Reibungsloser Übergang auf dem Chefsessel Betriebsnachfolge: Mit 9 Tipps gut geplant

Reibungslose Firmenübernahmen sind wichtig, auch in der Textilpflegebranche. Doch viele Unternehmer müssen ihre Betriebe aufgrund fehlender Nachfolger irgendwann aufgeben. Hier 9 Tipps für eine erfolgreiche Betriebsnachfolge und ein Vorzeigebeispiel aus dem Textilservice.

Zu sehen: Andreas (li.) und Daniel (re.) mit ihrem Vater Edgar Wyttenbach.
Die REWA Textilservice AG: Andreas (li.) und Daniel (re.) mit ihrem Vater Edgar Wyttenbach. - © REWA

Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer über 60 Jahre ist es an der Zeit, sich über die Firma Gedanken zu machen: Also Übergabe an Kinder oder Mitarbeiter, verkaufen, aufgeben? "Wenn die Perspektive beruflicher Selbstständigkeit jungen Menschen attraktiv erscheint, dann werden sie den Schritt wagen. Das müssen wir erreichen. Dann bleiben Chefsessel nie lange unbesetzt", betont Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart.

Ein ganzes Paket an Unterstützungs- und Servicemaßnahmen hat die Handwerkskammer Stuttgart, wie auch einige andere Handwerkskammern, hierfür im Angebot. Die Berater sind gefragte Anlaufstellen. Auch ein spezieller Nachfolgemoderator ist im Einsatz.

Erhalt von Betrieben wichtig für Wirtschaft

Um den demografischen Wandel zu meistern, seien Mittelstand und Handwerk zukünftig mehr denn je auf innovative und kreative Unternehmer angewiesen. "Wir brauchen diese dynamischen und entschlossenen jungen Menschen mit guten Ideen. Erfolgreiche Betriebsübernahmen erhalten nicht nur Arbeitsplätze, sondern schaffen oft neue und generieren höhere Steuereinnahmen. Sie verhelfen der Wirtschaft zu einer besseren Dynamik, beschleunigen die notwendigen strukturellen Anpassungsprozesse und führen nicht selten zu neuen, innovativen Produkten und Leistungen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von hoher Bedeutung sind", sagt Kammerchef Friedrich.

Meister als solide Qualifikation

Peter Friedrich weiß: "Das Gründen wie auch die Übernahme eines Betriebes gehören zur DNA des Handwerks. Selbstständig zu sein, ist für viele Handwerker Teil ihres Selbstverständnisses. Deshalb absolvieren auch viele junge Handwerker die Meisterprüfung, um die maßgeschneiderte Qualifikation mitzubringen.“ Doch werden in den letzten Jahren auch im Handwerk Gründungen vor allem in den meisterpflichtigen Berufen immer schwieriger und komplexer. „Wenn wir aber weniger Betriebsgründer und weniger Nachfolger haben, schwächt das die Wirtschaftskraft."

Beim Thema Betriebsnachfolge handelt es sich nicht um ein branchenspezifisches Thema. Es geht vielmehr um einen ganz normalen Generationenwechsel, der sich von A wie Augenoptiker über T wie Textilreiniger bis Z wie Zimmerer-Handwerk durchzieht. Betriebsübergaben laufen dort zielführend und problemlos, wo das Thema frühzeitig erkannt und angegangen wird, so die Erfahrung der Betriebswirtschaftlichen Berater bei der Stuttgarter Handwerkskammer.

Rechtzeitig mit der Planung beginnen

Die übergabebereiten Unternehmer informieren sich rechtzeitig, stellen die Weichen in der Familie, im Betrieb oder strecken die Fühler nach externen Übernehmern aus und gehen das Thema aktiv an. Die Informationsphase mündet dann in die Beratungsphase. Ganz wichtig ist dann die Entscheidungsphase. Involviert sind Berater, Banken, der Steuerberater, vielleicht ein Rechtsanwalt oder ein Notar - und nicht selten von Anfang an die Belegschaft. Eine sinnvolle Transparenz gibt den Beschäftigten die Sicherheit, dass es weitergeht.

