Der Begriff Krise war in den letzten Monaten kaum aus dem Alltag wegzudenken und machte auch vor der professionellen Textilpflege nicht Halt. Doch wie bewerten Branchenkenner die Entwicklungen? Dr. Ralf Senf, Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Landesverbandes, suchte mit uns nach Antworten.
Textilpflege im Wandel der Zeit
Dr. Ralf Senf führte von 1975 bis 1995 die Geschäfte des Deutschen Textilreinigungs-Verbandes, an dessen Gründung er beteiligt war, und ist nach wie vor als Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Landesverbandes aktiv. Bereits vor seiner Zeit in der Textilpflegebranche sammelte er zahlreiche Erfahrungen in der Verbandsführung des Hotel- und Gaststätten-, sowie des Baugewerbes.
RWT: Herr Dr. Senf, Sie sind schon lange in der Textilreinigungsbranche tätig. Wie sind Sie zur Verbandsarbeit gekommen?
Dr. Ralf Senf: Die meisten Dinge geschehen aus einem einzigen Grund und zwar dem der Notwendigkeit. Wie Sie vielleicht wissen, war ich nicht nur im DTV tätig, sondern auch an der Gründung und dem Aufbau des Verbandes beteiligt. Die Branche hatte bereits damals das Bedürfnis nach einem starken Verband. Es war damals wirklich Neuland, die Wäschereien und die chemischen Reinigungen zusammenzuführen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich die beiden Sparten damals wegen ihrer verschiedenen Grundsätzlichkeiten nicht so gut vertragen haben. „Die passen so gut zusammen wie Benzin und Wasser“, hat man damals immer gesagt. Doch wir waren von unserem Vorhaben überzeugt. Nicht zuletzt aus der Motivation heraus, geschlossen vor den Bundestag und die Ministerien treten zu können, im Namen aller Branchenbetriebe, vom ganz kleinen bis hin zum Großbetrieb. Zugute kam mir wahrscheinlich, dass ich bereits vor 1975 Erfahrungen im Bereich der Verbandsführung gesammelt hatte. Ich war zuvor im Verband des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie im Verband des Baugewerbes tätig.
RWT: Gibt es Ereignisse in Ihrer Laufbahn, an die Sie sich besonders gern erinnern?
Dr. Ralf Senf: Wissen Sie, die Wirtschaft erlebte damals eine sehr gegensätzliche Entwicklung zwischen Reinigungen und Wäscherein. Nachdem der Krieg zu Ende war und die Auffassung der Gewerbefreiheit neu definiert wurde, kamen die ersten kleineren Reinigungsmaschinen auf den Markt. Die Folge war ein starker Anstieg der Anzahl kleiner Reinigungen, die nicht mehr ausschließlich von Fachleuten geführt werden mussten. Hinzu kam die Tatsache, dass die Waschbarkeit von Textilien fortwährend besser wurde, so dass viele Wäschereibetriebe es schafften, sich einen Namen zu machen und sich den Großkundenmarkt zu erschließen. All diese Dinge habe ich als erfreuliche und auch problembelastete Entwicklung in Erinnerung.
RWT: Was sind für Sie weniger erfreuliche Erinnerungen?
Dr. Ralf Senf: Da fällt mir spontan die Lösungsmitteldiskussion ein, die uns viele Jahre beschäftigt hat. Zum damaligen Zeitpunkt waren unbrennbare CKWs und FCKWs nun einmal einfach eine gute Erfindung, bis die Emissionen in Kritik gerieten und die Vorwürfe bezüglich der Umwelt aufkamen. Glücklicherweise haben die Maschinentechnik und das Textilreinigungsgewebe das heute in den Griff bekommen.
Was die AVE betrifft, so muss man vorab wohl sagen, dass die Höhe der Löhne sich immer auf den Preis auswirkt. Unsere Branche allerdings wollte nie schlechte Löhne zahlen und hatte immer moderate Tarifverträge. Der Verdienst unserer Mitarbeiter sollte, nach unserer Auffassung, in etwa an oberer Stelle des unteren Drittels der Tariflandschaft liegen. So waren wir auch dagegen, dass viele Betriebe im Großkundengeschäft mit schlechten Löhnen und ohne Sozialversicherungsbeiträge gearbeitet haben, nur um günstiger als die Konkurrenz zu sein. Heute wären viele dieser Methoden natürlich undenkbar, aber damals sah das noch anders aus. Diese Problematik hat sich verschoben, gelöst ist sie allerdings nicht.
RWT: Es bestand also Handlungsbedarf, den Markt zu ordnen?
Dr. Ralf Senf: Richtig, dadurch standen wir letztendlich vor der Frage der Allgemeinverbindlichkeit, die sehr kontrovers in der damaligen Delegiertenversammlung diskutiert wurde. Schließlich gab es bis zu dem Zeitpunkt noch kaum Allgemeinverbindlichkeit über den gesamten Lohnbereich. Im Endeffekt hat man sich so geeinigt, dass alle Wäschereibetriebe mit mehr als 15 Mitarbeitern von der Allgemeinverbindlichkeit betroffen sind. Ich finde, das war eine sehr glückliche Lösung.
