Tagung der hessischen Textilreiniger Was tut der Frosch im Kochtopf?

Auf der Mitgliederversammlung des Hessischen Textilreinigungsverbands (HTV) und der Textilreiniger-Innung Hessen von 17. bis 19. November in Romrod/Alsfeld wurde der bisherige Vorstand mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt. Zwei Referenten informierten die Teilnehmer über den Systemwandel im Arbeitsschutz und die Entwicklung erfolgreicher Unternehmensstrategien.

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    Zweifacher silberner Jubilar: Dietrich Kartmann aus Aßlar (links) und Vorsitzender Erik Puth (rechts).
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    Dipl.-Ing. Dieter Mönkemeyer referierte über den Arbeitsschutz.
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    Überlebensstrategien waren das Thema von Heinz-Josef Nötges.

Was tut der Frosch im Kochtopf?

„Zehn Jahre als Vorstandsvorsitzender wären eigentlich genug gewesen“, sagte der Vorsitzende Erik Puth nach Annahme der Wahl. Um einer Verkrustung im Vorstand des HTV entgegenzuwirken, hoffe er auf mehr Dynamik, damit nach der nächsten Wahl in drei Jahren ein anderes Mitglied das Amt des Vorsitzenden übernehmen könne. Zur Eröffnung der Tagung hatte er versichert, dass eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge nicht vorgesehen sei. Gegenwärtig gehören dem HTV 52 Betriebe und acht Fördermitglieder an. Eine Verschmelzung des DTV mit dem Verband Neuzeitliche Textilpflege sei aus Sicht des HTV-Vorstands zu begrüßen, sagte der wiedergewählte Vorsitzende.

In den Mitgliedsbetrieben hätten zehn von 16 Auszubildenden die Gesellenprüfung bestanden, berichtete Erik Puth weiter. Neben den Rahmenverträgen der Kreishandwerkerschaft für den Verband Osthessen sei auch eine Vereinbarung zur Beratung und gerichtlichen Vertretung in arbeitsrechtlichen Fragen vorgesehen. Den Jahresbeitrag dafür werde der HTV übernehmen. An die Mitglieder appellierte Erik Puth, sich noch stärker in Ehrenämtern zu engagieren: „Nur gemeinsam können wir branchenspezifische Probleme lösen!“ Danach überreichte der Vorsitzende an Dietrich Kartmann aus Aßlar den silbernen Meisterbrief sowie eine Anerkennungsurkunde zum 25-jährigen Geschäftsjubiläum. Auch berichtete er über die vorangegangene Vorstandssitzung, in der u.a. über die Mitarbeit in verschiedenen Ausschüssen des DTV Bilanz gezogen worden war.

Helmut Gayer beendete seine langjährige Arbeit als Delegierter bei der Berufsgenossenschaft. Daher sucht die AG Hessischer Arbeitgeber im Handwerk einen Berufskollegen, der künftig dieses Amt wahrnimmt. „Ich bitte Sie, darüber nachzudenken. Es werden kompetente Vertreter gebraucht, die zur Vermeidung von fachfremden Entscheidungen die Interessen der Arbeitgeber einbringen können“, appellierte der Geschäftsführer. Ferner teilte er mit, dass der ZDH durch Lobbyarbeit erreicht habe, Einfluss auf die Staatsverträge der Bundesländer zur Rundfunkgebühr für internetfähige PC zu nehmen. „Wenn für den Betrieb eine Rundfunkanlage gemeldet ist, ist eine PC-Gebühr irrelevant“, so Helmut Gayer.

Dipl.-Ing. Dieter Mönkemeyer von der Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft referierte über den „Systemwandel im Arbeitsschutz – Gefährdungsbeurteilung – BGV A 2“. Mit der Neuregelung wolle das Bundesministerium für Arbeit und Soziales EG-Recht umsetzen, den Arbeitsschutz deregulieren, Doppelregelungen vermeiden und die Rechtslage vereinfachen, so der Referent.

