als 80 Prozent und für Tenside über 15 Prozent. Besonders gravierend sei die Entwicklung des Phosphatpreises, der sich innerhalb weniger Monate um 250 Prozent erhöht habe. Weiter heißt es in einem solchen Kundenbrief, der exemplarisch für die Branchensituation ist: „Teilweise ist es sogar zu Versorgungsengpässen und Lieferverzögerungen gekommen. Aufgrund der uns vorliegenden Informationen gehen wir davon aus, dass sich dieses Szenario noch weiter verschärfen wird. Hinzu kommt die Ihnen bekannte Entwicklung des Rohölpreises mit Auswirkungen auf unsere Packmittel-, Transport- und Energiekosten. Wir werden natürlich alles tun, um dieser Preisentwicklung ... entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen werden wir mit Ihnen auf ihre Umsetzbarkeit überprüfen und detailliert diskutieren. Es ist aber schon jetzt klar, dass, ohne eine Erhöhung unserer Produktpreise, diese für unser Unternehmen existenzielle Herausforderung nicht zu bewältigen sein wird. Wir bitten Sie daher, schon heute um Ihr Verständnis, dass wir in dieser Angelegenheit in den nächsten Wochen das Gespräch mit Ihnen werden suchen müssen.“

Wie soll die Textilpflegebranche reagieren? Was bedeutet das Phänomen „Preissteigerung“ für Teilezulieferer, Maschinenhersteller, Wäschereiinhaber und Textilreiniger? Katja Eberl vom VDMA sieht Wege, die aus dem Tal der Tränen herausführen könnten. So müssten zum Beispiel Einsparungs- und Rationalisierungspotenziale konsequenter ausgeschöpft werden. Die Themen Umwelt- und Ressourcenschonung sollten bereits in der Herstellung der Textilpflegetechnologie eine größere Rolle spielen, ebenso bei ihrer Entwicklung und Verbesserung. Auch beim Kundenmarketing sieht die Expertin Verbesserungspotenzial. Als Signal nach außen sollte die Branche „aufzeigen, dass Qualität Geld kostet und dass reinigen und waschen lassen immer noch günstiger ist, als selbst zu waschen.“ Schließlich seien die Energie- und Wasserkosten auch für private Haushalte „enorm gestiegen“.Daniel Grosse