Ein wirtschaftlich gesunder Betrieb mit Renditeaussichten, einem Kundenstamm und einer funktionierenden Belegschaft wird in der Regel eine für beide Seiten zufriedenstellende Nachfolgelösung realisieren können. Stimmen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind junge Handwerkerinnen und Handwerker - egal ob aus der Familie, aus der Belegschaft oder Externe - bereit, in die Verantwortung zu gehen. Es ist aber zu beobachten, wie eine Corona-Pandemie, die Energiekrise oder die Folgen der Inflation rasant Vorstellungen, Umstände und Pläne über den Haufen werfen können. Solche nicht vorhersehbaren Faktoren gilt es mit der Erfahrung der Übergeber und der Zuversicht der nachrückenden Generation abzufedern.

Erfolgreiche Betriebsnachfolge trotz Krisen

Dass die Betriebsnachfolge trotz der vielen Krisen funktioniert, zeigt die REWA Textilservice AG aus Thöringen in der Schweiz. Die Brüder Andreas und Daniel Wyttenbach begannen 2021 während der Corona-Krise das Textilservice-Unternehmen von ihrem Vater Edgar Wyttenbach zu übernehmen. Dass die Energiekrise sie und die gesamte Branche vor existenzielle Herausforderungen stellen würde, konnten sie bei der Übernahme des Fullservice-Anbieters für Berufsbekleidung ebenso wenig absehen, wie mögliche Folgen der Corona-Pandemie. Mit ihrem Vater als Berater und im Austausch mit ihrem erfahrenen Team fanden sie aber Lösungen, die sich zeitnah umsetzen ließen. In Eigenregie montierten sie eine Solaranlage auf dem Dach, optimierten alle Betriebsabläufe und den Einsatz von Hilfsmitteln. So konnten sie die Preise für ihre Wäscherei-Dienstleistungen stabil halten.

Über die REWA Textilservice AG:

Die REWA Textilservice AG ist ein Familienunternehmen mit Sitz im ländlichen Thörigen im Kanton Bern (Schweiz). Das Dienstleistungskonzept besteht aus drei Standbeinen: einem professionellen Waschservice für kundeneigene Berufsbekleidung, der Bereitstellung von Textilien im Leasing und dem reinen Verkauf von Berufsbekleidung in Markenqualität. Das Textilservice-Unternehmen kleidet Firmen nach CI/CD Vorgaben ein und gibt Empfehlungen für den Einsatz geeigneter Textilien, je nach Anforderung an die Beanspruchung und die Normen in der jeweiligen Branche. Dabei arbeitet die Firma mit Herstellern von Berufskleidung in der Schweiz zusammen.

Wie sieht eine ideale Betriebsnachfolge aus?

Die Berater bei der Handwerkskammer Region Stuttgart erleben sehr häufig, dass sich Betriebsinhaber zu spät mit der Nachfolgeregelung befassen. Oft sind die Vorstellungen bezüglich des Unternehmenswerts und der daraus folgende Kaufpreis oder die Pachthöhe überhöht. Ist das Unternehmen ein wesentlicher Teil der Altersabsicherung des Übergebers, schränkt dies die Gestaltungsmöglichkeiten im Nachfolgeprozess deutlich ein. Liegt zudem noch ein Investitionsstau vor, wird es besonders schwierig.

Der Übergeber darf auch nicht versäumen, sich rechtzeitig zurückzuziehen. Er muss Verantwortung übergeben, er muss loslassen können. Die Qualifikation des Nachfolgers muss zudem stimmen. Dies sowohl in fachlicher Weise als auch in den menschlichen Voraussetzungen wie Durchhaltevermögen, Führungskompetenzen sowie unternehmerischen Qualitäten. Die Meisterprüfung im Handwerk ist hierbei eine sehr solide Basis. Und nicht zuletzt braucht es Vertrauen und die Wertschätzung zwischen Übergebern und Übernehmern. Das alles muss stimmen, schließlich handelt es sich ja um das Lebenswerk auf der einen und um die Lebensziele auf der anderen Seite.

