Nach der fast zehn Jahre dauernden Fertigstellung der Normenreihe DINEN13795-1–3 muss sich das Zusammenspiel zwischen Wäscherei und Krankenhaus ändern. Das Richtlinienpaket beschreibt die Verantwortlichkeiten bei der Produktqualität und definiert Anforderungen für die Aufbereitung von OP-Textilien. Mitte Dezember informierte der DTVüber den Umgang mit den neuen Vorgaben.
Umgang mit Normen und Kunden
Vier Referenten bestritten den knapp sechsstündigen Workshop in Frankfurt/Main. Andreas Fastenau, Leo System/Schwerte, sprach über Mehrweg- contra Einwegprodukte in Operationssälen und Krankenhäusern und stellte fest, dass ein Trend zu Einwegprodukten im Bereich OP-Abdeckungen und -Mänteln jahrelang kommuniziert wurde. Nicht ohne Wirkung, denn der gefühlte Trend sei, so Fastenau, stärker als der Marktanteil der Einweganbieter. Wenn sich ein Trend fortsetzen lasse, müsse die Textilservicebranche nun dafür sorgen, dass dieser in Richtung Mehrweg geht. Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes-Klinik, Berlin, erläuterte die Anforderungen, die der Anwender an OP-Textilien hat. Mit Inhalt und Auswirkungen der neuen Normen befasste sich Sven Schöppe, geschäftsführender Gesellschafter von Leo System. Dabei machte er u.a. auf die Verantwortung aufmerksam, die der Textildienstleister v.a. bei der Aufbereitung von Mietwäsche hat. Die Ausführungen wurden von Dr. Volker Schmid ergänzt, der unter dem Titel „Was passiert, wenn etwas passiert?“ die Haftungen des Wäschers erläuterte.
Mit der Einführung der europäischen Normenreihe DIN EN13795-1–3 bezweckt die Europäische Union (EU), den Binnenmarkt innerhalb der Gemeinschaft weiter zu vereinheitlichen. Mit den neuen Regelungen werden allen in der EUeingeführten Medizinprodukten (MP) – Einweg und Mehrweg – die gleichen Auflagen gemacht. „Die Richtlinie über Medizinprodukte sagt, dass die 14 allgemeinen Sicherheitsanforderungen im Wege der europäischen Normierung mit Leben erfüllt werden sollen. Im Bereich der Medizinprodukte entstanden daraus bisher rund 450 Normen, die einzelne Gruppen von Medizinprodukten in diesen Sicherheitsanforderungen spezifizieren und Herstellern sowie Anwendern Anleitungen geben“, sagte Sven Schöppe. „Die Vorgaben gelten praktisch wie Gesetze.“ Die Normenreihe DIN EN 13795-1–3 setzt sich aus drei Teilen zusammen:Im ersten Teil sind die Anforderungen an Herstellung und Aufbereitung von OP-Textilien formuliert, im zweiten Teil werden die Prüfverfahren erläuert – da der Textildienstleister einen Großteil davon nicht selber durchführen kann, übernehmen dies akkreditierte Testinstitute – und im dritten Teil werden die Gebrauchsanforderungen und Leistungsstufen der MP benannt.
Eine Auswirkung der neuen europäischen Normen ist, dassOP-Textilien, die nicht mehr demStand der Technik entsprechen – z.B. solche aus Baumwolle – in den Krankenhäusern aussortiert werden. Dadurch stehen rund 20 % des OP-Textilienmarktes zur Disposition. Alle Referenten waren sich einig, dass es das Ziel der textilen Dienstleister sein muss, diese 20 % mit Mehrwegprodukten zu bedienen und einen Trend weg von Einwegprodukten einzuschlagen. „Dazu gehöre u.a., den Weg hin zu Mehrweg kontinuierlich zu kommunizieren und ständig am Markt präsent zu sein“, sagte Fastenau. „Es geht um ein Qualifikationsmerkmal der gesamten Textilpflegebranche“, ergänzte Schöppe. „Diese 20% sind gefühlte 80 % des Marktes.“
Die Marktdaten im Einzelnen:Laut Fastenau wird in Deutschland mit OP-Textilien jährlich ein Umsatz von rund 200Mio. Euro erzielt. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist der Marktanteil von Mehrwegtextilien in Deutschland hoch und liege bei rund 40 %. Gleiches gelte für Einwegprodukte. Der Wettstreit um die freiwerdenen – da von veralteten Produkten besetzten – 20 % des Marktes stelle eine große Chance dar. Vertreter der Textilpflegebranche haben sich bereits zusammengeschlossen, um Konsumenten bzw. Einkäufer über die Vorteile von Mehrweg zu informieren. In Deutschland ist dies Intex med, in Österreich das Forum OP-Textilien und in der Schweiz haben sich Konfektionäre, Materialhersteller und Wäschereien zusammengetan zur Initiative „Mehr Wege für die Zukunft“. Ziel ist es, die Sicherheit der Produkte zu vermitteln, den Trend hin zum Mehrweg zu setzen und unlauteren Wettbewerb zu verhindern. Ähnliche Initiativen existieren in Italien, Belgien und Holland. Welche Anforderungen stellt jedoch jemand, der aus der Praxis, dem Operationssaal, kommt?Dr. Zastrow formulierte sie kurz und bündig:„Patient und Personal müssen vorInfektionen geschützt sein.“ Momentan sterben jährlich 20.000 bis 40.000 Menschen in Krankenhäusern an sogenannten nosokomialen Infektionen, die von Mikroorganismen ausgelöst wurden. Die erschreckende Vermutung:30 bis 40 % der Fälle wären durch eine sachgerechte Hygiene – zu der auch die der OP-Textilien gehört – vermeidbar gewesen.