Dementsprechend würden in den neuen bzw. geänderten Verordnungen zum Arbeitsschutz Zielvorgaben, jedoch kaum noch Detailanforderungen definiert. Ausschüsse würden in technischen Regeln die Anforderungen der Vorschriften konkretisieren. Durch die Vermutungswirkung gälten die Vorschriften normalerweise als erfüllt. Mönkemeyer: „Die Anforderungen müssen auf der Basis einer Gefährdungsbeurteilung umgesetzt werden.“ Folglich habe die Berufsgenossenschaft neue Unfallverhütungsvorschriften mit „Grundsätzen der Prävention“ konzipiert. Kern seien die Anwendung staatlicher Arbeitsschutzvorschriften, die Erste Hilfe sowie die arbeitsmedizinische Versorgung. Für die Unternehmer ergäben sich aus der Neuregelung flexibel zu handhabende Grundvorschriften, technische Regeln als Richtschnur sowie eine größere Gestaltungsfreiheit. „Die Arbeitsbedingungen müssen betriebsbezogen beurteilt werden. Danach ist zu entscheiden, welche Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig sind“, so der Referent. Wichtig seien eine genaue Prüfung der Arbeitsplätze und die Einschätzung, inwiefern sich das Gefährdungspotential verändert hat oder sich verändern kann. Vor diesem Hintergrund sei zu hinterfragen, ob die Arbeitsschutzmaßnahmen ausreichend sind oder aber ob sie an die gegenwärtigen Betriebsverhältnisse angepasst werden müssen. Schließlich sei eine lückenlose Dokumentation über sämtliche getroffenen Maßnahmen notwendig. Auf der Homepage www.textil-bg.de könnten sich Unternehmer jederzeit über die Thematik ausführlich informieren, empfahl Mönkemeyer.

Seit Februar 2006 seien im Rahmen einer neuen Unfallverhütungsvorschrift Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit einzusetzen, erläuterte er weiter. Textilreiniger und Wäschereien seien in die Gruppe III (niedrige Anforderungen) einzuordnen. Für die Betreuung durch Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte gäbe es drei Möglichkeiten: „In Betrieben mit maximal zehn Mitarbeitern mit einer Jahresarbeitszeit von jeweils 1.800 Stunden ist eine Regelbetreuung ohne vorgegebene Einsatzzeiten möglich“, erläuterte er.

Zur Grundbetreuung gehöre die Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung, die alle fünf Jahre wiederholt und nachgewiesen werden müsse. Hinzu kämen anlassbezogene Betreuungen nach Ermessen des Unternehmers. Anlässe könnten die Planung oder Änderung von Betriebsanlagen, eine grundlegende Umgestaltung von Arbeitszeiten oder Schichtsystemen oder aber die Einführung neuer Arbeitsmittel oder Gefahrstoffe sein. Bei der Regelbetreuung für Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten hätten sich die Kriterien indessen nicht verändert. Ein alternatives Modell für Unternehmen mit bis zu fünfzig Mitarbeitern sei die bedarfsorientierte Betreuung. In diesem Fall sei die Teilnahme an Fortbildungs- oder Motivationsmaßnahmen unter Inanspruchnahme einer bedarfsorientierten externen Betreuung auf der Grundlage des Gefährdungspotenzials erforderlich. Ferner müsse sich der Unternehmer im Selbststudium den Inhalt des betrieblichen Gesundheitsschutzes im Unternehmerhandbuch aneignen. Neu sei die Ausdehnung auf eine betriebsärztliche Betreuung. Entscheide sich der Unternehmer für das Alternativmodell, müsse er die Berufsgenossenschaft darüber informieren. Ferner seien die Beschäftigten in Kenntnis zu setzen, welchen Arbeitsmediziner oder welche Fachkraft für Arbeitssicherheit sie bei Bedarf konsultieren können. Zudem müsse innerhalb des Unternehmens mit den Mitarbeitern ein Verfahren über den Ablauf von Sicherheitsmaßnahmen festgelegt werden. Schließlich seien regelmäßig Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen und die Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren. Was tut ein Frosch in einem mit Wasser gefüllten Kochtopf? Gar nichts. Er genießt es, dass es zusehends wärmer wird. Seine Lebenserfahrung sagt ihm, dass die Temperatur irgendwann wieder sinken wird. Doch es kommt anders: Der Koch schaltet den Herd auf Stufe drei, das Wasser beginnt zu brodeln und der Frosch ist mausetot. Mit diesem Beispiel brachte Heinz-Josef Nötges die Mentalität zahlreicher Unternehmer auf den Punkt: „Wir haben von Gott die Ereignisorientierung mitbekommen“, so der Inhaber der Nötges + Partner Unternehmensberatung und Personalentwicklung, Paderborn.

Schleichende Veränderungen würden die meisten Menschen in einer Dimension wahrnehmen, die keine Reaktion vorschreibt. „Denken wir nur einmal an die Rente. Wir wissen, dass die Angehörigen jüngerer Generationen nicht mehr das bekommen werden, was sie eigentlich erwartet hatten. Aber niemand tut etwas dagegen. Auch nicht die Steuergesetzgebung. Wir leben nach dem Motto ‚es geht doch noch‘“, warnte der Referent.