Ein Blick in die Produktion der REWA Textilservice AG.
Ein Blick in die Produktion der REWA Textilservice AG - © REWA

Wie es ablaufen kann

Auch hier zeigt das Beispiel der REWA Textilservice AG wie es gemacht werden kann. Die beiden Brüder stiegen bereits einige Zeit vor dem Nachfolgeprozess in den Betrieb ein. Andreas Wyttenbach fing 2019 an, sein Bruder Daniel folgte 2020. Beide sind ohne Vorkenntnisse in den Betrieb eingestiegen. Dies habe sich aber als durchaus vorteilhaft erwiesen. "So haben wir uns intensiv in alle Tätigkeiten und Bereiche eingearbeitet: vom Sortieren der Schmutzwäsche bis zum Aufhängen der Ware."

Auch als Chefs werden sie immer Teil des Produktionsteams sein. In einem kleinen Betrieb mit 15 Vollzeitstellen sei das gar nicht anders möglich, so Andreas Wyttenbach, dessen berufliche Laufbahn kaufmännisch geprägt ist, ergänzt durch ein BWL-Studium. Sein Bruder Daniel Wyttenbach ist der Technikversierte im Team, mit einer Qualifikation im Bereich Gebäudeautomation. Auch wenn sich inzwischen herauskristallisiert, wo ihre individuellen Stärken liegen, werden sie alle Entscheidungen gemeinsam treffen. So wie sie sich schließlich gemeinsam darin bestärkt haben, den Familienbetrieb weiterzuführen. Allein hätte es keiner gemacht.

Ohne die Unterstützung und Akzeptanz ihres qualifizierten Stammpersonals hätte es ebenfalls nicht funktioniert. Sie sind sich ihrer Verantwortung als Arbeitgeber bewusst und einig, ihr Personal auch weiterhin mit einer gewissen Demut zu führen. Ihnen ist wichtig, dass alle gerne zur Arbeit kommen – jeden Tag. Sie setzen auf eine transparente, informative Kommunikationskultur und einen respektvollen Umgang miteinander. So wie sie es vom Vater kennen, der die Verantwortung für das Unternehmen vertrauensvoll in ihre Hände legte und ihnen gleichzeitig immer noch mit Rat und Tat zur Seite steht. Auch Edgar Wyttenbach übernahm 1987 zusammen mit seinem Bruder Fredy das Unternehmen von seinem Vater und konnte so die Nachfolge auch gut aus der Perspektive seiner Söhne betrachten.

Expertenwissen unbedingt nutzen

Die Betriebswirtschaftlichen Berater der Handwerkskammer sind erfahrene Begleiter für Übergeber wie für Übernehmer. Sehr empfehlenswert ist auch ein Gespräch mit dem sogenannten Moderator für Unternehmensnachfolge bei der Handwerkskammer. Er berät in ausführlichen Erstgesprächen, analysiert die momentane Situation, fragt Vorstellungen ab, erarbeitet Lösungsansätze, plant die nächsten Schritte und vermittelt gegebenenfalls weitere Beratungstermine. Zum kostenfreien Service der Handwerkskammer gehört zudem die umfassende Beratung im gesamten Nachfolgeprozess. Hierfür ist ein Vor-Ort-Termin mit dem Spezialisten ratsam. Wichtig ist eine für beide Seiten neutrale Beratung zu bieten.

Weil Betriebsnachfolgen komplexe Konstrukte sind, gehen die Handwerkskammern das Thema derzeit intensiv an. Ziel des Projekts "Nachfolgenetzwerk" ist beispielsweise, potenzielle Übergeber und Übernehmer für das Thema Betriebsnachfolge zu sensibilisieren. "Wir wollen die nötige Aufmerksamkeit sowie die passenden Informations- und Beratungsangebote schaffen", berichtet Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Für ihn hat die Sensibilisierung und Beratung der Zielgruppen höchste Priorität. "Die hohen Teilnehmerzahlen bei Vorträgen zeigen immer wieder, wie relevant das Thema im Handwerk ist. Deshalb ist es wichtig, die Maßnahmen bei unseren Zielgruppen, aber auch weit darüber hinaus zu positionieren."

