Die deutsche Bevölkerung wird im Durchschnitt immer älter. Der Anteil an Senioren wird sich in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen. Damit wächst der Bedarf an Pflege-, Gesundheits- und letztlich auch an Textilpflegeleistungen. Die zukünftige Marktentwicklung bietet Chancen und Risiken.
Wachsender Markt ohne Garantie
Fast lautlos fliegt das beige Frotteehandtuch durch die Luft und landet mit einem dumpfen „Platschhh“ im blauen Wäschesack von Herrn Meyer. Pflegeschwester Hildegard sortiert gerade seine schmutzige Wäsche. Jetzt fehlt nur noch der braune Schlafanzug mit den weißen Streifen. Dann landet das Ganze in der Wäscherei. Solche Szenen spielen sich in Deutschland jedes Jahr tausendfach ab – mit zunehmender Tendenz. Der Markt für die Textilpflege im Gesundheitswesen wächst.
Nach dem aktuellen Pflegebericht des Statistischen Bundesamtes nahm die Zahl der Pflegeheime zwischen 2005 und 2007 um 5,8 Prozent zu. Aktuell sorgen in Deutschland 11.029 Heime für das Wohl ihrer Bewohner. Auch die Zahl der Pflegebedürftigen stieg gegenüber dem Jahr 2005 um sechs Prozent und lag 2007 bei 2,25 Millionen. Davon werden 68 Prozent zu Hause versorgt. Etwa 710.000 Personen oder 32 Prozent leben im Heim. Das waren 33.000 und damit 4,8 Prozent mehr als im Pflegebericht aus dem Jahr 2005. Noch deutlicher wird das Marktpotenzial beim Blick auf die Bevölkerungsentwicklung. Noch im Jahr 2000 betrug die Zahl der über 65-Jährigen in Deutschland 13,69 Millionen. Bereits 2006 lebten 16,29 Millionen Menschen aus dieser Altersklasse in der Bundesrepublik. Bis zum Jahr 2050 werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 22,85 Millionen Deutsche über 65 Jahre alt sein. Etwa zehn Millionen davon sollen sogar ein Lebensalter von 80 Jahren überschreiten. Die Gesellschaft altert also insgesamt erheblich. Angesichts dieser Entwicklungen werden sich auch die Krankenhäuser auf steigende Patientenzahlen einstellen müssen. Gute Voraussetzungen also für Textilpflegeanbieter. Wachsende Chancen für das Geschäft im Gesundheitswesen prognostiziert auch eine aktuelle Studie im Auftrag des Industrieverbandes Textil Service intex. Gerade Krankenhäuser setzen angesichts der immer strengeren Budgetierung ihrer Mittel auf das Outsourcing ihrer gesamten Wäscherversorgung. Größere Chancen haben in diesem Zusammenhang Betriebe, die neben dem Waschservice auch Textilleasing anbieten und ihren Kunden Mietwäsche für Patienten und Mitarbeiter stellen.
Diese Tendenz unterstreicht Brigitte Köppen-Börs, Geschäftsführerin des mittelständischen Textilserviceunternehmens Meyer aus Bad Iburg: „Das Leasingmodell ist heute absoluter Standard in Krankenhäusern. Ich kenne kaum ein Haus, das ohne Leasingwäsche arbeitet.“ Zudem falle in Kliniken meist Standardwäsche an, die einfacher zu bearbeiten sei. „Da hält sich der Bearbeitungsaufwand in überschaubaren Grenzen.“ Anders sehe das im Geschäft mit Altenheimen aus: „Hier ist Leasing kein so großes Thema. Außerdem haben wir es da kaum mit Standardware zu tun. Bei der Bewohnerwäsche müssen wir auf individuelle Pflegewünsche eingehen. Das bedeutet mehr Arbeit.“ Im Moment erkennt die Unternehmerin einen Trend zu deutlich mehr Schwerstpflegefällen in Seniorenheimen: „Solange es geht, bleiben die älteren Leute zu Hause. Erst die schweren Fälle kommen dann ins Heim. Bei der Intensivpflege fallen andere Wäschearten an. Das merken wir am Rückgang der Bekleidung. Dafür steigt der Umfang an Frotteewäsche deutlich an.“ Es gebe aber auch Heime, in denen noch viel Leibwäsche der Bewohner gewaschen wird. Der Markt sei generell sehr unterschiedlich und anspruchsvoll: „Im Moment ist es gerade für kleine und mittlere Betriebe ziemlich schwierig. Preiserhöhungen sind wegen der rückläufigen Budgets vieler Häuser nicht drin. Außerdem drängen große Textilserviceunternehmen auf den Markt, mit deren Preisen wir nicht konkurrieren können“, sagt Brigitte Köppen-Börs. Der Erfolg führe über erstklassigen Service: „Auch wir als Chefs müssen für die Kunden erreichbar sein und uns im Extremfall um ein vermisstes Taschentuch kümmern. Individuelle Wünsche erfüllen und die Sorgen des Auftraggebers ernst nehmen – nur so geht es.“ Die Kunden würden das auch honorieren und wegen einem günstigeren Angebot nicht sofort zur Konkurrenz abwandern.
