Die hohe Barrierewirkung gegen Mikroorganismen und eine bessere Flüssigkeitsaufnahme textiler Mehrwegprodukte vermindert das Infektionsrisiko. Die lange Lebensdauer entlastet die Umwelt. Die Jungmichel Textil GmbH, Plauen, fertigt solche Textilien – zu 90 Prozentnach individuellen Kundenvorgaben.
OP-Textilien made in Sachsen
„Heidelberg“ heißt ein OP-Mantel, dessen Vorderseite komplett aus Volllaminat mit eingearbeiteter Klimamembran ausgestattet ist. Das Rückenteil wurde aus atmungsaktivem und flüssigkeitsabweisendem Polyestermikrofilamentgewebe gefertigt. Ein in der Praxis bewährtes Modell, das Dipl.-Ing. Hartmut Jungmichel seinerzeit für eine namhafte Uniklinik entwickelt hat. „Wir gehen bei EinhaltungderEU-Normen und der Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes auf individuelle Kundenwünsche ein“, unterstreicht der Plauener Unternehmer.
Hartmut Jungmichel hat die Textilindustrie von der Pike auf kennen gelernt. Seit 1968 arbeitete er in der zentralen Forschung des Kombinats Baumwolle in Plauen. Bis Anfang der 90er Jahre war er Bereichsleiter der Forschung und stellvertretender Geschäftsführer. „Die Praxis ist die beste Akademie“, so seine Philosophie.
Kein Wunder, dass aus dem angebotenen Eintritt in den Vorruhestand 1992 ein Unruhestand wurde. Mit 55 Jahren noch viel zu jung, gründete der Textilingenieur damals die Jungmichel Textil
– ein Unternehmen, das bis heute textile Wäschetücher, Wäschewickel- und Transportsäcke sowie Wäschenetze und Containereinzieh- und -überziehhauben an Wäschereien liefert.
Das zweite Unternehmen, die Jungmichel Textil GmbH, hat sich seit der Gründung vor vier Jahren als Produzent und Lieferant wiederverwendbarer Medizintextilien mit hohem Qualitätsstandard auf dem gesamten deutschen Markt etabliert. Hartmut Jungmichel: „Wir beliefern mittlerweile rund 100 Krankenhäuser und Wäscheleaser für den Bedarf an OP-Textilien und textilen Hygieneverpackungen.“ Auch in Schweizer medizinischen Einrichtungen ist die Marke „Jungmichel“ ein Begriff und neuerdings vertreibt sogar ein Repräsentant in Slowenien OP-Textilien aus Plauen.
Ein Standort- und Marktvorteil ist die Präsenz zahlreicher Zulieferer in Sachsen sowie im benachbarten Franken, die Rohstoffe mit hohem Qualitätsstandard produzieren. Hinzu kommt die Nähe zu den Textilforschungsinstituten in Chemnitz, Greiz und in der
TU Dresden. „Ich kaufe nur sehr wenige Rohstoffe im Ausland ein“, sagt der Unternehmer. Der Erfolg ist aber ebenso der Konfektionierung im eigenen Haus seit vier Jahren sowie dem persönlichen Kontakt zu den Kunden zu verdanken: „Der Umsatz hat sich seit 1992 verachtfacht“, verrät Hartmut Jungmichel.
Postoperative Komplikationen infolge von Keimübertragungen können nur durch eine zuverlässige Barrierefunktion vermieden werden. Deshalb hat Hartmut Jungmichel zusammen mit der Spinnhütte Plauen GmbH ein Polyestermikrofasergewebe entwickelt, das durch den Einsatz von Kohlefaserfäden die für Operationen unter sterilen Bedingungen notwendigen antistatischen Eigenschaften aufweist. Eine zwischen den beiden Trilaminatschichten befindliche Pumembran verhindert den Austausch von Flüssigkeiten und schützt somit Patienten und Operateure vor Infektionen.
Sowohl OP-Mäntel als auch Abdecktücher aus 100 Prozent Trilaminat können bei Temperaturen bis zu 80°C gewaschen und bei 134°C sterilisiert werden. Sie erfüllen daher die Anforderungen der EU-Richtlinie 93/42 EWG und der Europäischen Norm EN 13795 zur Verwendung als Medizinprodukt in Einrichtungen des Gesundheitswesens für Patienten, Klinikpersonal und Geräte für Eingriffe mit höchstem Risikoindex. Ebenso wie bei den
OP-Mänteln auf individuelle Kundenwünsche eingegangen wird, sind auch die Abdecktücher in allen gewünschten Größen und Schnittkonstruktionen einzeln oder als Sets lieferbar.
Insbesondere bei größeren chirurgischen Eingriffen mit hohem Flüssigkeitsverlust sind die Krankenhausträger bei der Nutzung mehrfach verwendbarer OP-Textilien auf der sicheren Seite: „Die Barrierewirkung gegenüber Flüssigkeiten ist nachweisbar zehnmal so stark wie die von Einwegmänteln und -tüchern“, erläutert der Unternehmer. Unter diesem Aspekt erübrige sich die Frage, welche Produkte langfristig betrachtet kostengünstiger sind. Zumal die Lebensdauer wiederverwendbarer OP-Textilien mindestens 50 Zyklen betrage, bekräftigt Hartmut Jungnickel. Müßig zu erwähnen, dass Waschtemperatur, -technologie und -rezepturen auf die Trilaminate und Pumembranen abgestimmt werden müssen. „An Interessenten, die in dieses Segment einsteigen möchten, liefern wir gern Probematerial“, so Hartmut Jungmichel. Kunden sind alle Einrichtungen, in denen die Wiederaufbereitung stattfindet
– also Kliniken mit eigenen Wäschereien und Dienstleister, die
OP-Wäsche an Krankenhäuser leasen.
90 Prozent der Produkte werden nach Kundenvorgaben angefertigt und innerhalb von zwei bis sechs Wochen unsteril geliefert. Hartmut Jungmichel ist kein Mann, der nach den Sternen greift: „Ich werde das Unternehmern stabil und mit Augenmaß weiterentwickeln.“ Tochter Steffi Karger testet in ihrer Wäscherei in Plauen neue Produkte während der Entwicklungsphase. Gute Voraussetzungen, die Jungmichel Textil GmbH in zweiter Generation zu übernehmen. Reinhard Wylegalla