Henrik Rueß, Geschäftsführer der Ruess GmbH, Wolfsburg Employer Branding: 4-Tage-Woche im Textilservice

Modernität und Flexibilität sind Keywords für den Erfolg der Ruess GmbH in Wolfsburg. In Abstimmung mit seinem Team hat Geschäftsführer Henrik Rueß eine 4-Tage-Woche in der Produktion etabliert. Das Modell funktioniert und fördert die Zufriedenheit des Personals, ganz im Sinne eines zeitgemäßen Employer Brandings.

Henrik Rueß Portrait
Henrik Rueß: „Was die Personalsituation betrifft, müssen wir uns heute völlig neuen Herausforderungen stellen.“ - © Ruess GmbH

"Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir in einer etwa dreimonatigen Testphase damit begonnen. Wir wollten sehen, ob und wie es funktio­niert. Inzwischen ist die 4-Tage-Woche bei uns Standard, zumindest in der Produktion.“ Es trage wesentlich zur Zufrie­denheit der Mitarbeitenden bei und erhöhe die Attraktivität als Arbeitgeber. Das war eines der Ziele, die Henrik Rueß erreichen wollte, denn: „Trotz Automatisierung sind wir immer noch eine Branche mit einer hohen Personalabhängigkeit“, betont Henrik Rueß.

Wie schon sein Vater Hans-Jörg Rueß und Großvater Konstantin Rueß ist er ein aufmerksamer Marktbeobachter, der beweist, dass sich Bodenständig­keit und Modernität bestens miteinander vereinbaren lassen. Flexibilität sei ein Erfolgsfaktor. Während der Pandemie habe sich gezeigt, dass die Bereitschaft zur Ver­änderung eine unternehmerische Notwendigkeit sei. „In dieser Zeit wurde deutlich, dass wir uns nicht allein auf Technik­lösungen verlassen können. Die besten Maschinen helfen uns nicht, wenn wir kein Personal haben, das sie bedient. Andererseits brauchen wir moderne und bedienerfreundliche Hochleistungstechnik, wenn wir wollen, dass unsere Teams gute Arbeit leisten.“

Hightech-Betrieb im Textilservice

Innerhalb der letzten drei Jahre wurden die Produktionshallen für die Bearbeitung von Berufsbekleidung und Hotelwäsche mit modernster Maschinentechnik komplett neu ausgestattet. „Für ein Unternehmen unserer Größe ist moderne, energieeffiziente Technik erfolgsentscheidend. Auf der Texcare konnte ich mich nun davon überzeugen, dass wir tatsächlich auf dem neuesten Stand der Technik arbeiten“, sagt Henrik Rueß, der seit 1999 das Unternehmen in dritter Generation führt.

Die Entwicklung des Familienbetriebes konnte er seit seiner Kindheit mitverfolgen. „Was die Personalsituation betrifft, müssen wir uns heute völlig neuen Herausforderungen stellen. Wir beschäftigen inzwischen 270 Menschen aus 26 Nationen. Sie können sich vorstellen, wie viele Sprachen bei uns gesprochen werden. Das heißt auch, dass wir als Arbeitgeber dafür sorgen müssen, dass Kommunikation und Integration ebenfalls gelingen.“ Dazu ist die Rueß-Geschäftsleitung gern bereit, unter anderem durch das Angebot von Deutschunterricht.

Lesetipp: Anlernen mit Erklärvideos

Wie lege ich das Geschirrtuch auf die Mangel? Welchen Knopf muss ich drücken, wenn es falsch liegt? Und was war nochmal bei dem Kopfkissen zu beachten? Bis neue Handgriffe sitzen, stellen sich Mitarbeiter viele ­Fragen. Das kostet Zeit. Aber nicht nur. Was viele Unternehmer nicht sehen: Es kostet Überwindung und nagt am Selbstvertrauen. Besonders, wenn neue Arbeitskräfte kein oder nur gebrochen Deutsch sprechen. Dabei könnte das Anlernen leichter von der Hand gehen – und zwar mit einer simplen Methode: Erklärvideos von Worxcamera.

Als Unternehmen in Vorleistung gehen

„Wenn wir von unserem Personal Leistungsfähigkeit erwarten, müssen wir als Arbeitgeber in Vorleistung gehen. Daher ist unser Maschinenpark darauf ausgerichtet, die Abläufe einfach, effizient und mitarbeiterfreundlich zu gestalten. Durch die Umstellung auf die 4-Tage-Woche erreichen wir nun eine optimale Maschinenauslastung und unsere Mitarbeitenden freuen sich, dass sie ein 3-Tage-Wochenende haben.“

Gerade im Textilservice ­müssen Betriebe über zeitgemäße ­Arbeitszeitmodelle nachdenken.

