Die Textilreiniger-Innung Berlin-Brandenburg besuchte im Rahmen ihres Verbandstreffens ein Seminar über Nassreinigung in Münchberg. Gezeigt wurde, wie man Textilien aus Wolle mit einer bestimmten Waschschleudermaschine schonend reinigen kann.
Spannender als das Fernsehen
„Wenn ich jetzt fernsehen würde, hätte ich schon längst umgeschaltet“, ruft einer der Teilnehmer des Nassreinigungsseminars von Electrolux Professional. Zusammen mit weiteren Personen hat er sich um eine Waschmaschine versammelt und wartet darauf, dass etwas passiert. Gerade die Tatsache, dass nicht viel passiert, ist jedoch das Besondere an der Lagoon-Waschmaschine. Mit ihr können nicht nur Standard-Textilien wie Betttücher, Decken oder Kopfkissenbezüge gewaschen werden, sondern auch empfindliche Kleidung. Und so schaltet auch kein Teilnehmer um bzw. ab, sondern viele beteiligen sich mit Wortmeldungen.
Wegen der hohen Teilnehmerzahl – insgesamt reisten 45 Interessierte der Textilreiniger-Innung Berlin-Brandenburg an – wurden zwei kleinere Gruppen zusammengestellt, um die Seminarinhalte besser vermitteln zu können. In einem theoretischen Teil referierte u.a. Stefan Franke von Woolmark, Düsseldorf. Normalerweise vergibt die Firma ein Wollsiegel für Textilien, die Schurwollgehalt haben. Mit dem LagoonWoolmark-System wurde nun auch eine Methode mit diesem Siegel zertifiziert. Drei Jahre arbeiteten Electrolux und Woolmark an der Lösung, mit der man Woll- und Wollmischgewebe reinigen kann. Andreas Dessecker, Leiter Vertriebsinnendienst von Electrolux, verdeutlicht, dass man eine Maschine entwickelt habe, welche die Eigenschaften der Textilien berücksichtigt. Gerade mit der Zertifizierung hätten die Anwender einen Versicherungsschutz, denn Woolmark garantiert den Prozess Lagoon für Kleidungsstücke mit dem Etikett „nur chemisch reinigen“. In einem praktischen Teil, der sich mit Waschen, Trocknen und Finishing befasste, konnten sich die Teilnehmer selbst ein Bild über das Nassreinigungssystem machen.
Stephanie Weber vom Schulungszentrum Weber & Leucht GmbH, Münchberg, in dem das Seminar stattfindet, füllt die Lagoon/Woolmark-Waschschleudermaschine mit Kleidungsstücken, bei denen alle Symbole der Pflegekennzeichnung durchgestrichen sind. Vor dem Reinigen müssen die Artikel nach Art und Farbe sortiert und bei Verfleckung vorbehandelt werden.
Wie ein Detachiervorgang abläuft, zeigt Jacopo Torricelli von der Firma Seitz an einer weiteren Station. Die Kleidungsstücke werden auf Flecken untersucht, die dann mit spezifischen Detachiermitteln – insgesamt gibt es sieben – vorbehandelt werden. Ein Kleidungsstück nach dem anderen bearbeitet Torricelli. Dabei geht er immer nach dem gleichen Schema vor: Auf Flecken untersuchen, Flecken mit den Detachiermitteln versehen, Vorbürsten an Kragen, an den Enden von Hosenbeinen und Taschen. Die Gruppe wird ungeduldig. „Wir wollen gerne Lippenstiftflecken auf einem weißen Kragen sehen. Das sind richtige Probleme. Die Sachen, die sie jetzt behandeln, sind doch alle sauber“, beschwert sich eine Teilnehmerin. Torricelli nimmt sich den Wunsch zu Herzen. Ein paar Kleidungsstücke werden mit Lippgloss, Butter und Ei beschmiert. Trotz Erfolg wirken die Teilnehmer noch nicht überzeugt. Die meisten von ihnen kennen den Detachiervorgang bereits.
