Messe Techtextil 2024: Schutz und Umwelt im Fokus

Die Fachmesse Techtextil 2024 in Frankfurt/Main hat erneut gezeigt, welches Potenzial in technischen Textilien steckt. Neue Entwicklungen sorgen nicht nur für einen besseren Schutz und mehr Komfort, sondern gehen auch mit ökologischen Vorteilen einher. Dennoch können drei gefüllte Messehallen nicht über eine gedämpfte Grundstimmung in der Branche und einen Rückgang der Ausstellerzahlen im Vergleich zur letzten vollwertigen Techtextil im Jahr 2019 hinwegtäuschen.

Ein abrasionsbeständiges Besatzmaterial auf der Basis biologisch abbaubarer Biopolymere ist erklärungsbedürftig, weshalb Inventex eine eigene Broschüre für das Produkt entwickelt hat. - © Sabine Anton-Katzenbach

Vor knapp vier Jahrzehnten wurde in Frankfurt/Main die erste internationale Messe für Technische Textilien und Vliesstoffe aus der Taufe gehoben. Mit dem Launch der Techtextil hat der Veranstalter Weitsicht bewiesen: Aus der anfänglich kleinen, auf eine Halle begrenzten Ausstellung entwickelte sich allmählich eine internationale Leitmesse, die inzwischen drei riesige Messehallen füllt.

Alle zwei Jahre werden dort textile Innovationen aus unterschiedlichsten Anwendungsbereichen gezeigt; sie reichen vom Automobilbau bis zur Raumfahrt, von der Architektur bis zur Persönlichen Schutzausrüstung.

Techtextil 2024: Jubiläum und Statistik

Auch in diesem Jahr präsentierten in der Zeit vom 23. bis 26. April etwa 1.400 Aussteller aus 52 Ländern ihre neuesten Produkte. Diese Zahl stimmt den Geschäftsführer der Messe Frankfurt, Detlef Braun, positiv. Anlässlich der Eröffnungspressekonferenz verkündete er, dass die Techtextil zu ihrem 20. Jubiläum größer als je zuvor sei und sich im Duo mit der Texprocess in Topform präsentiere. Das Wachstum der technischen Textilien hätte das Unternehmen außerdem dazu veranlasst, die Techtextil ab sofort auch in Vietnam stattfinden zu lassen. Nach Deutschland, den USA und Indien – die Techtextil Russia ist aus bekannten Gründen ausgesetzt – ist die Messe nun auf vier Weltregionen ausgerollt.

Abrasionsbeständige, biologisch abbaubare Besatzmaterialien

Nach der Techtextil im Jahr 2022, die noch mit den Nachwehen der Corona-Pandemie zu kämpfen hatte, zeichnete sich die diesjährige Messe durch vielfältige Innovationen aus. Viele der gezeigten Neuheiten entlang der textilen Kette sowie den Materialien für Berufs- und Schutzkleidung gingen auf das Konto "Nachhaltigkeit, Zirkularität, Ökologie" oder waren der Verbesserung von Komfort und Schutz gewidmet.

Besonders spannende Neuheiten aus beiden Schwerpunkten waren unter anderem bei Inventex Spezialwerk Funke (Hof) und Outlast Technologies (Heidenheim) zu sehen.

  • Inventex ist es nach zweijähriger Entwicklungsarbeit gelungen, abrasionsbeständige Besatzmaterialien auf der Basis biologisch abbaubarer Biopolymere herzustellen.
  • Um Greenwashing vorzubeugen, hat das Unternehmen die Rahmenbedingungen der Spezialbeschichtung transparent dargestellt.
  • Diese wird derzeit auf Strickware aus reinem Leinen, 100 Prozent Hanf sowie einer Lyocell/Hanf-Mischung aufgebracht.
  • Die Textilien, die für elastische Besätze gedacht sind, haben z.T. eine extrem hohe Beständigkeit gegen mechanischen Abrieb und sind z.T. mit 50.000 Scheuertouren (Martindale) geprüft.
  • Bisher sind noch keine flammhemmenden Besatzmaterialien mit der Biopolymerbeschichtung erhältlich. Sie könnten allerdings die Recyclingmöglichkeit von Aramiden verbessern: Wenn die Beschichtung abgebaut ist, ließen sich die Fasern zurückgewinnen.

Leichter Isolationslayer, der auch bei Nässe funktioniert

Die von Outlast präsentierte Messeneuheit trägt den Namen "Aersulate". Dahinter verbirgt sich ein neuartiges Isolationsmaterial, das nicht nur sehr dünn und federleicht ist. Es behält seine Wirkung außerdem bei Kompression und Nässe, wenn Füllwatten und Daunen ihre wärmende Funktion längst verloren haben.