Henrik Rueß

Für die Auszubildenden gelte die 4-Tage-Woche noch nicht; der Ausbildungsplan soll komplett eingehalten werden. „Spannend ist für sie vor allem unser ­hohes Technikniveau. Daher gelingt es uns immer wieder, Auszubildende zu ­gewinnen. Bei uns haben sie die ­Chance, an allen Maschinen ihren Beruf zu erlernen: von der Fleckentfernung über die Bedienung der Reinigungsmaschine und Programmierung einer Waschstraße bis zur Logistik.“

Henrik Rueß ist sich bewusst, dass er potenziellen Nachwuchskräften etwas bieten muss. „In Wolfsburg sind die jungen Leute sehr automobilaffin, eine Ausbildung im Textilservice ist da nicht so sexy.“ Eine 4-­Tage-­Woche ohne Lohn­kürzung in einem technisch hochmodernen Unternehmen sei jedoch für viele ein gutes Argument, ob für Azubis oder ­Führungskräfte.

Ruess GmbH Automatisierung Wäscherei
Geschäftsführer Henrik Rueß: „Trotz Automatisierung sind wir immer noch eine Branche mit einer hohen Personalabhängigkeit.“ - © Ruess GmbH

4-Tage-Woche: Der freie Tag ist ein Gewinn

So sieht es auch die Ruess-Belegschaft. Alle waren bereit, die Umstellung der Produktion auf eine 4-Tage-Woche mitzutragen. Negativstimmen gab es nicht; die Abstimmung mit dem Betriebsrat verlief schnell, konstruktiv und erfolgreich. Eine schrittweise Umstellung auch auf die administrativen Unternehmensbereiche ist in der Überlegung und wird auch von den Mitarbeitenden in den ­Büros begrüßt.

„Das werden wir ebenfalls gründlich prüfen und gegebenenfalls sukzessive umsetzen wie in der Produktion. Unsere Kunden hatten und haben keinerlei Service- noch Qualitätseinbußen. Die Vorteile für uns sind noch nicht in allen Bereichen messbar, in punkto Energiekosten zum Beispiel. Fakt ist, dass wir die Fluktuation und den Krankenstand deutlich senken konnten. Ein riesengroßer Vorteil besteht außerdem darin, dass wir an dem freien Tag alle Reparaturen und Wartungsarbeiten geplant durchführen können. Damit haben wir auch die Ausfallzeiten stark reduziert“, erklärt Henrik Rueß. „Auch unsere Lohnkosten sind nicht gestiegen und die Arbeitsverträge unverändert geblieben. Sollte jemand an einem Freitag arbeiten müssen, in den Feiertagswochen beispielsweise, zahlen wird diesen Tag zusätzlich. Unsere Produktion und unser Personalmanagement sind so organisiert, dass Mitarbeitende maximal einen Freitag pro Jahr arbeiten müssen. Damit sind alle einverstanden.“

Flexibilität bleibt Programm

Henrik Rueß ist ebenfalls zufrieden. Für ihn ist diese Entwicklung so folgerichtig und stimmig, wie seinerzeit die Entscheidung, die Nachfolge im Familien­betrieb zu übernehmen. Sein abgeschlossenes BWL-Studium mit den Schwerpunkten Vertrieb und Marketing war eine ideale Voraussetzung, neben dem persönlichen Wunsch, unternehmerisch tätig zu sein.  „Ich bin ein Freigeist. Mir ist es wichtig, selbstbestimmt zu arbeiten, dabei immer wieder neue Ideen und Lösungen zu entwickeln und umzusetzen“, verrät er.

So verstehe er sich als Teamplayer, insbesondere auch in der Kooperation mit seinen Partnern von „die mietwäsche“, die er 2007 gemeinsam mit drei anderen Familienunternehmen der Branche gründete. „In diesem Verbund sind wir bundesweit aufgestellt und können unsere Kunden auch überregional schnell und flexibel mit Berufskleidung und ­Hotelwäsche versorgen.“

Mit der Bereitstellung von Berufskleidung pflegt die Ruess GmbH seit mehr als 70 Jahren eine Tradition, die sein Großvater begründete. Bereits er sah darin einen Markt der Zukunft. Gemeinsam mit seiner Frau Helene gründet ­Konstantin Rueß im Jahr 1950 eine ­Färberei in Wolfsburg. Zwei Jahre zuvor hatte die britische Militärregierung die Leitung des Volkswagenwerks an ­Heinrich Nordhoff abgegeben und die Produktion der ‚Käfer‘ boomt. Ungenutzte Militärkleidung ist reichlich vorhanden; was fehlt ist Arbeitskleidung für die ­Industrie. Konstantin Rueß erkennt den Bedarf, färbt die Uniformen um und ­liefert sie als Arbeitskleidung an die ­Industrie.