Zurück zum Reinigungsvorgang. Holger Dannenberg von Electrolux weist darauf hin, dass die Maschine, die normalerweise 13 kg fasst, zur Schonung der Textilien nur zur Hälfte beladen werden sollte. Im Reinigungsgang wird mit einer maximalen Temperatur von 35°C gewaschen. Dass scheinbar erst einmal nichts passiert, liegt daran, dass es kaum eine Drehbewegung gibt, bis die entsprechende Gradzahl erreicht ist. „So können die Fasern der Textilien langsam an die Temperatur angepasst werden“, erklärt Dannenberg. Nur beim Einspülen des Waschmittels bewegt sich die Trommel, um dieses zu verteilen. Der Waschgang läuft mit lediglich 24 U/Min. „Außerdem wäscht die Maschine bei einem pH-Wert von 5 bis 5,5. Dies ist der isoionische Bereich der Wolle“, fügt Thomas Leucht von Weber & Leucht hinzu. Die Umdrehungszahl und der pH-Wert sind besonders schonend für die Wollfasern. Während der Reinigungs- und Spülprogramme dreht sich die Wäsche nicht vollständig, d.h., dass möglichst wenig mechanische Kraft wirkt. Das soll verhindern, dass die Kleidungsstücke zu sehr verknicken. Für die verschiedenen Programme, die eingestellt werden können, gibt es zum Dosieren vier Mittel der Firma Sicly aus Italien. Zum einem das Waschmittel, zum anderen Mittel, die im Spülgang eingesetzt, z.B. das anschließende Bügeln erleichtern sollen. Das Programm sucht sich Wasch- und Pflegemittel je nach Einstellung selbst aus. „Natürlich können auch eigene Programme kreiert werden. Wer z.B. bis auf 42°C aufheizen möchte, kann auch das einstellen“, erläutert Dannenberg.
Nach Wasch- und Spülgang schleudert die Maschine die Wolle mit einer Umdrehungszahl von 980, Seide wird lediglich mit 500 Umdrehungen geschleudert. Die Textilien sind nach 30 Min. fertig gereinigt. Interessiert überzeugen sich die Teilnehmer vom frischen Geruch der Kleidungsstücke, die Stephanie Weber aus der Maschine holt, um sie anschließend in den Trockner zu bringen. Neben der Waschschleudermaschine umfasst das Lagoon-System auch einen Trockner und Finishing-Geräte. „Wolle sollte nicht übertrocknet werden. 11 bis 12 % sind die relative Feuchte der Wollfaser“, erklärt Thomas Leucht. Der Lagoon-Trockner besitzt laut Leucht das notwendige Volumen, um die Kleidung knitterarm zu trocknen. Er passt die Temperatur an die gewünschte Feuchte an. Das nennt man Restfeuchtesteuerung. Nach 10 Min. werden die Textilien aus dem Trockner genommen – dann erfolgt der zweite Trocknungsschritt. „Sakkos aus Wolle sollten über Nacht auf einen Bügel gehängt werden“, sagt Dannenberg. So seien sie am besten für das Finishing vorbereitet.
Dementsprechend wird das Finishing auch erst einen Tag später von Ortrun Horwarth von Simons Reinigung präsentiert. „Es ist wichtig, dass sich die Kleidungsstücke aushängen, bevor sie zum Vorfinishing kommen“, erklärt Horwarth. Minimum dafür sei eine Stunde. Beim Vorfinishing wird die Kleidung auf einen Formfinisher aufgezogen – ein Gerät, das durch seine Form umgangssprachlich auch als Finishing-Puppe bezeichnet wird. Mit Dampf wird das Kleidungsstück aufgepumpt, um grobe Verknitterungen auszugleichen. Im End-Finishing werden z.B. Bündchen, Kragen und Schulterpolster an einem Bügeltisch angebügelt.
Dass das Seminar dann doch spannender als so manches Fernsehprogramm war, zeigte v.a. die Bereitschaft der Teilnehmer zur Diskussion. Alle blieben bis zum Ende der Vorträge und Präsentationen und viele brachten sich aktiv in das Geschehen ein. Ausgeschaltet oder umgeschaltet hätte hier bestimmt niemand. Lisa Zeidler