Ende Januar hat der Bundestag die Aufnahme der Wäschereien im Objektgeschäft in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz verabschiedet und damit einen branchenbezogenen Mindestlohn beschlossen. intex und DTV hatten sich zuvor auf einen Kompriss geeinigt.
Unternehmer in der Pflicht
Olaf Scholz kann die Dinge auf den Punkt bringen. Ob man den Bundesminister für Arbeit und Soziales nun mag oder nicht, seine Politik befürwortet oder ablehnt. Immerhin sagte er in der Bundestagsdebatte am 22. Januar in Sachen Mindestlohn: „Wir haben uns verständigt, dass jetzt sechs weitere Branchen hinzukommen sollen: die Pflegebranche, die Sicherheitsdienstleistungen, die Bergbauspezialarbeiten, Großwäschereien, die Abfallwirtschaft sowie Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen im Bereich der Arbeitsmarktförderung. Wenn man das alles zusammen betrachtet, dann kann man sagen: Am Anfang dieser Legislaturperiode waren 700.000 Bürgerinnen und Bürger im Baugewerbe durch Mindestlöhne geschützt. Heute sind es 1,8 Millionen. Jetzt kommen noch einmal 1,2 Millionen hinzu. Wenn es am Ende auch für die Leiharbeit eine Lohnuntergrenze geben wird, dann werden fast vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Lohnuntergrenzen und Mindestlöhne geschützt sein. Das ist eine Verfünffachung in dieser Legislaturperiode und eine gute Anknüpfung an die sozialpartnerschaftlichen Traditionen unseres Landes.“
Am 22. Januar hat also der Bundestag die Aufnahme der Wäschereien im Objektgeschäft in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz verabschiedet und damit einen branchenbezogenen Mindestlohn beschlossen. Soweit die Politik. Auch die Verhandlungsführer der Textilpflegebranche machten Ende Januar Nägel mit Köpfen. Sie fanden eine Lösung und unterzeichneten nach langem Hin und Her den Tarifvertrag zum Mindestlohn für die Wäschereien im Objektgeschäft. In der intex-Geschäftsstelle in Eschborn trafen sich zur Unterzeichnung: Klaus Jahn, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes intex, Dr. Volker Schmid, Geschäftsführer des Deutschen Textilreinigungs-Verbandes (DTV), Claus Dietrich, Vizepräsident von intex, Ralph Rouget, DTV-Tatex-Tarifausschusssprecher, Hans-Joachim Bondzio, Hauptvorstand und Landesgeschäftsführer bei der DHV Die Berufsgewerkschaft, sowie Hans Wettengl vom Vorstand der IG Metall, Fachbereich Tarifpolitik. Der Mindestentgelttarifvertrag soll nun über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz mit Wirkung ab 1. Juli 2009 allgemeinverbindlich werden. Im Bundestag war der Kompromissvorschlag angenommen worden. Der Mindestlohn betrifft knapp 28.000 Beschäftigte in Textilserviceunternehmen und damit Großwäschereien, die im Objektgeschäft (B2B) tätig sind beziehungsweise einen Umsatzanteil an gewerblichen Kunden haben, der über der 80-Prozent-Marke liegt. Für Reiniger, Heißmangelbetriebe, Bügelbetriebe, Waschsalons und für Wäschereien, deren Anteil an Privatkunden höher als 20 Prozent liegt, gilt der Mindestlohn hingegen nicht. Stufenweise wird der Mindestlohn ab dem 1. Juli erhöht. Zunächst in den neuen Bundesländern und Berlin auf 6,36 Euro, in den alten Bundesländern auf 7,51 Euro. Ab dem 1. April 2010 steigt der Mindestlohn auf 6,50 Euro in den neuen Bundesländern und Berlin und auf 7,65 Euro in den alten Bundesländern. Am 1. April 2011 folgt der nächste Sprung mit 6,75 Euro in den neuen Bundesländern und Berlin sowie 7,80 Euro für Beschäftigte in den alten Bundesländern. Ein Jahr später beträgt der Mindestlohn in den neuen Bundesländern und Berlin 7 Euro und in den alten Bundesländern 8 Euro. Überraschend ist: Die beiden großen Branchenverbände DTV und intex sowie die IG Metall demonstrieren Einigkeit jetzt nach der Unterzeichnung. Ende 2007 sah das auf dem Weg zu einem Mindestlohn noch anders aus. In Positionspapieren fielen Formulierungen wie „Verdrängungsstrategie“ oder „Kampf mit ungleichen Waffen“. Nun bestätigt die Rechtsabteilung des DTV sogar die Zustimmung von mehr als 95 Prozent seiner Regionalverbände. Grund: Die Tatex-Mitglieder hielten sich bereits an die Löhne.
