Immer weniger Menschen in Deutschland werden entlassen – und trotzdem sinkt die Zahl der Beschäftigten. Der Grund: Viele Arbeitnehmer kündigen freiwillig. Ein neuer Trend, der Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Politik gleichermaßen herausfordert.

Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten und Personalabbau in vielen Unternehmen zeigt sich ein überraschender Trend auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Immer mehr Beschäftigte kündigen ihren Job und geben ihre Stelle freiwillig auf. Eigenkündigungen übersteigen mittlerweile sogar die Zahl der Entlassungen – und verändern das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern spürbar. Diesen Trend beobachtet das Institut der deutschen Wirtschaft (iwd) und veröffentlichte nun folgende Zahlen.
Stellenabbau ohne Kündigungen
In den Medien ist oft von Kündigungswellen die Rede – doch die Realität ist differenzierter. Zwar streichen viele Unternehmen Stellen, aber nicht nur durch aktive Kündigungen. Stattdessen werden freiwerdende Positionen nach Renteneintritt oder freiwilligem Ausscheiden schlicht nicht neu besetzt. Die Zahl der offiziell gemeldeten offenen Stellen ist auf einem historischen Tiefstand.
Arbeitnehmer entscheiden selbst
Während Arbeitgeberkündigungen selten geworden sind, zeigt das Sozioökonomische Panel (SOEP) einen klaren Trend: Im Jahr 2022 wurden nur 2,8 Prozent der Arbeitsverhältnisse in Deutschland durch den Arbeitgeber gekündigt. 4,9 Prozent auf Initiative der Beschäftigten. Im Verhältnis zu allen Kündigungen bedeutet das: Während 2009 nur etwa ein Drittel aller beendeten Arbeitsverhältnisse auf Eigenkündigungen beruhte, lag ihr Anteil im Jahr 2022 bereits bei mehr als der Hälfte aller Kündigungen.
Jobwechsel mit Plan
Wer heute kündigt, tut das meist nicht ohne Perspektive. Rund 84 Prozent hatten zum Zeitpunkt des Austritts ein Jobangebot oder sogar bereits einen neuen Arbeitsvertrag vorliegen. In früheren Jahren schwankte der Anteil zwischen 67 und 78 Prozent – ein klares Zeichen für gestiegenes Selbstbewusstsein auf Seiten der Arbeitnehmer.
Nur rund 3 Prozent der Beschäftigten wurden laut SOEP im Jahr 2022 entlassen – 2009 lag der Wert noch doppelt so hoch. Der steigende Anteil freiwilliger Jobwechsel deutet auf wachsende Verhandlungsmacht der Beschäftigten hin – und stellt damit die bestehenden arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen des Arbeitnehmers als schutzbedürftig und strukturell benachteiligt infrage.Braucht es künftig deshalb Regeln, die die Sicherheit der Beschäftigten und die Handlungsfähigkeit der Betriebe ins Gleichgewicht bringen?