Zahlreiche Unternehmer würden nur investieren, wenn die Rendite entsprechend fließt. Werde das Budget aber eng, stelle sich heraus, dass nichts mehr zu verändern ist. Gerade in solch einer Situation wäre es besser, antizyklisch zu handeln, um das Unternehmen zu erhalten. Aber: „Neuland ist immer dort, wo sich niemand auskennt. Wer verlässt schon gern ein bekanntes System, das ihn einst erfolgreich gemacht hat, zugunsten eines anderen, das er noch gar nicht kennt?“, gab Nötges zu bedenken. Letztendlich würden die „Systeminhaber“ selbst dafür sorgen, Systeme zu erhalten. Wenngleich sich irgendwann herausstelle, dass sie sich überlebt haben. „Da hilft nur das Chaos, der Zusammenbruch“, stellte der Referent fest. Die Existenz eines jeden Betriebs habe irgendwann ein Ende: „Die statistische Lebensdauer von Unternehmen beträgt vierzig Jahre. Durch Veränderungen im Umfeld wird ein Betrieb irgendwann situationsinadäquat. Die Kunden empfinden ihn nicht mehr als attraktiv und bleiben aus.“ Fazit: Um seinen Betrieb am Leben zu erhalten, muss der Unternehmer kleine Veränderungen im Umfeld mit der gebotenen Sensibilität wahrnehmen und darauf mit Änderungen der Unternehmensphilosophie reagieren. „Insbesondere bei einer Übergabe an die nächste Generation sollte aus dem Chaos heraus eine Vision für eine erfolgreiche Zukunft erarbeitet werden“, empfahl Heinz-Josef Nötges: „Eine Vision ist größer als ich. Sie gibt mir Kraft, Energie und Motivation, mich dorthin zu bewegen.“ Daher sollte Bodenständigkeit innovativ aufgefasst werden, indem der Boden ständig beobachtet wird und Veränderungen schon eingeleitet werden, bevor sie notwendig sind. Der Referent: „Obwohl Sie Geld verdienen und gut sind, müssen Sie den Bewegungen des Marktes immer zwei Nasenlängen voraus sein. Stellen Sie die Qualität Ihrer Arbeit in Frage, obwohl Sie wissen, dass sie gut ist.“

Tradition und Routine müssten ständig hinterfragt, gemeinsam mit den Beschäftigten neue Ideen entwickelt und konsequent umgesetzt werden. Dabei sei indessen zu beachten, dass das Unternehmen auf der Welle surfe, anstatt hinterher oder vorweg zu schwimmen. „Die Kunden und der Markt sind erziehungsresistent. Wer aber seine Dienstleistung mit einer Lebensstilaussage verbinden kann, das Ganze als Marke etabliert und die Anforderungen der Kundschaft übererfüllt, macht das Geschäft“, so die Empfehlung von Nötges. Vor diesem Hintergrund berichtete er über einen Taxifahrer, der seinen Fahrgästen stets ein Getränk, eine Zigarette und eine Zeitschrift nach Wahl anbietet. All inclusive, versteht sich. Der Referent: „Die Kunden geben ihm freiwillig Trinkgeld und bestellen auch für die nächste Fahrt ihn und niemand anders.“

Auch Textilreiniger könnten mit kleinen Extras überraschen, die gar nicht viel kosten, die Kunden jedoch an das Unternehmen binden: „Zum Beispiel eine Belüftungsanlage, die den Geruch nach Wäsche absorbiert, oder aber Musik in der Annahme.“ Dienstleistung sei nämlich nicht von dem Verb „dienen“ abzuleiten, sondern der Akzent müsse auf „Leistung“ gesetzt werden, unterstrich Heinz-Josef Nötges. „Der Unternehmer muss sich stets fragen, welche Leistung er für den Kunden erbringt, und kontinuierlich Stärken und Schwächen im Betrieb analysieren.“

Wachstum sei nur möglich, wenn gerade im Engpass investiert wird: „Dort, wo am wenigsten hingeschaut wird, entstehen Engpässe. Außenstehende möchten das Unternehmen jedoch als Gesamtkunstwerk wahrnehmen.“ Konkret erläutert am Beispiel eines Restaurants: Wenn der Kellner Trauerränder unter den Nägeln hat, wird dem Gast auch das Essen eines Sternekochs nicht schmecken. Stimmen wiederum Ambiente und Service, aber lässt die Qualität der Speisen zu wünschen übrig, bleiben ebenfalls die Gäste aus. Angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent aller Kunden den Dienstleister oder ein Geschäft wechseln, ohne sich über Mängel beschwert zu haben, sei eine ständige Qualitätskontrolle sämtlicher Dienstleistungsfaktoren zwingend notwendig.

Reinhard Wylegalla