9 Ratschläge für eine erfolgreiche Betriebsnachfolge

Mann übergibt Nachfolge-Staffelstab an anderen Mann
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  1. Wer sich auf die Suche nach einem Nachfolger begibt, erhält durch den Besuch von Online-Nachfolgebörsen erste Orientierung. Das Existenzgründungsportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) betreibt beispielsweise die Unternehmensnachfolgebörse nexxt-change. Ziel dieser Börse ist, einen Kontakt zwischen Unternehmern und Nachfolgern herzustellen.
  2. Der Übergeber muss das Unternehmen auf die Übergabe vorbereiten, Umfang, Zeitpunkt und Form der Übergabe planen, steuerliche Aspekte beachten.
  3. Der potenzielle Übernehmer wird das Unternehmen, das er kaufen möchte intensiv prüfen und Chancen und Risiken abwägen. Er wird auch die Rechtsform unter die Lupe nehmen.
  4. Ein plausibler Kaufpreis: Um den Kaufpreise beurteilen zu können, muss zunächst genau festgelegt werden, was im Rahmen der Betriebsnachfolge übergeben werden soll. In den meisten Fällen erfolgt die Finanzierung über die Hausbank oder eine der Förderbanken. Ist der Kaufpreis zu hoch wird eine solide Finanzierung scheitern, da der Kapitaldienst vom Nachfolger nicht getragen werden kann. Die Ermittlung eines angemessenen Kaufpreises ist damit von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Nachfolgeregelung.
  5. Eine sorgfältige Berechnung des Kapitalbedarfs durch den Nachfolger: Die finanzierende Bank muss wissen, wie viel Geld der Übernehmer benötigt, damit er den Betrieb fortführen kann. Der Kaufpreis ist in aller Regel nur ein Teil des gesamten Kapitalbedarfs. Ersatz- und Neuinvestitionen, Nebenkosten und auch sogenannte Betriebsmittel zur Vorfinanzierung von Aufträgen kommen dazu. Somit ist der gesamte Kapitalbedarf wesentlich höher als der Kaufpreis. Dabei können Förderdarlehen in Anspruch genommen werden.
  6. Ein fundierter Geschäftsplan: Bei fast jeder Betriebsnachfolge stehen Veränderungen an. In Betrieben, die stark vom bisherigen Inhaber geprägt sind, ist eine Neuausrichtung in der Unternehmensführung notwendig. Meist ändert sich die Zielgruppe, ändert sich das Produkt- und Leistungsprogramm, werden organisatorische Veränderungen durchgeführt. Der Nachfolger muss erläutern, wie er künftig im Wettbewerb bestehen möchte. Dazu sind ein fundierter Geschäftsplan und ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell die Basis.
  7. Planzahlen: Die geplanten Veränderungen wirken sich in Zahlen aus. Die Planung der Umsätze und Gewinne ist für die unmittelbar Beteiligten eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Vor allem der Nachfolger muss anhand der geplanten Gewinne beurteilen, ob die Übernahme für ihn lukrativ ist. Mit einem Liquiditätsplan muss er belegen, dass er auch in der Lage sein wird, Zins und Tilgung zu bezahlen.
  8. Eindeutige Regelungen zur Nachfolge: Häufig werden bei einer Betriebsübernahme über die Vereinbarung des Kaufpreises hinaus zahlreiche weitere Vereinbarungen getroffen, beispielsweise über die Vermietung der Betriebsräume, die Übernahme des Firmennamens, die Weiterbeschäftigung des Betriebsinhabers, Garantien des Verkäufers, die Bezahlung des Kaufpreises, die Übernahme von Haftungsverpflichtungen, Weitergabe von Kundendaten. Auch diese Rahmenbedingungen müssen schriftlich vereinbart werden. Arbeitet der Übergeber beim Nachfolger noch eine Zeitlang mit, müssen auch dafür die Konditionen festgelegt werden. Für die Beurteilung des Vorhabens und für das spätere Miteinander ist es aber außerordentlich wichtig, von Anfang an Klarheit zu schaffen.
  9. Ein schlüssiger Zeitplan: Ohne frühzeitige Beratung geht es nicht. Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater müssen auch bei Kleinbetrieben zusammenspielen, damit eine Lösung gefunden wird, die allen Seiten gerecht wird. Auch die Aufbereitung der Unterlagen und die notwendigen Recherchen erfordern meist viel mehr Zeit, als sich die Beteiligten gedacht hatten.

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