Wie lege ich das Geschirrtuch auf die Mangel? Welchen Knopf muss ich drücken, wenn es falsch liegt? Und was war nochmal bei dem Kopfkissen zu beachten? Bis neue Handgriffe sitzen, stellen sich Mitarbeiter viele Fragen. Das kostet Zeit. Aber nicht nur. Was viele Unternehmer nicht sehen: Es kostet Überwindung und nagt am Selbstvertrauen. Besonders, wenn neue Arbeitskräfte kein oder nur gebrochen Deutsch sprechen. Dabei könnte das Anlernen viel leichter von der Hand gehen – und zwar mit einer ganz simplen Methode: Erklärvideos von Worxcamera.
An der Mangel der Wäscherei Hitz liegt ein Tablet. Mit einem Klick gelangen Mitarbeiter auf eine interne Website.
Worxcamera heißt das Tool und zeigt die Maschine, an der die Mitarbeiter stehen und die Teile, die sie aufnimmt: Kissenbezüge, Geschirrtücher, Bademäntel. Jedem Teil ist ein Schulungsvideo hinterlegt. Es zeigt aus der Perspektive des Mitarbeiters, wie das Textil aufgelegt wird und was bei falscher Eingabe oder Flecken zu tun ist. In knapp 60 Sekunden. Ohne Ton.
Problem in vielen Wäschereien: Fehlende Sprachkenntnisse
"In der Produktion ist es oft laut", sagt Christof Dohnke, Geschäftsführer der Hitz Textilpflege und Mitgründer des Start-ups Worxcamera. Erklärungen gehen unter.
Doch nicht nur die Lautstärke kann eine Hürde für das Einlernen neuer Kräfte sein. "Viele Fachkräfte scheitern auch an Deutschkenntnissen", ergänzt Mitgründer von Worxcamera Jürgen Stephan. "Deshalb drehen wir den Spieß um: Wir sprechen die Sprache unserer Beschäftigten." Und das in allen Bereichen: Urlaubsanträge, Hygieneanweisungen und Handgriffe.
Aushänge in verschiedenen Muttersprachen hängen in vielen Betrieben. Dohnke und Stephan gehen mit ihrem Start-up Worxcamera einen Schritt weiter: Sie stellen Informationen online zur Verfügung – in der Landessprache und mit Erklärvideos. "Die Idee ist so einfach, mich wundert es, dass noch keiner früher draufgekommen ist", sagt Stephan.
So entstand die Idee zu Worxcamera
Die Idee für Worxcamera entstand allerdings nicht spontan; sie reifte. Den Samen legte Dohnke vor Jahren. 2012 stieg der ehemalige Bundeswehroffizier in den Familienbetrieb als Geschäftsführer ein. Zu dem Zeitpunkt hatte der 30-Jährige einen MBA in internationalem Management erworben. Vor diesem Hintergrund stellte er einen Feelgood-Manager in der Wäscherei Hitz ein. Was esoterisch anmutet, hat einen wirtschaftlichen Ansatz: Mitarbeiterbindung.


Arbeit in einer Wäscherei: Was brauchen Mitarbeiter?
"Nichts ist schwieriger als immer wieder neue Mitarbeiter anzuziehen", sagt Dohnke. Ihm gehe es nicht darum, seine Mitarbeiter mit einem Obstkorb oder einem Kicker zu bespaßen. Vielmehr möchte er Bedingungen schaffen, die seine Angestellten motivieren. "Die meisten verbringen acht bis neun Stunden im Betrieb – und dass fünf Tage die Woche. Das ist mehr Zeit als mit der Familie."
Was Mitarbeiter brauchen, um besser zu arbeiten, wissen sie laut Dohnke meist selbst am besten. Doch die Hürde, das dem Chef mitzuteilen, sei oft hoch. Deshalb bot er eine Anlaufstelle an: Jürgen Stephan. Der Blick auf die Realität der Arbeitskräfte zeigte: Vorarbeiter lernen neue Kräfte mit viel Mühe an. "Oft mit Händen und Füßen." Denn in vielen Fällen fehlt die gemeinsame Sprache. Bei der Hitz Textilpflege arbeiten 50 Mitarbeiter aus zwölf Nationen.