Entprechend hohe Anforderungen bestehen bei der Aufbereitung von OP-Textilien:Gesetzliche Vorgaben kommen von der Medical Device Directive (MDD), die im Medizinproduktegesetz (MPG)umgesetzt wurden. Zusätzlich muss die Betreiberverordnung für Medizinprodukte sowie die Richtlinie des Robert-Koch-Instituts (RKI), Normen wie die DIN EN 13795-1–3 sowie ein Qualitätsmanagement (QM) mit Dokumentation eingehalten werden. „Denn der Chirurg braucht einen zuverlässigen Dienstleister und erwartet saubere, sterile, funktionsfähige und belastbare Textilien im Operationssaal“, sagte Dr. Zastrow.
Die Parole „Hauptsache billig“ wird kaum mehr ausgegeben, stattdessen ist wieder Qualität gefragt. Der Grund:Krankenhäuser können sich keine Patienten mehr leisten, die – z.B. aufgrund von Infektionen – übermäßig lang stationär behandelt werden. Denn bezahlt wird die Behandlung nach Fallpauschalen, nicht nach der Länge des Krankenhausaufenthaltes. Daher müssten sogenannte Barrieren zwischen Patient und Personal aufgebaut werden, sodass Keime nicht vom einen zum anderen gelangen. Besonders kritische Bereiche sind dabei Frontteil und Ärmel von Operationsmänteln sowie bei Abdecktüchern der Bereich, der um die Wunden herum liegt. Sowohl in nassem als auch in trockenem Zustand darf hier keinerlei Flüssigkeit durch dieTextilien dringen. Zur Aufbereitung von OP-Textilien gehört neben dem Reinigen auch das Desinfizieren, Sterilisieren sowie die Wiederherstellung der technisch-funktionellen Sicherheit. Der qualifizierte Hersteller muss, um die Sicherheit von Patient,Anwender und Hersteller zu gewährleisten, validierte Produkte und Prozesse bieten. Dazu sollten diese laut Schöppe qualifiziert und spezifiziert werden. Nach der Ermittlung von Schlüsselparametern und kritischen Kontrollpunkten werden Zielwerte und Toleranzen festgelegt, die es in einem kontinuierlichen Monitoring, d.h. einer Routineüberwaschung, zu geprüfen gilt. Die Überwachungsergebnisse, eingetragen in ein Diagramm, ermöglichen es, die Leistung eines Textils nach jedem Zyklus zu bewerten. Orientierungspunkte sind dabei die vorher festgelegten Ziel-, Warn- und Maßnahmenwerte sowie die zugesicherte Leistung, die gleichzeitig der Grenzwert ist, zu dessen Zeitpunkt ein Textil ausgetauscht wird. „Zur Verifizierung dieser im Betrieb erarbeiteten Leitlinien kann ein externes Testinstitut herangezogen werden“, empfiehlt Schöppe.
Diese Vorgehensweise kann auch helfen, falls der Textildienstleister angeklagt wird, die Hygienevorschriften nicht eingehalten zu haben. In einem Betrieb, der Mietwäsche bearbeitet, sollte der Inhaber z.B. über Prüfungen und Dokumentationen nachweisen können, dass eine Zertifizierung imBetrieb auch gelebt wird. Eine Anklage aufgrund grober Fahrlässigkeit gelte es unbedingt zu entkräften, sagte Dr. Schmid. Gesetzlich verantwortlich für die Qualität von OP-Textilien ist immer derjenige, der die Medizinprodukte in Verkehr gebracht hat. Bei Lohnwäsche ist dies das Krankenhaus, bei Mietwäsche der textile Dienstleister. Zu beachten ist dabei, dass das Krankenhaus zwar die Verantwortung für das selber beschaffte Produkt trägt, der Dienstleister jedoch für den Aufbereitungsprozess verantwortlich ist. „Das Krankenhaus wird ihm aber sehr wahrscheinlich jede Verantwortung zuschieben, es sei denn, es sind die entsprechenden vertraglichen Spezifikationen über Verantwortungsteilung gemacht“, gab Schöppe zu bedenken.
Generell hilft hier eine vertraglich eindeutige Zuordnung der Verantwortlichkeiten. Diese Sachbestände sollte sich der textile Mietdienstleister allein deshalb verinnerlichen, da laut Dr. Zastrow auch Krankenhäuser immer gläserner werden und in naher Zukunft die Anzahl der Patienten benannt werden könne, die aufgrund von nicht nach Normen aufbereiteten OP-Textilien an nosokomialen Infektionen erkrankt sind. lin