Markt unter Druck Schweizer Wollkrise: Swisswool setzt Frühjahrsannahme 2025 aus

Volle Lager, sinkende Nachfrage, fehlende Wollwäschereien: Die Schweizer Wollwirtschaft steht unter Druck. Swisswool setzt die Frühjahrsannahme 2025 aus – und kämpft gleichzeitig für den Erhalt eines traditionsreichen, Rohstoffs mit einzigartigen Eigenschaften. Was passiert, wenn Schafswolle keinen Markt mehr findet?

Man zeigt den Aufbau von Schafswolle am Rücken eines Schafes.
Swisswool kann im Frühjahr 2025 keine neue Wolle ankaufen. - © swisswool

Die Lage ist ernst: Aufgrund fehlender Nachfrage und begrenzter Verarbeitungsinfrastrukturen kann Swisswool im Frühjahr 2025 keine neue Schafwolle ankaufen. Damit reagiert der größte Abnehmer von Schweizer Rohwolle auf volle Lagerbestände und strukturelle Engpässe in der Verwertung. Die Maßnahme ist temporär – für die Herbstsammlung rechnet Swisswool mit einer regulären Durchführung. Warum dennoch mehr auf dem Spiel steht als ein Rohstoff und was jetzt passieren muss.

Nachfrage und Infrastruktur bröckeln

Die Nachfrage nach Schweizer Schafswolle ist insbesondere in der Matratzen- und Dämmstoffindustrie rückläufig. Dieser Bereich nahm bislang die größten Volumina ab. Dort verdrängen synthetische Alternativen zunehmend natürliche Fasern – obwohl Wolle mit exzellenten Eigenschaften in puncto Feuchtigkeitsregulation, Brandschutz und Umweltverträglichkeit punktet.

Erschwerend kommt hinzu: Die wirtschaftliche Lage der langjährigen Partner-Wäscherei in Belgien ist instabil. In Europa gibt es kaum noch industrielle Wollwäschereien – eine Lücke, die die gesamte Branche und damit die gesamte Wertschöpfungskette betrifft.

Nach der Schur lässt sich die Naturfaser nicht einfach so weiterverarbeiten, sie muss erst gewaschen werden. Und genau da liegt der Knackpunkt. Auch in Deutschland gibt es keine Wollwäscherei mehr. Zumindest bis jetzt. Hier weiterlesen.

Swisswool bleibt zentraler Player im Schweizer Wollmarkt

Trotz des Nachfragerückgangs bleibt Swisswool einer der wichtigsten Akteure in der Schweizer Wollwirtschaft. Im Jahr 2024 nahm das Unternehmen insgesamt 213 Tonnen Rohwolle ab – davon 158 Tonnen direkt an eigenen Annahmestellen. 55 Tonnen wurden zugekauft.

Gegründet wurde Swisswool 2010 in Buchs im Kanton St. Gallen als Antwort auf die Schließung der Inlandswollzentrale IWZ. Seitdem hat sich ein Netzwerk aus rund 20 Wollannahmestellen etabliert. Die Rohwolle stammt direkt von Schweizer Landwirten – regional, nachvollziehbar und nachhaltig.

Wollverarbeitung in Schweiz und Dinkelsbühl

Da die Schweiz keine vollständige industrielle Infrastruktur für alle Veredelungsschritte mehr besitzt, erfolgt ein Teil der Verarbeitung – etwa zu Vliesstoffen oder Akustikelementen – im bayerischen Dinkelsbühl. Dort gefertigte Produkte wie Matratzenvliese gehen ausschließlich an Schweizer Hersteller. Andere Produkte wie die neue Teppichkollektion aus Schwarznasenschafwolle werden komplett in der Schweiz gefertigt – unter anderem in Zusammenarbeit mit der Wollspinnerei Huttwil und Lantal Textiles. Auch bei anderen Produkten erfolgen zentrale Arbeitsschritte in der Schweiz – etwa das Nähen durch die Stiftung Pigna.

Swisswool finanziert den gesamten Betrieb, von der Sammlung bis zur Verarbeitung und Vermarktung, eigenständig.

Ein Schaf steht auf der Wiese und blöckt.
Der deutsche Wollpreis liegt im Keller, das liegt auch daran, dass hierzulande eine geeignete Wollwäscherei fehlt. Noch. - © Foto: Kara – stock.adobe.com

Warum Schweizer Wolle mehr als ein Rohstoff ist

Wolle ist zwar nicht der wirtschaftlich wichtigste Teil der Schafhaltung, aber ein zentraler Bestandteil für deren ganzheitliche Nutzung. Sie macht die Haltung wirtschaftlich tragfähiger – insbesondere in alpinen Regionen. Gleichzeitig erfüllt die Weidewirtschaft wichtige ökologische Funktionen: Sie verhindert Verbuschung, schützt vor Erosion, fördert Biodiversität und erhält Kulturlandschaften. Nur wenn Schafe nicht nur Fleisch und Milch, sondern auch Wolle liefern, ergibt sich eine wirtschaftlich und ökologisch tragfähige Perspektive. Fällt die Wolle als verwertbares Produkt weg, gerät das gesamte System unter Druck.

Ein Problem mit globalen Konsequenzen

Die Herausforderungen rund um die Wollverwertung betreffen nicht nur die Schweiz. Europaweit wird nur rund ein Drittel der geschorenen Wolle genutzt. Industrielle Infrastrukturen für die Wäsche, Sortierung oder Weiterverarbeitung von Wolle sind vielerorts verschwunden. Verloren gehen damit nicht nur wirtschaftliche Potenziale, sondern auch handwerkliches Know-how, Umweltleistungen und kulturelles Erbe.

Was muss passieren?

Es braucht eine neue Wahrnehmung von Wolle – nicht als Neben- oder Abfallprodukt, sondern als wertvollen, klimapositiven Werkstoff. Dafür sind gezielte Aufklärung, gutes Design und glaubwürdiges Marketing entscheidend. Je mehr Menschen den Wert von Naturmaterialien verstehen, desto eher wird sie auch nachgefragt.

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