Eine weitere Entwicklung auf dem Markt für Altenheimwäsche beobachtet Gerhard Gruner, Geschäftsführer Krankenhauswäscherei Königin Elisabeth Herzberge GmbH in Berlin: „Bei Altenheimen geht der Trend zu immer größeren Heimketten, deren Betriebe über die gesamte Republik verstreut sind. Den notwendigen flächendeckenden Service können dann meist nur Großwäschereien bieten.“ Gegen diesen Trend könnten mittlere und kleine Betriebe nur bestehen, indem sie sich in Kooperationsgemeinschaften zusammenschließen. Zudem glaubt Gruner, dass Neueinsteiger im Altenheimbereich nur über Kampfpreise Marktanteile gewinnen könnten. Er bedauert diese Situation: „In Zeiten der knappen Budgets gilt eben nur billig.“ Dabei stelle gerade Altenheimwäsche besondere Anforderungen an die Arbeitsqualität: „Das ist eine sensible Wäscheart. Diese in Massen zu bearbeiten, erfordert ein großes Wissen und Können. Schließlich vertrauen uns die Heimbewohner ihre intimste Wäsche an. Auch wir mussten viel Lernen, um das Metier zu beherrschen.“ In Krankenhauswäschereien seien neben Geld andere Kriterien entscheidend. „Schon eine kleine Wäscherei kann in einem Krankenhaus geführt werden, wenn die weichen Faktoren wie Zuverlässigkeit, sofortige Handlungsfähigkeit durch kurze Wege und sehr gute Qualität einen hohen Stellenwert bei der Hausleitung besitzen“, gibt Gruner zu bedenken. Eine genaue Wäschemenge, ab der sich eine eigene Krankenhauswäscherei lohnt, nennt der Diplom-Ingenieur nicht. Dazu seien die Ökonomie und die Personalpolitik in rein privat geführten Unternehmen und den Betrieben im öffentlichen Dienst zu unterschiedlich. Gruners Wäscherei arbeitet seit 1993 als eigenständige Tochtergesellschaft des Krankenhauses. „Unser Zwitterstatus hat uns über die Jahre als gesunden Betrieb überleben lassen. Zurzeit können wir über Arbeit nicht klagen. Allerdings tendiert der Gewinn dank der Mitbewerberpreise gegen null“, beschreibt der Geschäftsführer die momentane Situation.
Auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Wäscheversorgung müssen auch die Leiter von Krankenhäusern und Altenheimen achten. Dabei stehen sie vor der grundsätzlichen Frage: Im eigenen Haus waschen oder einen externen Dienstleister beauftragen? Antworten darauf gibt Carola Reiner als Expertin für Hauswirtschaft und Fachwirtin für Reinigungs- und Hygienemanagement. Sie berät unter anderem Krankenhäuser und Altenheime. Aktuell sieht Reiner bei Krankenhäusern eine „weiter kräftige Tendenz zum Outsourcing“. In der aktuellen Wirtschaftskrise sei zudem ein Schritt zurück zur eigenen Wäscherei schwer vorstellbar: „Die notwendigen Investitionen sind im Moment nur schwer zu stemmen.“ In der Vergangenheit seien in einigen Häusern allerdings Überlegungen dagewesen, innerhalb einer Trägerstruktur gemeinsam für mehrere Kliniken zu waschen. Etwas anders schätzt die Beraterin die Situation in Altenheimen ein: „Dort ist ein Trend zur Zweiteilung zu beobachten. Die Oberbekleidung wird meist im Haus selbst gewaschen, während die restliche Wäsche an einen Textilpflegebetrieb abgegeben wird.“ Dabei spiele die Hygiene eine wichtige Rolle. „Viele Heimleitungen haben Angst vor Infektionen in ihren Häusern und trauen sich nicht zu, die Standards selbst einzuhalten. Außerdem fehlt aus organisatorischer Sicht oft einfach der Platz, eine eigene Wäscherei mit reiner und unreiner Seite zu betreiben“, erläutert Carola Reiner. Grundsätzlich sei eine Hauswäscherei in Altenheimen mit einer Kapazität ab 100 Betten immer noch wirtschaftlich und mit Hilfe eines Hygienebeauftragten auch entsprechend den Standards zu betreiben. Daneben macht die Unternehmensberaterin ein weitere interessante Entwicklung aus: „Zunehmend haben Wohngruppen eigene Waschmaschinen und pflegen ihre Textilien selbst. Dabei helfen auch die Bewohner mit. Beispielsweise werden bei einem Haus mit 60 Gästen sechs Gruppen zu je zehn Personen gebildet. Diese Gruppe organisiert sich dann selbst.“
Die Hauswirtschaft wird dadurch nicht mehr zentral abgewickelt. Als wirtschaftliche Schallgrenze für das Modell nennt Reiner Gemeinschaften mit mindestens zehn Personen. Im Zuge einer weiteren aktuellen Tendenz würden immer mehr Krankenhäuser und Heime versuchen, ihr Gesamtwäschegewicht durch kleinere Teile zu reduzieren. „Da werden dann zum Beispiel kleinere Handtücher verwendet, um Kosten bei der Abrechnung mit dem Dienstleister zu sparen“, verdeutlicht die Expertin.
Der Bedarf für Textilpflegedienstleistungen im Gesundheitswesen wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmen. Welche Unternehmen aus der Branche davon profitieren, ist aktuell noch nicht abzusehen. Offensichtlich können gerade kleine und mittlere Betriebe im Moment nicht über den Preis mit den Großen konkurrieren. Ein Weg zum möglichen Erfolg führt über erstklassigen Service und hohe Qualität.
Daneben spielt auch die größe des lokalen Marktes eine Rolle. Betriebe in Ballungsräumen mit vielen Einwohnern haben langfristig deutlich bessere Wachstumschancen. Deshalb kommt der Verbesserung und dem Ausbau des eigenen Vertriebssystems zukünftig eine große Bedeutung zu. Auch die Spezialisierung auf besonders anspruchsvolle Textilien kann ebenso eine Lösung sein, wie das Anbieten eines Komplettservice aus Textilpflege und Leasing. Daneben erhöht auch neue Technik die Absatzchancen.
Gerhard Gruner nennt das Beispiel RFID: „Die Technik erfordert zwar einen hohen Investitionsaufwand und ist gegenüber dem herkömmlichen Barcodesystem finanziell oft noch unattraktiv. Allerdings öffnet diese Technik Türen, in die wir vorher mit unseren Preisen keinen Fuß hineinbekommen hätten. Das sind Kunden mit einem hohen Anspruch an ihre kundeneigene Wäsche hinsichtlich der Vollzähligkeit und der Servicequalität.“
Heim- und Krankenhausleiter sollten in ihrem individuellen Fall genau prüfen, welche Modelle wirklich Sinn machen.
Setzt mein Haus stärker auf weiche Faktoren oder steht der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund? Gute Argumente gibt es sowohl für das Outsourcing als auch für die eigene Wäscherei.
Matthias Heiler