Vor drei Jahren modernisierte die Stiftung Liebenau ihre Wäscherei. Ziel war es, die Energie des Betriebes besser zu nutzen. Als der gekaufte Wärmetauscher kaputtging und nicht mehr repariert werden konnte, entwickelte die Stiftung ein eigenes Modell. Dieses läuft heute nicht nur problemlos, sondern ist inzwischen Teil eines ganzheitlichen Konzepts zur Energierückgewinnung geworden.
Stellen Sie sich vor, Sie sind Anlagenbauer, haben Ihre Ausbildung als Elektromeister abgeschlossen und einige Jahre Erfahrung in diversen Branchen gesammelt. Stellen Sie sich weiter vor, dass Sie gerne tüfteln und viele gute Ideen haben. Ihr Motto lautet:„Wenn es ein Problem gibt, dann lösen wir es.“ Das Beste:Ihr Arbeitgeber ermöglicht Ihnen, Ihr Talent und Ihre Ideen umzusetzen. Er lässt Ihnen bei der Umsetzung freie Hand und finanziert, sobald Sie ihn von Ihrem Einfall überzeugt haben und er an Ihr Projekt glaubt, den Bau von Anlagen. Ein Traum?Fast, aber er kann auch wahr werden.
Das 40-köpfige Team der vor einem guten Jahr gegründeten Libenau Gebäude- und Anlagenserivce GmbH (Ligas)hat ein Programm für Wäschereien entwickelt, mit dem jede Art von Energie, egal ob sie aus dem Trockner, der Waschstraße, der Waschmaschine oder einem anderen Gerät kommt, rückgewonnen und für unterschiedliche Zwecke wieder verwendet werden kann. Zu dem Programm gehören:Abwasserwärmetauscher, die Wärmerückgewinnung aus Kondensat durch eine Drucksenke aus der Abluft von Trocknern und der Raumabluft sowie die „Neue Heizzentrale Liebenau“, in der Inkontinenzunterlagen verbrannt und der Dampf der Wäscherei zugeführt wird.
Das junge Unternehmen hat einen weiteren Vorteil: Seine Aufträge ergeben sich aus Problemen, die es immer wieder im Berufsalltag der behinderten Menschen gibt, die bei einer der GmbHs in Liebenau angestellt sind. Der Hauptstandort der Stiftung nahe Tetnang im Allgäu ist ein eigenstäniges Dorf mit Werkstätten, Läden, Verwaltungsgebäuden und Unterkünften. Die ebenfalls hier ansässige Liebenau Service GmbHbietet Dienstleistungen in der Gebäudereinigung, dem Catering, der Gastronomie und auch im Wäschereibereich an.
6,5 t Wäsche pro Tag in Bearbeitung
Der Betrieb bearbeitet 6,5 t Wäsche pro Tag, davon sind 5,4 t Bewohnerwäsche. 36 gesunde in Teil- und Vollzeit und 42 körperlich oder geistig behinderte Menschen haben hier eine Anstellung gefunden. Ausgestattet ist die Wäscherei mit einer 12-Kammern-Waschstraße, die 2003 angeschafft wurde, sechs Durchlagetrocknern, einem Dampftrockner, einer Mangel und einer Finisheranlage. Die GmbHmuss wie andere Dienstleister kostendeckend arbeiten, was sie u.a. mit einer effizienten Energierückgewinnung erreicht.
Diese wurde vor drei Jahren in Angriff genommen, als der Betrieb modernisiert wurde. Zuerst ging die Liebenau Service GmbH den klassischen Weg, informierte sich am Markt über die Angebote und entschloss sich, ein Produkt aus Österreich zu kaufen. Dieser Wärmetauscher habe durchaus effizient gearbeitet, sagt Joachim Locher, Prokurist der Ligas, heute rückblickend, man sei zufrieden gewesen. Doch die Konstruktion war fehlerhaft, nach einem Jahr leckte das Gerät und war nicht mehr funktionstüchtig. Das Problem: Die Schweißnähte der Durchlaufrohre hielten den unterschiedlichen Temperaturen des Wassers nicht stand und rissen. Auch die Reparaturen des Herstellers halfen nichts und als dieser Insolvenz anmeldete, sollten die Anlagenbauer von Ligas die teure Anschaffung zunächst reparieren.
Als aber auch das schiefging, setzte sich Joachim Locher an seinen Schreibtisch. Er, der – wie der sich selbst nennt – „Vollbluttechniker“, geht in einer solchen Situation rational vor und fragt sich:Was ist das Problem? Welches Ergebnis brauchen wir? Wo müssen wir nachbessern? Gibt es Alternativen? „Am Anfang sitze ich an so etwas schon Tag und Nacht“, sagt er. Die Entwicklung von den ersten Handzeichnung über Skizzen zu exakten Plänen, dem ersten Prototypen hin zur Serienreife ist für ihn jedoch ein bereits vertrauter Prozess. Das erste Modell schweißt er aber immer noch gerne selbst zusammen.