RWT: Gibt es Situationen, die sie rückblickend noch einmal anders bewältigen würden?
Dr. Ralf Senf: Rückblickend würde ich nicht viel anders machen, außer vielleicht noch intensiver zu versuchen, den Gesamtverband der „Neuzeitlichen“ noch früher unter dem Dach des DTV zu positionieren. Im Endeffekt hat es ja geklappt. Aber meiner Meinung nach kam dieser Schritt mehr als 20 Jahre zu spät. Damals waren Einigungen zwischen den Fachleute und den ungelernten Kräften noch schwieriger zu erzielen. Allerdings ist es kaum möglich, meine damalige Zeit mit der heutigen zu vergleichen. Die Entwicklung hat sich ja schon allein mit der Wiedervereinigung Deutschlands und den Grenzöffnungen innerhalb Europas stark verändert. Bedenkt man dann noch die Veränderung der Tragegewohnheiten der Menschen, ist es nur logisch, dass man mittlerweile eine ganz andere Verbandspolitik betreiben muss.
Was sich allerdings nicht geändert haben sollte ist der Vorsatz, erfolgreich am Markt zu bleiben, und der Versuch, die Branche weiterhin als leistungsfähige Dienstleistungsbranche zu etablieren. Ich denke, den Grundgedanken, ein Versorgungsgewerbe zu sein, sollte man nicht aus den Augen verlieren.
RWT: Also sehen Sie, trotz aller derzeitigen Probleme, eine positive Zukunft für die professionelle Textilpflegebranche?
Dr. Ralf Senf: Die Welt dreht sich, vieles verändert sich. Aber ich traue der Branche eine positive Zukunft zu. Schließlich brauchen die Leute nun einmal Bekleidung und Sauberkeit. Der Bedarf ist also da.
RWT: Wie beurteilen Sie die Entwicklung bezüglich des DTV und intex?
Dr. Ralf Senf: Um ehrlich zu sein, wäre es mir lieber gewesen, wenn es von Anfang an keine Trennung der Verbände gegeben hätte. Man hätte die unterschiedlichen Interessen der Mitglieder vereinen und die damals bestehenden Probleme gemeinsam lösen können. Für mich persönlich war das Ganze eine Entscheidung, die nicht bis in das letzte Detail durchdacht wurde und nicht frei von Emotionen war. Es ist doch so, dass sich Probleme im Markt nicht lösen lassen, indem man neue Verbände gründet. Ich muss allerdings dazu sagen, dass die Spaltungsfrage erst nach meiner Zeit anstand. Doch für mich persönlich hat es so gewirkt, als wollten alle zu neuen Ufern aufbrechen. Nur dass keiner wusste, wo diese Ufer liegen. Ich bin der Überzeugung, dass man nachhaltig an Problemen arbeiten muss. Stellen Sie sich vor, man würde sich in allen Bereichen des Lebens bei Meinungsverschiedenheiten gleich trennen.
Zwar hat Schiller gesagt, dass der Starke am mächtigsten alleine sei, aber daran glaube ich nicht. Ich halte Kooperation für wichtig und es für eine unkluge Politik, wenn man die Probleme, die innerhalb des Verbandes bestehen, immer in die Öffentlichkeit trägt. Darum finde ich den aktuellen Slogan „Innovativ.Gemeinsam. Stark“, mit dem der DTV wirbt, sehr gut. Ich persönlich habe es sehr bedauert, dass einige wirklich gute Betriebe, die mittlerweile in intex organisiert sind, den DTV verlassen haben. Positiv werte ich, dass man sich im Handwerk etabliert und in Ausschüssen mitgearbeitet hat. Generell vertrete ich den Standpunkt, dass sich Kollegen untereinander helfen und Aufgaben teilen sollten. Abgesehen von all diesen Punkten ist unsere Branche schlichtweg zu klein, um sich zu spalten.
RWT: Was würden Sie dem Verband empfehlen, um dem vorhersehbaren Fachkräftemängel entgegenzusteuern?
Dr. Ralf Senf: Ich finde, heutzutage werden generell Ausbildungen zu sehr akademisiert und darüber hinaus in zu kleine Arbeitsgebiete eingegrenzt. Handwerkliche Berufe kommen, meiner Meinung nach, nicht nur in der staatlichen Förderung, sondern auch im gesellschaftlichen Ansehen zu kurz.
Heute reden wir vom Facilitiy Manager oder Mechatroniker. Ich habe damals lange überlegt, wie wohl die zukünftige Berufsbezeichnung des Textilreinigers heißen könnte. Aber auch die Einschaltung des Goethe-Instituts brachte keinen werbewirksamen Namen hervor.
Wenn es nach mir ginge, würden nicht akademische Ausbildungen mehr Akzeptanz finden und noch einmal die Frage diskutiert, ob es richtig war, in der Bildungsreform die zweijährige Ausbildung abzuschaffen. Ich denke, das sind die ersten Schritte, die man gegen den mangelnden Nachwuchs unternehmen müsste.
RWT: Vielen Dank für Gespräch!Leon Rejschek