Trotzdem war die Unterzeichnung ein Kompromiss, der wohl nicht zu umgehen war. „Der entscheidende Punkt für diesen gewählten Weg war die Tatsache, dass damit der Antrag von intex auf Einführung des intex-Tarifvertrages endgültig abgewehrt wurde“, teilt der DTV mit. Für seine Mitgliedsfirmen wäre der nämlich unbezahlbar gewesen, heißt es weiter. Und: „Die politische Situation in der schwersten Krise in Deutschland und Europa in einem bevorstehenden Bundestagswahljahr war nicht verlässlich zu 100 Prozent einzustufen.“ Zudem erhielten die Mitgliedsfirmen mit dem Tarifvertrag eine bis ins Jahr 2013 reichende Planungssicherheit bei der Entwicklung der Personalkosten. Außerdem könne die Branche nicht in die öffentliche Diskussion im Zusammenhang mit Lohndumping geraten. Der DTV erwartet nun, dass sich der Preisdruck der Kunden auf seine Mitgliedsbetriebe „spürbar abschwächt“. Denn bei einer Lohnkostenquote von etwa 50 Prozent werde der Mindestentgelttarif vom Gesetzgeber verordnet – mit der Folge, dass davon nicht abgewichen werden könne. „Dies müssen unsere Mitgliedsbetriebe den Kunden gegenüber klarmachen“, heißt es aus der DTV-Rechtsabteilung. Negative Folgen für die Branche sieht der DTV hingegen keine. Schließlich sei ein Mindestentgelttarifvertrag auf Tatex-Niveau abgeschlossen worden. Immerhin habe die Tatex im DTV derzeit 100 Mitglieder, die diesen Tarif umsetzten. Das Tatex-Niveau sei deshalb für die gesamte Branche als repräsentativ einzustufen.
intex begrüßt den mit der IG Metall und dem DTV (Tatex) gefundenen Kompromiss zum Mindestlohn. Immerhin stehe Zoll und Sozialversicherungsträgern nun ein rechtliches Instrument zur Verfügung, um das in der Branche weitverbreitete Lohndumping wirksam bekämpfen zu können. „Schwarze Schafe können ab jetzt ohne weiteres aussortiert werden“, teilt intex mit. Davon profitierten zum einen die Unternehmen, die sich bisher jahrelang der freiwilligen Tarifbindung unterzogen hätten. Sie könnten nun auf Planungssicherheit bauen.
Das wirke sich auf künftige Investitionen in Deutschland aus. Zudem könnten die Unternehmen „die vielfältigen, auf der Branche lastenden normativen und gesetzlichen Regelungen erfüllen, ohne in wirtschaftliche Not zu geraten“. Auch die etwa 30.000 Beschäftigten der Branche profitierten vom beschlossenen Mindestlohn. Sie erhielten nun auch in den bisher nicht tarifgebundenen Unternehmen einen Lohn, der wenigstens sicherstelle, dass sie ihre Familie ernähren können, ohne durch Hartz IV aufstocken zu müssen, teilt intex mit. Die Unternehmen von intex zahlen den Beschäftigten nach dem jüngsten Tarifabschluss in der untersten Lohngruppe 8,34 Euro in den neuen Bundesländern und 9,52 Euro in den alten.
Warum braucht die Branche aber einen Mindestlohn? intex geht es nach eigenen Angaben zum Beispiel um den hohen Frauenanteil unter den Beschäftigten – rund 75 Prozent. Und um die vielen Ungelernten. Zudem befänden sich die vom Tarifvertrag betroffenen Dienstleister in einer jungen Branche, die gegenüber ihren Kunden keine Marktmacht habe. Klein- und Mittelbetrieben mit 20 bis 200 Beschäftigten stünden oftmals Kunden mit einer weit höheren Wirtschaftskraft gegenüber, „die den Unternehmen der Branche ihre Bedingungen diktieren können“, so intex. Wirtschaftlichem Druck müsse also standgehalten werden. Ohne Mindestlohn werde der Bestand der tarifvertraglichen Regelungen für die Beschäftigten der industriellen Wäschereien und des Textilservices gefährdet. Gleiches gelte für die Arbeitsplätze.