Qualitätsreinigung auch für Privatkunden

Es ist die Zeit des Wirtschaftswunders und der kleine Betrieb floriert schnell. Der Gründer erkennt allerdings bald: Die Menschen wollen keine umgefärbten Blaumänner mehr tragen, sondern neue, modische Overalls. Parallel wächst die Nachfrage nach professioneller Textilreinigung. Konstantin Rueß macht aus der Färberei eine ‚moderne Chemisch­reinigung‘. Der Name Ruess wird in der Region ein Synonym für Qualitäts­reinigung und ist es bis heute. Am Firmenstandort wird auch für Privatkunden gereinigt.

Was mit der Reinigung von Anzügen, Kostümen, Mänteln und Brautkleidern im kleinen Team auf 150 m2 beginnt, wird zu einem sicheren Standbein. Im Jahr 1964 übernimmt Hans-Jörg Rueß den Betrieb, der in Spitzenzeiten 150 Mitarbeitende beschäftigt und 40 Filialen zwischen Helmstedt und Gifhorn unterhält. Wie alle in der Branche muss auch er sich in den 1960er Jahren auf den wirtschaftlichen Wandel einstellen. Mit dem zunehmenden Wohlstand gibt es immer mehr Haushalte mit einer eigenen Waschmaschine. Parallel dazu kommen neue, synthetische Textilien auf den Markt. Die neue Mode kann bequem zuhause gewaschen werden. Hans-Jörg Rueß erkennt, dass die Dienstleistungen Textilreinigung und Wäscherei zusammengehören. Er erwirbt die Wäscherei Baumann in Wolfsburg und macht das Mietgeschäft von Textilien zu einem stabilen Standbein. Die Strukturen des Betriebes erlauben die Bearbeitung ­größerer gewerblicher Aufträge, so avanciert die Mietwäsche zum wichtigsten Geschäftsfeld, das Ende der 1970er Jahre um Leasingangebote für Berufsbekleidung und PSA erweitert wird.

Durch die Umstellung auf die 4-Tage Woche wurde bei der Ruess GmbH ­eine optimale Maschinennauslastung erreicht. - © Ruess GmbH

Sprung in neue Generation

Im Jahr 1990 ergibt sich die Chance, die Betriebswäscherei und -textilreinigung des VW-Werks zu übernehmen. Die Firma Ruess investiert erneut in zeitgemäße Technik, um den hohen Anforderungen des Großkunden gerecht werden zu können. Zu diesem Zeitpunkt arbeiten in der Textilreinigung 17 ausgebildete Mitarbeiter an fünf Wochentagen in drei Schichten. Wäscherei und Textilreinigung befinden sich unter einem Dach, technisch bestens ausgestattet, auf einer Fläche von 2.500 m². Da neben der Volkswagen AG weitere Kunden dazukommen, ist ­eine Erweiterung der Produktion erforderlich. Mit der Eröffnung eines Neubaus am heutigen Standort, auf einer Gesamtfläche von 10.000 m², erfolgt im Januar 1999 die Übergabe an Henrik Rueß.

Auch für ihn hat Handwerkstradition im Textilservice einen hohen Stellenwert, auch wenn inzwischen etwa 35 t Textilien täglich durch die beiden Produktionshallen laufen, in denen Berufsbekleidung und Hotelwäsche separat bearbeitet werden. „Unsere Prozesse sind automatisiert und digitalisiert, dennoch brauchen wir ausgebildete Fachkräfte, die ihr Handwerk verstehen, in der Schneiderei zum Beispiel. Eine ausgebildete Schneiderin zu finden, ist nicht selbstverständlich.“

Henrik Rueß weiß, wie wichtig Ar­­­beitgeberattraktivität geworden ist. „Gerade im Textilservice müssen Betriebe über zeitgemäße Arbeitszeitmodelle nach­denken, auch wenn das zunächst mit Aufwand verbunden ist. Für uns war die Testphase hilfreich. Die Umstellung im Bereich Berufsbekleidung war im Vergleich zur Hotelwäsche deutlich einfacher. Wer das Geschäft kennt, weiß, dass in diesem Servicesegment eine hohe Flexibilität erwartet wird. Unsere Kunden haben von den Veränderungen nichts mitbekommen. Dass unsere Mitarbeitenden zufrieden und motiviert sind, spüren alle.“


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