Das erste Dreierbündel bestand aus drei mal zehn Röhren. Anhand geeichter Messgeräte wurde festgestellt, dass es möglich ist, noch mehr Energie herauszuholen. Nach weiteren Stunden am Schreibtisch, Überarbeitungen und Korrekturen kann Locher heute von der Entwicklung, die seinen Namen trägt, sagen:„Wir könnten uns morgen entschließen, 100 Wärmetauscher produzieren zu lassen.“ Intern oder extern – beides sei kein Problem.
Wärmetauscher im Betrieb
Der Wärmetauscher steht heute in Liebenau an einem Treppenabsatz in einem Raum, der an die Produktionshalle der Wäscherei anschließt. Warmes Abwasser und kaltes Leitungswasser werden an gegenüberliegenden Seiten des Geräts oben und unten hineingepumpt. Das warme Wasser fließt in der inneren, das kalte in der äußeren Röhre. In beide sind Spiralen eingelassen, die den Zeitraum verlängern, indem Warmes und Kaltes im Gegenstromprinzip aneinander vorbeifließen – ohne sich zu berühren, aber dennoch nah und lange genug, um die Wärme auszutauschen.
Laut Locher sollten die Rohre des Tauschers mind. 1,6 m hoch sein. Die gesamte Konstruktion benötige dann 2,4 m Höhe, um in einem Betrieb installiert werden zu können. Je länger die Rohre sind, desto schneller kann das Wasser durch sie hindurchgepumpt werden. Der Weg vom Wärmetauscher zur Wärmespeicher sollte sehr kurz sein, um möglichst wenig Wärme zu verlieren.
Aus seinen Erfahrungen mit den gerissenen Schweißnähten hat Locher gelernt, dass die Rohre ein gewisse Bewegungsfreiheit brauchen, um sich einige Millimeter ausdehnen und zusammenziehen zu können. Daher hat er bei seinem Wärmetauscher die Rohre nicht mehr verschweißt, sondern nur noch zusammengesteckt. Reinigen müsse er den Wärmetauscher alle vier bis fünf Monate, sagt Thomas Schlegel, technischer Leiter Textilservice beim Liebenau Service. Ein Blick auf den Zeiger, der misst, wie viel Wärme erzeugt wird, sagt ihm, wann es wieder Zeit ist, das Gerät für gute 2 Std. auszuschalten. Dann legt der den Treppenabsatz mit einer Plastikfolie aus, lässt die Halter aufschnappen, nimmt die Spiralen aus den Rohren heraus und lässt sie auf den Boden fallen. So werden sie wieder sauber.
„Noch viel effizienter als der Wärmetauscher ist unsere Drucksenke“, sagt Locher. Hier wird die Energie, die normalerweise aus der Abwärme entweicht, rückgewonnen. Die für eine Wäscherei typische Dampffahne gibt es so in Liebenau nicht mehr. Für den kommenden Winter hat die Stiftung bereits die Gasverträge gekürzt.
Denn bis dahin soll ein weiteres Projekt fertig sein –die Heizzentrale Liebenau, auch „Windel Willi“ genannt. Die Idee: Durch die Verbrennung von Inkontinenzunterlagen wird Dampf für die Wäscherei erzeugt. Die Anlage hat ein Genehmigungsverfahren wie eine Müllverbrennungsanlage hinter sich. Jetzt werden die Leitungen vom Heizwerk quer über den Campus zur Wäscherei gelegt. „Als Privatinvestor hätten wir wahrscheinlich schon längst vor der Bürokratie kapituliert“, gesteht Locher. Die Stiftung unterstützt das Projekt jedoch, bis es steht. Die steigenden Energiepreise genügend Argumente für die Geldgeber.
Komplexe Verwendung der Energie
Für ein Fazit muss nicht nur das Programm aus Wärmetauscher, Dampfdrucksenke und der Heizzentrale als Einheit betrachtet werden, sondern auch die komplexe Verwendung der Energie. Die Wäscherei wird in Liebenau nicht als einzelnes Gebäude betrachtet, in dem die Energiebilanz optimiert wird. Neben ihr gibt es auch andere Gebäude, die davon profitieren, dass Energie rückgewonnen und im Kraftwerk erzeugt wird.
Die geeichten Zähler haben folgende Daten ermittelt:Mit dem Wärmetauscher können jährlich 204 MWh, mit der Dampfdrucksenke 508 MWh eingespart werden. Die Wärmerückgewinnung aus der Trocknerluft ergab 77 MWh Einsparung. Von der gewonnenen Energie profitieren 6.100 m2Produktions- und Büroflächen. Nachts wird mit der Energie Holz getrocknet. Zudem speist Liebenau 192 MWh/a ins öffentliche Wärmenetz. Die Ideen der Stiftung sind jedoch noch lange nicht erschöpft. Und auch Locher sieht seine Arbeit als ein Ganzes, denn er sagt:„In 10 bis 15 Jahren möchte die Stiftung erreichen, dass Liebenau von der externen Energiezufuhr abgekoppelt ist.“ lin
Weitere Informationen unter Tel. 07542/10-1141.