Die Technologie basiert auf einem Aerogel. Das Material ist der weltweit leichteste Feststoff, der aufgrund seiner besonderen Porenstruktur enorme Luftmengen einlagern kann, die wiederum bereits bei geringen Einsatzmengen einen hohen Isolierungswert haben. Allerdings ist Aerogel flüchtig, was die Verarbeitung sehr kompliziert macht.

Outlast ist es in einem patentierten Verfahren gelungen, das Pulver in ein Bildersystem einzulagern und dieses zwischen zwei textile Layer einzubringen. Die Isolationstextilien werden unter anderem in einer schwer entflammbaren Variante angeboten, die beispielsweise als hitzeisolierende Zwischenschicht für Feuerwehrkleidung eingesetzt werden kann.

Techtextil 2024: Die Pyroshell-Technologie von Schoeller Technologies verleiht dem neuen, industriell waschbaren Multinorm-Softshell-Material einen hohen Schutz gegen Flammen und Hitze. - © Sabine Anton-Katzenbach

Flammschutz mit Blähgraphit auf der Techtextil 2024

Dem Schutz von arbeitenden Menschen ist auch die Pyroshell-Technologie von Schoeller Technologies (Sevelen) gewidmet. Sie beruht auf der Einlagerung von Blähgraphit zwischen einem äußeren Layer und einer schwer entflammbaren inneren Textillage.

Bei Einwirkung von Flammen platzt die äußere Schicht auf und das eingelagerte Blähgraphit bildet eine quasi-keramische Schutzschicht aus. Diese schützt nicht nur vor Flammen, sondern auch eine begrenzte Zeit vor Hitzekonduktion.

Das Unternehmen nutzt die patentierte Technologie für unterschiedliche Textilqualitäten, die u.a. einem besseren passiven Schutz von Sicherheitskräften dienen. Sie wurde beispielsweise in ein querelastisches, industriell waschbares Multinorm-Softshell-Material mit Rip-Stop-Obergewebe eingebracht, das nach ISO 20471, ISO 11611 und ISO 11612, nach EN 1149 und ISO 61482-1.2 zertifiziert ist.

Außerdem können weitere Funktionalitäten aus dem Baukastensystem des Unternehmens ergänzt werden: Dazu zählen beispielsweise eine fluorfreie, ölabweisende Ausrüstung oder ein atmungsaktives Laminat. Dank dieser Flexibilität können die Schweizer Flammschutzgewebe mit kundenindividuellen Anforderungsprofilen fertigen.

Neu auf der Techtextil 2024: Mehrfachschutz mit Stretch-Effekt

Weitere Neuheiten im Bereich der Schutztextilien waren bei Corporate Fabrics (Grafengehaig), Fritsche Technical Textiles (Helmbrecht) und Rökona (Tübingen) zu sehen. Der Launch eines industriell waschbaren, Tunnelfinisher-geeigneten, mehrfach zertifizierten, Hi-Vis-Stretch-Gewebes stand dabei bei Corporate Fabrics im Vordergrund.

Das elastische Schutztextil entspricht den ISO-Normen 11611, 11612, 20471, 1149 und 61482. Es ist außerdem mit einem beständigen Fluorcarbon freien Chemikalienschutz ausgerüstet und nach EN 13034 zertifiziert. Durch Ergänzung des Gewebes um einen elastischen Layer wird Störlichtbogenschutz Klasse 2 erreicht. Wird das Material hingegen um einen laminierten Stretchlayer erweitert, wird ein zertifizierter Nässeschutz nach EN 343 erreicht.

Eine höhere Bewegungsfreiheit bei Schutzkleidung stand auch bei Fritsche im Mittelpunkt. Das Unternehmen präsentierte ein elastisches, flammhemmendes Panel-Material aus Aramid- und Silikon-Fasern, das Hosen und Jacken mehr Komfort verleihen soll. Es zeichnet sich darüber hinaus durch eine sehr hohe Waschbeständigkeit und langanhaltende Elastizität aus, die bei vergleichbaren Materialien mit Elastolefin-Fasern oftmals durch Elastanbrüche eingeschränkt ist.

Das Flammschutztextil kann beispielsweise im Schritt-, Gesäß- und Kniebereich von Hosen oder im Unterarmbereich von Jacken für die (Bundes)Polizei, Feuerwehr oder Sicherheitskräfte eingesetzt werden, um den Tragekomfort zu verbessern. Neben der gezeigten, in 6 Farben erhältlichen meta-Aramid-Variante sind auch Lösungen aus para-Aramid oder aus meta-Aramid/Viscose FR bzw. Modacryl/Baumwolle erhältlich.

