Einblick in den Kleiderschrank von Jens Jockel, Präsident des „Bunds der Trikotsammler“ Textile Exoten statt Langeweile

Der Präsident des neugegründeten „Bunds der Trikotsammler“, Jens Jockel, schaut bei der Fußball-Europameisterschaft in erster Linie auf die Textilien – und ist von den Trikotdesigns insgesamt enttäuscht. Ihm haben es sowieso eher exotische Jerseys angetan, beim Waschen ist er daher besonders vorsichtig.

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    Jens Jockel trägt gerne außergewöhnliche Trikots; wie hier eines des FC Phnom Penh Crown. Foto: Privat
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    Seit September 2015 existiert der „Bund der Trikotsammler“. Foto: Bund der Trikotsammler
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    Slowakei, auswärts. Foto: Puma
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    Spanien, zweites Trikot. Foto: Adidas

In Jens Jockels Wohnung sieht es aus wie in einem Sportgeschäft. Wohlgemerkt ein Sportgeschäft, das sich ausschließlich auf Fußball konzentriert: Im Kleiderschrank und an diversen Kleiderständern hängen Trikots aus aller Welt. Nicht etwa vom FC Chelsea London, Real Madrid oder dem FC Barcelona, sondern von den Exoten des Fußballuniversums. Hier teilen sich Jerseys des MTK Budapest, des moldawischen Rekordmeisters Sheriff Tiraspol und des kambodschanischen Clubs FC Phnom Penh Crown die Kleiderstange mit den Nationaltrikots von Malta und der Südseeinselgruppe Tuvalu. Mehr als 400 Fußballtrikots nennt der Präsident des im vergangenen Jahr gegründeten „Bunds der Trikotsammler“ mittlerweile sein Eigen. „Mein Ziel ist es, aus jedem Land der Welt mindestens ein Trikot zu besitzen. Da ich mich auf Vereinsjerseys spezialisiert habe, zähle ich allerdings meine Nationaltrikots nicht zu diesem Vorhaben dazu“, erklärt Jockel.

Russland, Heimtrikot. Foto: Adidas - © Adidas

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, so viele Trikots zu sammeln? Diese Frage beantwortet der 26-Jährige mit seiner Leidenschaft für Borussia Mönchengladbach: „Als Kind kaufte mir mein Vater auf einem Trödelmarkt ein altes Trikot meines Lieblingsvereins. Diese 20 Deutsche Mark waren gut investiert, denn seitdem achtete ich vermehrt auf schöne Muster und Farben im Fußball“, erinnert sich der Remscheider. „Meine nächsten Trikots waren dann genau aus diesem Grund die Hemden von Olympique Marseille und West Ham United – beide haben schöne Blautöne. Danach habe ich mich wohl immer mehr reingesteigert.“

Auch beruflich verschrieb sich Jockel ganz dem Lieblingssport der Deutschen. Nach einem Fußballmanagement-Studium übernahm der Trikotsammler den Posten als Südamerika-Direktor der CONIFA, einem Verband für Natio­nalmannschaften, die vom Fußballweltverband FIFA nicht anerkannt sind. Mitglieder dieses alternativen Weltverbands sind unter anderem Kurdistan, Monaco und Sansibar. Ende Mai 2016 trug der Verband sogar eine eigene Weltmeisterschaft in Abchasien aus, einem nichtanerkannten Staat zwischen Georgien und Russland.

Bund der Trikotsammler: Darum geht es im Verein

Seit September 2015 existiert der „Bund der Trikotsammler“. Foto: Bund der Trikotsammler - © Bund der Trikotsammler

Die Idee zur Gründung eines Bunds für Trikotsammler kam dem 26-Jährigen über ein Internetforum. „Wir sind auf der Plattform ‚Trikotsammler.net‘ eine Community von rund 5.000 sammelbegeisterten Fußballfans. Langsam reifte dort die Idee heran, einen Verein zu gründen – gemeinsam sind die Kommunikationsmöglichkeiten mit den Ausrüstern, Verbänden und Fußballvereinen einfach besser als noch als Einzelkämpfer“, betont Jockel. „Zudem haben wir so die Gelegenheit, uns sozial zu engagieren – beispielsweise sammelten wir mit Hilfe einer Trikottombola Geld für die Remscheider Tafel. Auch ein gemeinsames Grillen und Fahrten zu Fußballspielen organisieren wir im Verein.“ Die Mitglieder verfolgen dabei laut Jockel die unterschiedlichsten Sammelziele: „Manche sammeln nur Trikots eines bestimmten Vereins, andere nur einer speziellen Liga. Auch das Sammeln nach Hauptsponsoren wie beispielsweise Automarken und nach einer bestimmten Trikotfarbe kommt vor. Mir persönlich ist beim Sammeln dagegen wichtig, dass hinter dem Trikot eine besondere Geschichte steht, wie beispielsweise persönlicher Kontakt zum Spieler oder eine Reise zum jeweiligen Verein.“