Mit Bildern lernen
"Manche Schritte, die erklärt wurden, waren nach kurzer Zeit wieder vergessen", beschreibt Dohnke. Kam beispielsweise ein neuer Artikel oder ein Textil, das nicht oft durchläuft, mussten neue Kräfte erst Kollegen oder Vorarbeiter fragen. Das kostete Zeit. Und es raubte Nerven, wenn durch Sprachbarrieren Missverständnisse aufkamen. Das muss doch einfacher gehen, dachten sich Dohnke und Stephan – und setzten so den entscheidenden Impuls für Worxcamera.
"Der Mensch lernt durch Bilder", sagt Stephan, "und durchs Vormachen – also wieso nicht per Video?". Die Idee stand. Für die Umsetzung beleuchteten die Gründer des Start-ups zunächst die Produktion des 1919 gegründeten Betriebes: An welcher Station fangen neue Mitarbeiter an? Welche Artikel bearbeiten sie? Und welche Probleme können auftreten?



Erklärvideos zeigen jeden Arbeitschritt
Zu jedem Textil drehten sie einen Clip. Ende März umfasste der Prototyp zwei Maschinen und zehn Videos. Die Idee kam an – bei den Mitarbeitern und bei anderen Unternehmen.
Also legten sie nach und drehten Videos für Berufsbekleidung – vom Kittel über Kochjacken bis Arbeitshosen. Eingefügte Linien und Pfeile erleichtern das Verständnis der Arbeitsschritte "Man kann an jeder Maschine die Arbeitsschritte in Einzelteile zerlegen", sagt Stephan.
Freiräume für Vorarbeiter und Erfolgserlebnisse für neue Kräfte
Nicht nur in Wäschereien, auch in einer Näherei, bei der Textilherstellung oder bei der Konfektionierung. "Was die Videos allerdings nicht ersetzen können, sind die Vorarbeiter", sagt Dohnke. Worxcamera soll deren Arbeit aber unterstützen.
"Artikel werden unterschiedlich angelegt. Die Videos können das in Erinnerung rufen." Das schafft Freiräume für Vorarbeiter – und Erfolgserlebnisse für die neuen Mitarbeiter. Weil sie sich mit einem Griff zum Tablet selbst helfen können. Das stärke das Selbstvertrauen, sagt Stephan: "Es geht darum, dass Mitarbeiter die Videos jederzeit wieder ansehen können." Und dadurch schnell und unkompliziert Antworten finden, z. B. "Was muss ich machen, wenn eine Serviette dreckig ist?"
Aktuell umfasst Worxcamera bei der Wäscherei Hinz die Großteilemangel, die Kleinteilemangel und den Frotteefalter. An jedem Gerät und im Pausenraum finden die Mitarbeiter ein Tablet. Auf der unternehmensinternen Webseite zeigt ein Foto von der Maschine das jeweilige Gerät an. Ein Klick auf das Foto zeigt die zugeordneten Teile – mit der deutschen Bezeichnung. „Die Mitarbeiter sollen ja die Fachbegriffe lernen“, sagt Stephan.
Videos kann jede Wäscherei selbst anpassen
Worxcamera setzt auf visuelles Lernen. "Es ist kein fertiges Tool, das Unternehmen runterladen", erklärt Stephan. "Jeder Maschinenpark ist anders“, ergänzt Dohnke. "Jede Wäscherei ist anders."
In seiner Wäscherei, die er gemeinsam mit seinem Bruder Elmar leitet, möchte er langfristig alle Prozesse in Erklärvideos darstellen: in der Produktion und außerhalb. Administrative Prozesse etwa, wie sich Mitarbeiter krankmelden oder wie sie Urlaub beantragen. Das Modell Worxcamera möchte Stephan in Zukunft über die Grenzen von Fürth bekanntmachen. Gespräche mit anderen Unternehmern stehen schon im Kalender.
Worxcamera: Was kostet das Tool?
Die Frage nach den Kosten lässt sich seinen Worten nach nicht pauschal beantworten. Rund 10.000 Euro investierte die Wäscherei Hinz für den ersten Prototyp, schätzt er. "Das hört sich viel an." Aber nur, wenn man lediglich die Kosten und nicht den Nutzen einkalkuliert. Wie zum Beispiel das wachsende Selbstvertrauen der Angestellten, wenn die Fehlerquote sinkt.
"Viele Mitarbeiter, besonders Geflüchtete, haben das Bedürfnis, verstanden zu werden und anzukommen", sagt Dohnke. Ständiges Nachfragen und gefühltes Scheitern im Beruf kratze am Selbstbewusstsein und führe zu hoher Fluktuation. Mit einfachen Mitteln wie den Erklärvideos oder einem Lob in Landessprache, stärke das Unternehmen nicht nur den Einzelnen, sondern den gesamten Betrieb. "Die Mitarbeiter unterhalten sich", sagt Dohnke. Nicht nur im Betrieb. Auch außerhalb. Und Mundpropaganda ziehe die meisten Mitarbeiter an. "Brüder, Cousins, Tanten – jeder will bei uns arbeiten."