Weitere Argumente für intex auf dem Weg zum Mindestlohn waren: Der Textilservice ist außerordentlich lohn- und gehaltsintensiv mit einem 50-prozentigen Personalkostenanteil, gemessen an den Gesamtkosten, Vermeidung der Flucht in tariflose Zustände wegen des zusätzlichen knallharten Wettbewerbs, kein Lohndumping zu Lasten des Arbeitsschutzes. Insbesondere im Geschäft mit den Krankenhäusern sei der Preiswettbewerb inzwischen ruinös. Umfragen von intex hätten ergeben, dass der Preisverfall derart rapide sei, dass bei Bestandskunden Preisabschläge von bis zu 30 Prozent und bei Neukunden von bis zu 40 Prozent zu verzeichnen seien.
„Die Branche habe mit dem Mindestlohn die Chance, gegen die Schmutzkonkurrenz durch Lohndumping vorzugehen“, zitiert die Informationsschrift „Textiles Extra“ der IG Metall Hans Wettengl vom Gewerkschaftsvorstand, Fachbereich Tarifpolitik. Und zum aktuell erreichten Kompromiss heißt es in den Tarifnachrichten des IG-Metall-Vorstandes: Nun seien die Mindestlöhne zwar „deutlich niedriger als die Tariflöhne in den Tarifverträgen der IG Metall, Löhne von 6,14 Euro bis 7,50 Euro wie im Rhein-Main-Gebiet oder 4 bis 5,50 Euro wie in den neuen Bundesländern, die bisher in Betrieben ohne Tarifbindung gezahlt wurden, sind mit dem Mindestlohn aber nicht mehr möglich“. Skeptisch hingegen ist Steffan Rimbach, Geschäftsführer des Ostdeutschen Textilreinigungs-Verbandes OTV. Seit Monaten habe sich der OTV mit dem Mindestlohn beschäftigt. „Wir wissen, dass in den neuen Bundesländern von einigen Betrieben für bestimmte einfache Tätigkeiten weniger als 6,36 Euro gezahlt werden“, räumt er ein. Das betreffe große und kleine Wäschereien, Betriebe in der Stadt und auf dem Land. Rimbach kritisiert, der Anwendungsbereich sei in der politischen Diskussion von industriellen Großwäschereien auf Großwäschereien verkürzt worden, ohne den Begriff „groß“ klar zu definieren. Abzuwarten bleibe, ob das noch gelingen wird. Jedenfalls seien die Wäschereien in Ostdeutschland oftmals der letzte verbliebene Arbeitgeber weit und breit. „Gut ausgebildete junge Menschen haben die Region meist schon verlassen, Ältere finden keine Arbeit mehr. Die Wäsche wird über hunderte von Kilometern herangeholt. Das ist Alltag, aber ist das sinnvoll?“, fragt Rimbach. Er erwartet Entlassungen bei einem Mindestlohn von 6,36 Euro für einfachste Tätigkeiten. Und der Versuch, die erhöhten Lohnkosten weiterzugeben, werde nur dazu führen, dass Aufträge noch massiver nach Polen oder Tschechien abwandern.
Ob gut oder schlecht, was bedeutet der Mindestlohn aber konkret für die Unternehmer: Die Betriebe müssen ab Juli peinlich genau darauf achten, dass die Lohnbuchhaltung einwandfrei funktioniert. Das Mindestentgelt darf nicht unterschritten werden. Ansonsten drohen Nachzahlungen zu Lasten des Arbeitgebers.
Das betrifft die Lohndifferenz zwischen tatsächlich bezahltem Lohn und dem Mindestentgelt zuzüglich den Arbeitgeberanteilen bei den Sozialversicherungsabgaben. Vor allem müssen geringfügig Beschäftigte, Schüler und Studenten mit den übrigen Mitarbeitern gleichbehandelt werden. So weit die Warnung des DTV.
Daniel Grosse