Überraschend ist dabei, dass Jens Jockel seine Trikots dennoch wäscht. „Ich würde sagen, 70 bis 80 Prozent der Sammler würden von Fußballern verschwitzte Trikots niemals waschen. Mir macht das Waschen aber nichts aus – der Spieler hat das Trikot ja trotzdem getragen“, sagt der Neu-Vereinspräsident des „Bunds der Trikotsammler“. „Ich achte aber darauf, die Jerseys möglichst schonend nur bei niedriger Temperatur und mit sanften Waschmitteln per Hand zu waschen.“ Hausmittel zur Umgehung der Wäsche sind für viele Sammler Geruchsneutralisierer oder sogar der heimische Eisschrank, der die Bakterien abtöten und gleichzeitig den Dreck und die Grasflecken erhalten soll. Eine professionelle Textilreinigung kommt bei Sammlern laut Jockel fast nur bei der Entfernung von Autogrammen in Frage – beispielsweise „falls ein Spieler von Schalke zu Dortmund wechselt“.

Die EM-Ausrüster sollten mutiger sein

Mit Blick auf die anstehende Fußball-Europameisterschaft in Frankreich zeigt sich der Trikotexperte enttäuscht. „Viele Designs sind mutloser Einheitsbrei – das Trikot von Ungarn ist beispielsweise nur ein Adidas-Standardtemplate. Es gibt einfach viel zu wenige Innovationen“, betont Jockel. „Mit den deutschen WM-Trikots von 1954 und 1974 wollte ich zwar heute durch das höhere Gewicht und die fehlende Atmungsaktivität keinen Sport mehr treiben, dank des hohen Baumwollanteils bis Mitte der 1980er Jahre waren das aber sehr schicke Hemden.“

Deutschland, auswärts. Foto: Adidas - © Adidas

Den Designpreis für die aktuellen Europameisterschaftstrikots würde Jockel jedenfalls der deutschen Nationalmannschaft für ihr grün-schwarz-graues Auswärtsoutfit geben. „Die meisten Fans finden das Trikot wahrscheinlich unglaublich hässlich. Ich muss Adidas aber an dieser Stelle für den Mut loben, trotz des konservativen Rufs einen neuen Weg gegangen zu sein“, wertet der Trikotsammler. „Auch bei den slowakischen sowie spanischen Auswärtsjerseys hat der Ausrüster durch auffallende Muster und voneinander abgesetzte Farben einen guten Job gemacht. Gelungen finde ich ebenso die russischen Trikots, bei denen sich die Wappenadler leicht im Hintergrunddesign abzeichnen, ohne dabei zu aufdringlich zu sein.“ Zum Schluss fehlt noch die Antwort auf die Frage, die die Fußballfans sicher noch etwas mehr beschäftigt als das Trikotdesign: „Ich glaube, Deutschland wird Europameister – allerdings sehe ich Frankreich mit dem Heimvorteil gleichauf“, prophezeit Jockel. „Auch Belgien gebe ich Außenseiterchancen. Und mit Italien und Spanien ist natürlich immer zu rechnen.“

Fußball und dreckige Wäsche: Waschen für den DFB

Zur Fußball-WM 2014 in Brasilien haben wir über einen ganz besonderen Auftrag der Wäscherei Heimerl berichtet: Der familiengeführte Betrieb aus Wölfersheim wäscht die Trikots der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Wie es dazu kam und was schlimmer ist - Gras-, Blutflecken oder Gestank - das erfahren Sie im Artikel "Der Stress im Abseits".

Außerdem beantwortet R+WTextilservice die Frage, was eigentlich mit den Trikots nach der WM passiert. Wir haben beim DFB nachgefragt.