Leichteres Inlay für Schnittschutz

Das Arbeiten mit Kettensägen stellt für Forstarbeiter ein großes Risiko dar. Daher wird die Schutzkleidung mit Materialien gefüttert, deren Fasern bei "Einschnitten" herausgezogen werden und die Kettensäge blockieren. Ein großer Nachteil solcher Füllungen ist ihr Gewicht, das zu Lasten des Trage- und Bewegungskomforts geht. Zur Verbesserung der physiologischen Eigenschaften von Schnittschutzkleidung Klasse 1 hat Rökona daher ein leichtes, dehnbares Inlay-Gestrick aus Polyester entwickelt. Mit 5 bis 6 Lagen führt es zu einer Reduzierung des Gesamtgewichts, bietet eine ausreichende Elastizität und sorgt für eine gute Atmungsaktivität.

Techtextil 2024 zeigt: Umweltaspekte werden wichtiger

Die Verbindung aus persönlichem und ökologischem Schutz ist Transtextil (Freilassing) mit "Aquair" gelungen. Dabei handelt es sich um ein atmungsaktives, wasserdampfdurchlässiges Kunstleder mit einer mikroporösen Polyurethan-Struktur. Im Gegensatz zu herkömmlichem Kunstleder basiert die Beschichtung nicht auf organischen Lösungsmitteln, sondern auf einem lösungsmittelfreien, wässrigen System. Dadurch reduziert das Unternehmen den ökologischen Fußabdruck im gesamten Lebenszyklus und verringert die Belastung für die Umwelt. Das Kunstleder kann in Verbindung mit atmungsaktiven Textilien und wasserdichten Membransystemen des Unternehmens kombiniert werden, wodurch vielfältige, individuelle Materialien entstehen.

Detlef Braun, Geschäftsführer der Messegesellschaft Frankfurt/Main, kündigte während der Eröffnungskonferenz der Techtextil 2024 einen neuen Ableger der Messe in Vietnam an. - © Sabine Anton-Katzenbach

Auch bei Klopman (Frosinone) stand das Thema Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Das Unternehmen räumte seinem WeAr Circular Konzept einen großen Raum ein. Dahinter verbirgt sich die Herangehensweise der Italiener, Textilien in den Kreislauf zurückzuführen. Dafür wird ausgemusterte weiße Berufskleidung aus Polyester-Baumwollmischgeweben (65/35 und 50/50) gesammelt.

Die Ware wird längs und quer geschnitten, metallische Komponenten werden anschließend „ausgesiebt“. Danach werden die Textilschnipsel kardiert, wodurch mittelstapelige Fasern von ca. 25 mm Länge, aber auch Staub und Kurzfasern entstehen. Die brauchbaren Fasern werden dann in einem Mischungsverhältnis von 30 Prozent Recyclingfasern und 70 Prozent (fabrik)neue Fasern gemischt und zu Openend-Garnen ausgesponnen.

Diese gehen als Schussfäden in vier Mischgewebe in den Gewichtsklassen 210, 245, 250, 300 g/m² ein. Die Gewebe sind mit Öko-Tex Standard 100 ausgezeichnet und überstehen 50 Industriewäschen. Doch obwohl bereits die ersten Produkte entwickelt sind, befindet sich das Unternehmen noch in einer Phase des Ausprobierens und Testens.

Grenzen der zirkulären Wirtschaft

Damit steht Klopman nicht alleine da: Die gesamte Branche stößt bei der Umsetzung der zirkulären Wirtschaft an Grenzen: Es gibt keine ausreichenden Sammelmöglichkeiten und es stehen keine genügenden Mengen verwertbarer Alttextilien zur Verfügung, die eine Skalierung der Recyclingprozesse ermöglichen. Gleichzeitig lassen sich wirtschaftliche Effekte nur bei sehr hochwertigen Fasern wie para-Aramiden, Kaschmir oder Seide erzielen, wie das Recyclingunternehmen DBT Fibre aus Prato erklärte.

Bei der nächsten Techtextil, die vom 21. bis 24. April 2026 in Frankfurt stattfinden wird, ist die Wiederaufbereitungs- und Textilindustrie vielleicht schon einen Schritt weiter. Und vielleicht hat sich dann auch die Stimmung in der Branche gebessert: Im Vergleich zu den vorangegangenen Messen war sie dieses Jahr sehr verhalten.